Wortlose Strecken in wunderschönen Einstellungen
Neuer Film im Kino
Als man mir vor Jahren das Buch schenkte, ließ ich es zunächst liegen. Mich interessierte gar nicht, was noch ein Promi, nach Shirley MacLaine und Paulo Coelho an spiritueller Nabelschau von sich gab, schließlich kannte ich die Plackerei des Pilgerns auf dem Camino aus eigener Erfahrung, allerdings ausschließlich in Deutschland und Frankreich. Sich den Menschenmassen in Richtung Santiago de Compostella anzuschließen, hatte ich vermieden, schließlich kann man auch in Südbayern auf dem Wege der Muschel gehen.
Letztlich siegte die Neugier und ich las das Buch und war überrascht. Es las sich ehrlich und authentisch, da war ein Mensch unterwegs, der sich tiefgründige Gedanken über sein Leben und sein Verhältnis zu Gott macht, dabei aber nicht den Humor verliert, auch zugibt, mal den Bus zu benutzen und das Hotel der Herberge vorzieht.
Couchpotato-Intermezzo
Nun also der Film. Am Donerstag Abend dreißig Minuten anstehen in Unsicherheit, ob noch ein Ticket drin ist, denn im Internet war das Foolskino Holzkirchen schon am Dienstag ausverkauft. Nette Plaudereien am Rande, die meisten Wartenden sind keine Jugendlichen. Wir ergattern die letzten freien Plätze, müssen in der 1. Reihe die Hälse recken.
Hinauf zu einem unglaublich aufgedunsenen Gesicht von Devid Striesow (wie haben die Filmemacher den so dick hingekriegt?) der als Hape Kerkeling auf der Bühne zusammenbricht und nach Krankenhausaufenthalt und Couchpotato-Intermezzo dann wirklich aufbricht. Schon allein wegen Devid Striesow lohnt es sich, den Film anzuschauen. Nicht nur weil er Kerkeling ähnelt, er spielt den auf sich selbst Zurückgeworfenen so unprätentiös und glaubwürdig, dass es eine Freude ist.
Gedanken aus dem Off
Regisseurin Julia von Heinz gelingt es mit ihren Darstellern, den Balanceakt zwischen tiefgründiger Sinnsuche und humorvoller Unterhaltung zu meistern. Man springt mit Hape von dem Lager in der Pilgerherberge, als ein Rieseninsekt auf ihn fällt, man leidet mit ihm bei dem Dauerregen in den Pyrenäen, man erinnert sich der eigenen Blasen an den Füßen und man genießt mit ihm den Rotwein am Abend nach einer staubigen langen Wanderung.
Die Geschichte ist dem Buch sehr nachempfunden und so erklingen auch immer wieder die Gedanken Hapes aus dem Off, seine Sinnsuche, seine Frage wer und wo ist Gott. Die eingestreuten Erinnerungen an die Kindheit, in denen Katharina Thalbach herrlich knarzig als Oma mit ihren Kalendersprüchen daherkommt, geben eine Menge preis über den heranwachsenden Hape, den frühen Tod der Mutter und seine frühzeitige Neigung, Komiker zu werden.
Bedürfnis nach Begegnung
Irgendwann spürt der Pilger, auch wenn man den Weg allein gehen soll, das Bedürfnis nach Begegnung. Diesem werden Buch und auch Film gerecht, insbesondere die beiden gegensätzlichen Frauen Stella (Martina Gedeck) und Lena (Karoline Schuch) geben dem Protagonisten Zuwendung und Flächen zur Reibung. Und dann sind es doch wieder die langen wortlosen Strecken in wunderschönen Einstellungen, die den Film zu einem Augenschmaus werden lassen.
Auch wenn viele Kommentare im Netz negativ ausfallen, mir hat der Film sehr gefallen. Aber unbedingt im Kino anschauen, sonst kommen die Bilder nicht zur Wirkung.