Boulevardkomödie um ein Jahr verschoben
Schminken für die Premiere fällt heute Abend aus. Foto: Manfred Lehner
Interview statt Premiere
Heute Abend hätte des Holzkirchner Komödchen im KULTUR im Oberbräu Premiere mit seinem neuen Stück „So ein Theater“. Wie derzeit alle Kulturveranstaltungen muss die Aufführung verschoben werden. Im Interview erzählt Regisseurin Lydia Starkulla, wie es dem Ensemble damit geht.
MZ: Was hätte das Premierenpublikum heute Abend zu sehen bekommen?
LS: Eine Boulevardkomödie, ein spritziges, flottes Stück von Ken Ludwig. Seit 2012 bin ich Regisseurin beim Komödchen und wir haben immer am Ostersonntag Premiere.
MZ: War die Inszenierung schon fertig, als Ihr absagen musstet?
LS: Wir sind zu zwei Dritteln fertig, denn wir mussten einen Monat vor der Premiere mit den Proben aufhören. Im Dezember haben wir mit der Konzeption begonnen und im neuen Jahr dann zwei Monate geprobt.
Lesetipp: Die beinah tödliche Frage: Wie sehe ich aus?
MZ: Wie geht es Dir jetzt?
LS: Schlecht. Das Komödchen ist ja nur eine von vielen Inszenierungen, die jetzt wegfallen. Am 8.3. wäre „Erika und Therese“ mit dem ensemble peripher gewesen und zwei Tage vorher wurde die Schließung des KULTUR im Oberbräu beschlossen.
MZ: Wie geht es dem Ensemble?
LS: Sie reagieren gut, es gibt eine Fürsorge in der Truppe, keiner hat nur an sich gedacht, so eine Situation kann man nur gemeinsam ertragen. Alle waren traurig aber auch gefasst, es herrscht große Solidarität.
„Erika und Therese“ wird in den Herbst verschoben. Foto: KN
MZ: Was sind jetzt Eure nächsten Schritte?
LS: Wir haben zunächst entschieden, mit den Proben zu pausieren. Es fühlte sich nicht richtig an, in dieser Situation ein Boulevardstück zu proben. Dann kamen die Ausgangsbeschränkungen und wir wussten, dass wir den Termin nicht halten können. Jetzt wissen wir nicht, wann es wieder Aufführungen geben wird. Als erstes werden wohl schrittweise die Geschäfte wieder aufmachen. Aber einen voll besetzten Theatersaal, das kann ich mir derzeit nicht vorstellen. Deshalb haben wir entschieden, dass wir die Premiere um ein Jahr auf den 4. April 2021 verschieben.
MZ: Du bist freischaffende Künstlerin. Wie geht es Dir finanziell?
LS: Das ist eine Katastrophe. Ich bekomme ja für die Aufführungen Förderungen vom Bezirk Oberbayern, aber eben nur für Aufführungen. Im März hätte ich 15 Vorstellungen gehabt, war voll im speed und musste dann auf null herunterfahren. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen, denn alles was ich gemacht habe, war nicht mehr brauchbar. Beispielsweise haben wir „Erika und Therese“ in den Herbst geschoben, aber die Abrechnung muss bis Juni geschehen, da brauchen wir eine Kulanzregelung. Und für „So ein Theater“ muss ich wegen der Rechte mit den USA Kontakt aufnehmen, sonst bin ich vertragsbrüchig.
MZ: Hast Du die Soforthilfe für Künstler in Anspruch genommen?
LS: Ja, ich habe sie auch bekommen. Jetzt kursieren im Netz viele Gerüchte, dass man das eventuell zurückzahlen muss, das verunsichert.
Der Vorhang geht heute Abend für das Holzkirchner Komödchen nicht auf. Foto: Manfred Lehner
MZ: Und wie geht es bei Dir weiter?
LS: Ich ringe um Struktur und Sinnhaftigkeit und bereite neue Projekte vor. Aber es ist ein komisches Gefühl, weil es kein zielgerichtetes Arbeiten ist, man weiß nicht, wie es weitergeht. Ich mache Sport und Yoga und bin viel in Kontakt mit anderen, die dieselben Probleme haben. Aber bei all dem darf man nicht vergessen, dass wir privilegiert sind. Wir haben ein Dach über dem Kopf und genug zum Essen. Ich leide mehr am Zustand der Welt, mir ist kalt ums Herz, wenn ich an mein Befinden denke und daran, was in anderen Ländern passiert. Bei uns werden die kranken Menschen in Würde versorgt.
Lydia Starkulla mit Andrea Baier bei der Premiere von „Bunburry“. Foto: Petra Kurbjuhn
MZ: Welche Bedeutung hat in solchen Zeiten wie jetzt die Kultur?
LS: Diese Zeit ist ein Stresstest für die physische und psychische Gesundheit. Und solche Ensembles wie das Komödchen sind dann der soziale Kleber, auch wenn mir im Augenblick eine Boulevardkomödie überflüssig vorkommt. Aber so ein Haus wie das KULTUR im Oberbräu mit all den Begegnungen, dieses Leben, wo man lacht und gemeinsam Probleme bearbeitet, das ist so schön und das fehlt. Hoffentlich merken das die Leute und zeigen Wertschätzung für die Menschen, die das Haus beseelen.