Hommage an die Mutter von Jaromir Konecny
„Du wächst für den Galgen“. Foto: MZ
Buchtipp von KulturVision
Auch wenn es der Titel „Du wächst für den Galgen“ nicht vermuten lässt, Jaromir Konecny hat in seinem eben veröffentlichten Roman ein sensibles und humorvolles Bild seiner Kindheit in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik gezeichnet, Hauptperson dabei seine Kette rauchende Mutter.
Jaromir Konecny emigrierte 1982 in die Bundesrepublik Deutschland und studierte nach unterschiedlichen Jobs an der TU München Chemie und promovierte in Bioinformatik. Neben den Naturwissenschaften begeisterte ihn aber ebenso schon immer das Geschichten Erzählen. Er ist Poetry Slammer ebenso wie Science Slammer und war schon mehrfach im Landkreis Miesbach zu Gast, als Slammer und als Referent zum Thema Künstliche Intelligenz. Derzeit ist er online mit zwei Partnern in der WHO, der Wohnzimmer-Heiterkeits-Offensive zu sehen.
Lesetipp: Wohnzimmer-Heiterkeits-Offensive
Er veröffentlichte zahlreiche Romane und er wurde kürzlich zu den Münchner Turmschreibern berufen. In „Du wächst für den Galgen“ schreibt er in Kurzgeschichten Episoden seiner Kindheit auf. Sie sind skurill, voller Witz und voller Wärme. Grund dafür ist in erster Linie die Erinnerung an die Mutter, mit deren Foto das Buch beginnt.
Jaromir Konecny bei einem Vortrag an der vhs Tegernsee 2019. Foto: MZ
Sie wollte ihren Sohn zu einem großen Naturwissenschaftler machen und schenkte ihm einen Chemiebaukasten. Nachdem er damit das Haus in Brand gesteckt hatte, fiel der Spruch „Du wächst für den Galgen“. Er beschreibt den schrägen Humor seiner Mutter, die Krimis liebt, die Geschichten liebt, deren Zigarettenasche in den Bohneneintopf fällt und die das Leben ihres Sohnes Jarek prägt.
Hommage an die Mutter in Mähren
Dieser setzt ihr nun, Jahre nach ihrem Tod, ein Denkmal, denn „wenn eine Geschichte einmal aufgeschrieben wird, lebt sie für immer.“
Der Leser wird mitgenommen in das Leben in einem mährischen Dorf in den fünfziger und sechziger Jahren. Da ist also die streng katholische Mutter mit ihrem derben Humor und der kommunistische Vater, für den die Prügelstrafe die geeignete Erziehungsmethode war. Gut, der kleine Jarek machte auch ordentlichen Blödsinn, wie halt jeder Junge.
„Eine Frau sieht mehr“
Er haut, fünfjährig, mit seinem Freund ab, nach Prag wollen sie, werden aber wieder eingefangen. Er probiert auf dem Weg von der Kneipe nach Hause nicht nur das Bier, sondern auch den Pfefferminzlikör und füllt mit Wasser auf. Und er erkennt, dass „die ganze Welt eines Mannes in eine Bierkanne passt. Eine Frau sieht mehr.“
Leider entdeckte die Mutter auch die Heidelbeerflecken auf der neuen Tischdecke und nahm nun selbst den Holzlöffel zur Hand. Sie schützte ihn aber auch vor dem Vater mit dem Lederriemen und begründete sein Ausreißen von Gurkenpflanzen statt von Unkraut mit: „Unser Sohn ist eben ein kreativer Junge.“
Prügelstrafe ist Überbleibsel des Kapitalismus
Und überzeugte später den Erzkommunisten damit, dass die Prügelstrafe ein Überbleibsel des Kapitalismus sei. Danach musste er 500-mal Sätze schreiben, wie „Ich darf meinem Vater nicht widersprechen.“ Das, so resümiert der Autor, sei der Beginn seiner Schriftsteller-Karriere gewesen, er könne nicht aufhören zu schreiben.
Für Kenner des Lebens im Sozialismus hat das Buch besonderen Charme. Jaromir Konecny erzählt detailreich und witzig über Mangelwirtschaft, Alkohol, proletarische Tischsitten, sammeln und tauschen und Ordenträger am 1. Mai.
Arztstempel kopiert
Das Buch endet mit der Übergabe der Abiturzeugnisse, Jaromir hat als einziger eine „4“ als Notendurchschnitt, aber auch das kann seine ihn liebende Mutter nicht erschüttern. Und als er ihr 1990 seine Doktorurkunde mit summa cum laude zeigt, lacht sie nur und meint, er habe schon als Kind Arztstempel mit hartgekochten Eiern kopiert.
Und selbst nach ihrem Tod hat sie im Traum für ihren Jarek noch gute Ratschläge parat. Welche? Selber lesen, es lohnt sich.