Fahrenheit 451 auf der Bühne der SchauBurg - mit Live Musik von den Bananafishbones

Im freien Flug, tobsuchtsvoll leer

Fahrenheit 451 auf der Bühne der SchauBurg. Foto: Digipott

Theater in München

Zur Einführung in das Stück stellte Dramaturgin Dagmar Schmidt die Frage, ob es noch sinnvoll ist, eine quasi „veraltete Science-Fiction-Geschichte“ aufzuführen. Denn so ziemlich alles in Ray Bradbury`s düsterem, dystopischen Roman aus dem Jahr 1953 ist inzwischen zur Normalität geworden: Raumfüllende Videowände, Dauerbeschallung in öffentlichen Räumen, Bilderflut in den Medien, Permanentprogramm auf allen Kanälen und allgegenwärtige Überwachung.

Albtraumhaft kalte Welt der Massenunterhaltung

Die Mehrheit der Menschen lenkt sich ab von Krieg, Krankheit, Trauer, Tod und Langeweile. Vor lauter Ablenkung, Konsumverführung und Daueraktivität bleibt kaum mehr Zeit zum Denken. Und genau das ist in „Fahrenheit 451“ ausdrücklich unerwünscht. Denken führt zu antisozialem Verhalten und destabilisiert die Gesellschaft. Bücherlesen gilt als unkalkulierbares Sicherheitsrisiko. Deshalb sind die Bücher gefährlich. Ihr Besitz ist tödlich.

Ästhetische Mittel gekonnt kombiniert

Regisseur Gil Mehmert ist ein großer Kunstgriff gelungen. Da Feuer auf der Bühne schwer darzustellen ist, ebenso wie mechanische Hunde, die auf die DNA von Lesern angesetzt werden, übernehmen die Comics von Fufu Frauenwahl die Darstellung der beweglichen Kulisse. Sie saugen die Zuschauer gleichsam hinein in eine gespenstige Welt aus in kalten Farben gehaltenen Szenen. Ein weiterer Kunstgriff: Die drei Schauspieler Markus Campana, Lucca Züchner und Thorsten Krohn spielen mehrere kontroverse Rollen: Systemtreue und Aussteiger.

Genial war auch Mehmerts Idee, Sebastian Horn, Florian Rein und Peter Horn von den Bananafishbones ins Stück zu integrieren. Sie steuern nicht nur großartige Musik bei, die sie eigens für „Fahrenheit 451“ komponiert haben, sondern schlüpfen ebenfalls in verschiedene Rollen. Die Beats der Bananafishbones sind es, die das Geschehen vorantreiben. Sie erzeugen eine beklemmende Atmosphäre, lassen die Zuschauer Bücherverbrennungen und Menschenjagd in der gehetzten Atemlosigkeit schneller Rhythmen miterleben. Die Texte von Sebastian Horn unterstreichen den Wahnsinn des totalitären Systems. Zugleich vermittelt die Musik aber auch in großer Zartheit, wie sich der Feuerwehrmann Guy Montag vom Bücherverbrenner zum Bücherbewahrer wandelt, angeregt durch nachdenkliche Gespräche mit der jungen Clarisse, die ihm die Schönheit der Natur und die Kraft eigenen Denkens zeigt.

Dauerbeschallungs-Traumwelt

Es begann, als die Dinge anfingen, einen Zug ins „massenhafte“ zu nehmen. Clarisse fragt ihn, ob er glücklich sei. Und er, ausgestattet mit einem guten Job, den er bisher nicht hinterfragt hat, und einer hübschen Ehefrau, die sich in die Oberflächlichkeiten einer Dauerbeschallungs-Traumwelt geflüchtet hat, muss sich eingestehen: Nein.

Genau hier knüpft auch die Dramaturgin wieder an. Warum diese scheinbar veraltete Dystopie eben doch nichts an ihrer erschreckend aktuellen Botschaft eingebüßt hat. Denn die Geschichte ist zugleich eine Parabel zum Thema: „Wie will ich leben?“ Das Theaterstück sei ein „Mutmachprogramm“, eine Aufforderung, Eigen zu sein, nicht mit dem Strom zu schwimmen, selbständig zu denken. Insbesondere junge Leute sollen sich die Frage nach ihrer Identität stellen, ihren Platz in der Gesellschaft finden, mit den Möglichkeiten spielen. Denn schlussendlich gibt es kein Richtig und kein Falsch. Jeder muss durch die Erfahrungen, die er täglich macht, sein eigenes Leben immer wieder neu überdenken. So hinterlässt das Stück viele Fragen, statt Antworten zu geben. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass es nach dem Ende zunächst mucksmäuschenstill ist im Saal – bis dann der tosende Applaus in der SchauBurg  losbricht.

 

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