Im Museum gewesen. Christian Drosten getroffen
Cover von „Im Museum gewesen. Überall Corona gesehen“. Foto: MZ
Buchtipp von KulturVision
Wie wohltuend. Wie erheiternd. Endlich einmal Corona nicht als Schreckensgemälde, sondern anhand schöner Gemälde ins Komische verfrachtet. Wolfgang Luef war im Museum und hat Meisterwerke der Kunstgeschichte neu interpretiert.
Schon das Cover lässt laut loslachen. Im Homeoffice Tag 1 sitzt der Briefe schreibende junge Mann am Fenster: wohl gewandet, frisiert und rasiert und aufrecht sitzend, so wie im Büro. Am Tag 387 allerdings hat er es sich bequem gemacht und hockt zusammengedrückt, halbnackt, unfrisiert mit langem Bart beim Schreiben.
Der SZ-Redakteur Wolfgang Luef macht seinen Leserinnen und Lesern eine Riesenfreude. Offenbar hat er emsig und einfallsreich in der klassischen Kunst recherchiert. Dass er die Werke alle im Museum gefunden hat, ist zu bezweifeln, aber dass er intensiv danach gesucht hat, Coronakonforme Bildinhalte zu finden, das ist höchst lobenswert.
Autor stärkt Resilienz
Denn so stärkt er die Resilienz der Betrachtenden des kleinen Büchleins enorm. Durch Schmunzeln oder lautes Lachen. Frisch und froh geht die derart Bereicherte ans Tagwerk, noch immer mit hochgezogenen Mundwinkeln.
Autor Wolfgang Luef. Foto: YES
Mehrfach hat der Autor bei Carl Spitzweg seine Motive gefunden, kein Wunder, hat dieser doch die Nähe zur Natur ebenso wie die häusliche Idylle gern dargestellt. Urkomisch der „Selbstdenker“, der dem Virus erklärt, dass Corona nur eine gewöhnliche Grippe ist. Oder der selbsternannte Corona-Regelwächter, der über die Mauer schielend prüft, ob die zwei Damen (einen Liebesbrief lesend) wirklich ein dringendes berufliches Treffen haben.
Carl Spitzweg: Der Liebesbrief. Foto: YES
Urkomisch auch die beiden Selbstporträts von Chefvirologen Christian Drosten, das erste zu Beginn der Pandemie, ein gutaussehender, dunkel gelockter Mann, das zweite nach 18 Monaten, der Arme schaut gequält und traurig daher.
Auch RKI-Chef Lothar Wieler und Biontech-Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin hat Wolfgang Luef in klassischen Gemälden entdeckt.
Die geltenden Abstandsregeln sind Anlass für mehrere Bildinterpretationen. Köstlich „Der Kuss des Judas“ mit dem Kommentar: „Und dann gibt es diesen einen Kumpel, der immer noch alle mit Küsschen begrüßt, während die Leute echt schon böse gucken.“
Joachim Beuckelaer: Market Woman with Fruit Vegetables and Poultry: Kommentar: „Frau Meier bemerkt beim Zahlen im Supermarkt, dass sie bei ihrem Hamsterkauf das Klopapier vergessen hat“. Foto: YES
Diese geistreichen Kommentare sind es, die die Lektüre versüßen. Selbst Edgar Munchs „Der Schrei“ wird durch den Kommentar des Autors komisch. Und auch die Ministerpräsidentenkonferenz wird nicht verschont, die Protagonisten der beiden Kunstwerke schauen ehrlich gesagt wenig zukunftssicher aus.
Befürworter und Gegner von Schulöffnungen werden ebenso aufs Korn genommen wie die Menschen, die sich in der Pandemie hängenlassen, sich nichts mehr zu sagen haben, am Fernsehgerät oder Smartphone hängen. Enormer Einfallsreichtum kann Wolfgang Luef auch bei diesen Bildern bescheinigt werden.
Carl Spitzweg: Der Rosenfreund @Staedel Museum Frankfurt. Kommentar: „Im ersten Lockdown entdecken sogar die größten Stubenhocker ihre Liebe zur Natur“. YES
Köstlich der Kommentar zum Bild Cadmus: „Cadmus testet vor der Familienfeier die Schwiegereltern.“ Darauf muss man kommen und das muss man gesehen haben.
Die Impfung hat den Autor am Ende des Büchleins zu mehreren Kommentaren veranlasst. Und auch die Vorstellungen des ersten Barbesuchs nach dem Lockdown fand er in der klassischen Kunst. Wie einer nach eineinhalb Jahren in der Jogginghose jetzt im Anzug aussieht veranlasst die Leserin zu lautem Lachen.
Fazit: Unbedingt kaufen, anschauen, verschenken. Es gibt kaum etwas Besseres, das Gemüt in der jetzigen Zeit aufzuheitern.