Wer ist der Erfinder? fragt Herbert Nauderer
Herbert Nauderer: Tänzerin. Repro: Petra Kurbjuhn
Ausstellung und Jahresempfang in Rosenheim
Zur Finissage der Ausstellung „Haus des Erfinders“ von Herbert Nauderer in der Städtischen Galerie Rosenheim lud jetzt das Kulturforum Rosenheim im Rahmen seines Jahresempfangs ein, bei dem 1. Vorsitzende Andrea Hailer den Leitgedanken für 2021 verkündete.
Man wolle nicht zurückblicken auf die für die Kultur katastrophalen eineinhalb Jahre, sondern nach dem Motto „Leben. Lieben. Lachen. Lichtblick“ einander Lichtblicke schenken, sagte die engagierte Kulturmanagerin des Partnervereins von KulturVision. Ein solcher Lichtblick ist auch die eben zu Ende gehende Ausstellung von Herbert Nauderer, auch wenn sie im Dunklen beginnt.
Andrea Hailer, 1. Vorsitzende Kulturforum Rosenheim. Foto: Bérénice Salvan
Der renommierte Zeichner konzipierte die Präsentation eigens für die Städtische Galerie Rosenheim in neun Räumen. Anhand historischer und aktueller Geschehnisse und mithilfe fiktionalisierter und rätselhafter Biografie der Person des Erfinders zeichnet er einen Parallelkosmos durch unterschiedliche künstlerische Techniken. Grundlage für die Ausstellung sind die zwei Werkzyklen „Parasite Island“ und „Mausmannsland“ sowie utopische Stadtlandschaften, die während des Lockdowns entstanden.
Im ersten Raum laufen drei Videoproduktionen im Dunklen. Der Blick fällt als erstes auf die Ballerina, dem gegenüber stehen eine Operationsszene und eine rasante Fahrt durch eine fiktive Stadt, ergänzt mit Bildern aus dem Labor des Erfinders.
Herbert Nauderer: Die Expedition. Foto: Bérénice Salvan
In den weiteren Räumen wird die mysteriöse Expedition, wissenschaftlich oder militärisch, zu Parasite Island anhand von Dokumenten künstlerisch dargestellt. Das „Tagebuch einer Expedition“ ist als Katalog erhältlich und beschreibt detailliert das Unternehmen von 1958 zu dieser geheimnisvollen Insel, von der kein einziger Teilnehmer zurückkehrte.
In einem Film sind unklar Menschen zu erkennen. Bewohner? Gefangene? Erfinder? In einem Modell findet sich „das Haus des Erfinders“ in der Mitte eines bebauten Areals.
Herbert Nauderer: Wer ist der Bewohner von „Parasite Island“? Foto: Bérénice Salvan
Wer ist der Erfinder? Diese Frage stellt sich dem Betrachter automatisch, wenn er sich in die Arbeiten Herbert Nauderers vertieft. Ist Wissenschaft für den Menschen hilfreich oder eher eine Bedrohung? Warum begibt sich der Erfinder bei seiner Suche nach Sinn und Wahrheit in Gefahr? Kann sich der Mensch am Erfindergeist, an der Wissenschaft orientieren?
Eindeutige Antworten gibt die Ausstellung nicht, kann sie und will sie nicht geben, sondern sie wirft die Fragen auf, an der sich jeder Einzelne, jede Einzelne selbst befragen kann.
Herbert Nauderer: „Saal der Idioten“. Foto: Bérénice Salvan
Ein wichtiger Raum dazu ist der „Saal der Idioten“ mit zahlreich unterschiedlichen Porträts, gezeichnet und fotografiert. Wer ist das? Der Idiot im Dostojewskischen Sinne? Der Idiot als Kranker? Oder sind wir alle ein wenig idiotisch? Und wen soll die undefinierbare Plastik gegenüber darstellen?
Am Ende wird die Besucherin mit dem „Mausmannsland“ bekannt gemacht. Ein Film von 15 Minuten, unter anderem mit Josef Bierbichler und dem Künstler selbst, zeigt bedrückende Szenen voller Willkür, Brutalität und Sprachlosigkeit, ein Blick in familiäre Abgründe.
Herbert Nauderer: Beispiele aus verschiedenen Werkgruppen. Foto: Bérénice Salvan
„Ausklang“ ist der letzte Raum betitelt, in dem Beispiele aus verschiedenen Werkgruppen des Künstlers zu sehen sind. Da wir die Ausstellung nicht in der vorgesehenen Reihenfolge erleben können, sondern vom Garten her eingetreten sind, kommen wir am Ende wieder ins Licht. Lichtblick.
Die Ausstellung ist keineswegs liebevoll und regt auch nicht zum Lachen an. Aber zum Nachdenken, zum Reflektieren und sie hat auch Witz und Irrwitz. Und sie zeigt das Schöne, die Ballerina steht dafür und damit zeigt Herbert Nauderer das Leben in seiner Vielfalt und auch in seiner Rätselhaftigkeit.
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