Aufbruch und Abschied

Horst Hermenau – eine abgefahrene Ausstellung

Horst Hermenau vor seinem Werk „Die Windgöttin“ (2022). Foto: Isabel Sophie Oberländer

Ausstellung in Holzkirchen

Kunst und Karosserie passen nicht zusammen? Von wegen! Die Galerie im Autopavillon Steingraber macht’s vor und beweist durch die Bilderschau „Aufbruch und Abschied“ von Horst Hermenau wahren Kunstgeschmack. Bis März sind die Werke zu sehen – sowohl in der hauseigenen Galerie als auch im Verkaufsbereich.


Der Autopavillon Steingraber beherbergt wechselnde Ausstellungen. Foto: IO

Ausnahmsweise öffnet Steingraber seine Pforten auch zu später Stunde, nämlich um 19:00 zur Vernissage. Statt Aufbruch und Abschied liegt nun die Vorfreude und die Geselligkeit der Kunstinteressierten in der Luft. Bereits in der Verkaufshalle lassen sich einige großformatige Gemälde erkennen. Eine schmale Wendeltreppe führt hinauf in die eigentliche Galerie. Großzügige weiße Wände, Spotlights an der Decke, heller Holzboden… Das alles lässt höchst künstlerisch anmuten. Für einen kurzen Moment vergisst man, dass man sich nicht in einer klassischen Kunstgalerie befindet, sondern im oberen Geschoss einer PKW-Handlung. Dort tauchen wir ein in Horst Hermenaus Bilderwelten.

Aufbruch und Abschied
„Manche brechen auf, manche bleiben“ (2021). Foto: IO

Ein interessanter Werdegang

Horst Hermenaus herausragender Wissens- und Schaffensdrang sowie seine Neugier, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, zeigt sich in seiner Vita. Der geborene Holzkirchner studierte nach dem Zivildienst an der Akademie der Bildenden Künste. Auch in Kunstgeschichte, Philosophie, Pädagogik und Siebdruck hat Hermenau einen Abschluss. Es folgt eine Vielzahl von Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen in ganz Bayern. Seit vielen Jahrzehnten beschäftigt ihn ebenso die experimentelle elektronische Musik. All diese Komponenten lassen sich nicht getrennt betrachten, sondern fließen anteilig in seine Werke ein, die oft auch biografisch inspiriert sind.


Tochter Andrea und Enkelin Hannah Hermenau eröffneten die Vernissage musikalisch und begeisterten das zahlreiche Publikum. Foto: Petra Kurbjuhn

Den Ausgangspunkt der gezeigten Bilder stellt beispielsweise eine Reise nach Riva dar, wo Hermenau in den Hafenszenen des Ortes eine besondere Inspiration fand. Auch einen kunsthistorischen Hintergrund zur Serie gibt es: Den dreiteiligen Bilderzyklus des Jean-Antoine Watteau, der im frühen 18. Jahrhundert mehrere Szenerien zur Einschiffung nach Kythera zeigt. Für Hermenau ist es ein wahres Schlüsselwerk seines Schaffens.

Aufbruch und Abschied
Horst Hermenaus Gemälde begeistern Jung und Alt. Foto: IO

Bilder, die mehr als tausend Worte sagen

Die Gemälde bestechen durch ihre Vielschichtigkeit. Einerseits ist da die Überlappung von Personen, Gegenständen, Szenen und Geschichten, die die Fantasie der Betrachtenden zu einem eigenen Narrativ anregt. Wer sind diese Personen, was machen sie? Wer war zuerst da und was passierte dann? Mit jeder Betrachtung können neue Details entdeckt werden, sodass die Auseinandersetzung mit den Gemälden einer Reise gleicht. Die Deutung der Bilder wird hierbei bewusst offengelassen. Für Hermenau stehen die gemalten Szenen metaphorisch für die Verflechtung unserer Lebenswelt. „Die kleinen Geschichten auf den Bildern, alles ist miteinander verflochten. Genau so, wie wir es auch in unserer Welt, in unserem Leben sehen.“, fasst der Künstler zusammen.

Aufbruch und Abschied
Die gezeigten Szenen sind breit gefächert. Foto: IO

Der kreative Schaffensprozess

Die vielschichte Überlagerung bekommt auch im wörtlichen Sinne eine Bedeutung, denn die Werke sind das Ergebnis einer Verkettung aufwendiger Arbeitsschritte. Hermenau erklärt: „Meine Auseinandersetzung mit Fotografie und Malerei ist permanent.“ Im ersten Schritt erstellt der Künstler Doppelbelichtungen am Ort des Geschehens, sodass zwei Bilder in einem entstehen. Das Bild übereinandergelegter Fotografien wird in Klein ausgedruckt, fragmentiert, neu arrangiert und teilweise ergänzt. Es folgt die Übermalung, bevor eine Vergrößerung auf das Endformat stattfindet. Das Ergebnis wird erneut übermalt.

Ein kunstaffines Autohaus

Das Autohaus Steingraber geht nun schon seit vielen Jahren mit gutem Beispiel voran und setzt mit der Bespielung des oberen Bereichs mit Kunst ein wichtiges Zeichen. Werden an anderer Stelle die Kunstschaffenden zur Kasse gebeten oder durch unsägliche Bedingungen in ihrem Schaffen beeinträchtigt, geht die Führung in großen Schritten auf die Kreativen zu und lässt sie die Räume kosten- und provisionsfrei für Ausstellungen nutzen. Das ist ein echter Segen, denn oft ist es für Kunstschaffende problematisch, einen Kanal für die Werke zu finden und sie der Öffentlichkeit zu zeigen.


Einige Bilder sind als künstlerische Interventionen direkt im Verkaufsraum zu sehen. Foto: IO

Bitte mehr davon

Fakt ist: Das Modell Steingraber geht auf und zeigt, dass Raum für Kunst möglich ist – auch an Orten, die auf den ersten Blick für uns ungewohnt erscheinen. Letztendlich sind es alle, die von diesen kreativen Interventionen profitieren, nicht zuletzt natürlich die Besuchenden der Ausstellung. Auf dass dieses ehrenwerte Engagement für viele weitere Inspirationen sorgen möge! Bis dahin heißt es: Schnell Gas geben und ab ins Autohaus, denn noch bis 2. März sind die Kunstwerke aus „Aufbruch und Abschied“ dort zu bewundern.

Horst Hermenau: Aufbruch und Abschied, Galerie im Autopavillon Steingraber, Robert-Bosch-Str. 1, 83607 Holzkirchen, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10-18:00 Uhr, Samstag 10-13:00 Uhr, Ausstellungszeitraum 12.01.-02.03.2024

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