Vossenkuhl und Götz Gliazellen

Gliazellen können Nervenzellen reparieren

Kurator Prof. Wilhelm Vossenkuhl stellt Prof. Dr. Magdalena Götz vor. Foto: Petra Kurbjuhn

Vortrag in Weissach

Eine spektakuläre Reise von der Entwicklung zur Reparatur des Gehirns unternahm im Rahmen des Korbinians Kollegs Professor Magdalena Götz. Sie widerlegte schlüssig Lehrbuchmeinungen und machte Hoffnung auf neue Therapien bei Hirnläsionen und -verletzungen.

Ob Parkison, Alzheimer, Schlaganfall oder Unfall, Schäden unseres Gehirns sind von fundamentalem Interesse. Deshalb war der Saal im Hotel Bachmair in Weissach auch gut gefüllt, als Hotelinhaber Korbinian Kohler die Wissenschaftlerin ankündigte, die über Fortschritte in der Hirnforschung berichten sollte.

Als herausragende Forscherin stellte sie Professor Wilhelm Vossenkuhl, Kurator der Wissenschaftsreihe, vor. Die Direktorin des Instituts für Stammzellforschung am Helmholtz Zentrum in München und Leiterin des Departments für Physiologische Genomik der LMU erhielt für ihre Arbeit zahlreiche Preise, unter anderem den Leibnizpreis.

Korbinians Kolleg Prof. Götz
Korbinian Kohler begrüßt die Rednerin. Foto: Petra Kurbjuhn

Mit ihrer Forschung betrat sie Neuland und leistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der Gliazellen. Ihr Thema: Wie können neuronale Erkrankungen geheilt oder wie können kaputte Nervenzellen repariert werden.

„Abgestorbene Nervenzellen können heute nicht ersetzt werden“, sagte die Wissenschaftlerin. Sie ging der Frage nach, wie sich die Nervenzellen im Gehirn entwickeln, reine Grundlagenforschung also. Anhand von Beispielen aus dem Tierreich wies sie nach, dass sich Gehirne entsprechend der Anforderungen entwickeln.

Nicht nur Klebstoff

Es besteht aus verschiedenen Nervenzellen, die Informationen verarbeiten und aus Gliazellen, die als Klebstoff des Gehirns bezeichnet werden. Magdalena Götz fand nun entgegen der gängigen Lehrbuchmeinung heraus, dass ein Teil der Gliazellen nicht nur eine Stützfunktion haben, sondern Stammzellen sind und durch Vermehrung Nervenzellen bilden können.

Diese sogenannten radialen Gliazellen sind aber nur während der Entwicklung des Säugetiergehirns vorhanden, im Gegensatz zu Zellen im Blut, der Haut oder Immunsystem, die zeitlebens neugebildet werden.

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Bei einer Hirnverletzung, wie einem Schlaganfall, sterben Nervenzellen ab. Die Gliazellen verursachen dann eine Narbenbildung, wodurch es zu Ausfällen der Hirnfunktion kommt. Die Wissenschaftlerin ging nun mit ihrem Team der Frage nach, wie diese Narbenbildung vermindert werden kann und wie die abgestorbenen Nervenzellen ersetzt werden können.

Der Zebrafisch kann Organe nachwachsen lassen

Dabei ließ sie sich von der Fähigkeit des Zebrafisches inspirieren, der nicht nur Organe nachbilden, sondern auch auf Hirnverletzungen ohne Narbenbildung reagiert, weil er im gesamten Hirn über radiale Gliazellen verfügt. Diese radialen Gliazellen also waren der Schlüssel für die Idee, narbenbildende Gliazellen in Nervenzellen umzuwandeln.

Nervenzellen
Die Struktur von Nervenzellen. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Forscherin berichtete über Blockaden und Rückschläge bei der Anwendung dieses Konzepts auf das Säugetiergehirn, bis sie mit Antioxidantien den Durchbruch erzielte und reife Nervenzellen aus umprogrammierten Gliazellen züchtete.

Sie konnte auch zeigen, dass sich diese neuen implantierten Nervenzellen im Tierversuch richtig verknüpfen und auf Reize adäquat reagieren. Jetzt soll die Forschung von der Maus auch auf menschliche Zellen in der Petrischale übertragen werden.

Umprogrammierte Gliazellen

Der nächste Schritt, so Magdalena Götz, ist die Umwandlung von Gliazellen im Gehirn zu Nervenzellen, wobei man sich der „viralen Trickkiste“ bediene, also Viren ohne Immunreaktion als Schleuser benutze.

Radiale Gliazellen
Radiale Gliazellen gibt es nur bei der Neurogenese. Foto: Petra Kurbjuhn

Auf die Frage von Wilhelm Vossenkuhl, ob ihre Forschung auch Hoffnung für Querschnittsgelähmte beinhalte, meinte sie, dass es andere Forschungsansätze gibt, die in diesem Fall zum Tragen kommen. „Wir arbeiten am Ersatz von abgestorbenen Nervenzellen, nicht daran, wie man Nervenzellen Fortsätze wieder zum Wachsen anregt.“

Auf eine Publikumsfrage räumte sie ein, dass auch die neuen Nervenzellen bei Alzheimer- und Parkinsonerkrankungen wieder Fehlbildungen akkumulieren können, aber, und das ist ein Hoffnungsschimmer, die Therapie könne weitere 20 bis 30 Jahre lebenswertes Leben schenken.

Fazit: Grundlagenforschung ist essentiell wichtig, nicht nur um Phänomene besser verstehen zu lernen, sondern sie ist auch die Basis für praktische Anwendungen.

Der nächste Vortrag im Korbinians Kolleg findet am Freitag, 13. Dezember statt. Prof. Dr. Marc-Aeilko Aris spricht über „Die Zukunft der Religion – Hat sie überhaupt eine Zukunft und bietet sie eine an?“ Beginn 18.30 Uhr im Hotel Bachmair Weissach, Wiesseer Straße 1, 83700 Weissach.

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