Pilgerin durch den weiten Raum der Stille
Die Klang- und Improvisationskünstler Udo Schindler und Masako Ohta. Foto: Ines Wagner
Konzert in Krailling
おへんろさん – „Ohenrosan“ – heißt die CD, die im 47. Salon für KLANG + KUNST in Krailling vorgestellt wurde, im Rahmen der musikalischen Pilgerreise, auf die sich der Bläser Udo Schindler gemeinsam mit hochkarätigen Musikern begibt.
„Ohenrosan“ – „Die Wegsuchende“ oder auch „Die Pilgernde“ ist zugleich der Anfang dieser Reihe, aufgenommen mit der japanischen Pianistin Masako Ohta als Livemitschnitt des 25. Salon in Krailling unter dem Gesamtkonzepttitel „Highlights of Improvisation“.
Udo Schindler, der sich einen Namen gemacht hat auf dem Gebiet der improvisierten und zeitgenössischen Musik und des Avantgarde-Jazz, lädt seit etwa viereinhalb Jahren regelmäßig einmal im Monat in den Klangsalon seines Hauses in Krailling und verzaubert, fesselt und bannt seine Zuhörer mit unerhörten Klängen und Tönen. Er entführt sie auf die Reise durch fremde, ferne Klanglandschaften und ihm gelingt dabei, eine atemberaubende, atmosphärische Dichte zwischen Musikern und Zuhörern zu erschaffen, die sich gleichsam als Gruppe auf den unbekannten Pfaden dieser immer wieder veränderlichen erstaunlichen Musik bewegt, verstört und beseelt zugleich.
Mäandernd durch Raum und Zeit
So ist es nicht verwunderlich, dass auch am Freitag Abend eine atemlose Stille den Raum erfüllte, wenn Masako Ohta und Udo Schindler die letzten Töne ihrer Instrumente verhallen ließen um kurz Atem zu schöpfen und innezuhalten auf ihrem gemeinsamen Pilgerweg, an Wegkreuzungen und Gipfeln, Zufluchten und Orten der Einkehr, und schlussendlich am Ziel ihrer gemeinsamen musikalischen Reise, dem Ende des Konzertes.
Gleichsam mäandernd hatten sie sich durch Klang, Raum und Zeit bewegt auf ihrem Weg, waren behutsam und zögernd, suchend und tastend gestartet – ein leises Klopfen mit den Fingerknöcheln am Deckel des Flügels hier, ein vorsichtiges Zupfen, Saugen, Tasten der Klarinette dort – einer Äolsharfe gleich, die das Flüstern des Windes hörbar macht.
Geruch von Angst
Rauschen von Wasser, das Tropfen der Zeit, Rinnen von Sand in einem Uhrglas, das Donnern der Sandkörner auf der Rückseite einer Düne, runder Steine in einer Brandung, die Stille der Wüste, das Atmen der Kreatur in ihr, das Zittern von Zittergras, der Geruch von Angst und das helle Klingen der Freude – all das entlockten die Pianistin und der Bläser ihren Instrumenten, die sich unter ihren Fingern zu multiplizieren schienen und die Rolle eines ganzen, behutsam aufeinander abgestimmten Orchesters einnahmen.
„Ohenrosan“ ist nicht nur eine Pilgerreise durch Zeit und Raum, vielmehr zugleich das Beschreiten eines Weges im Kreislauf des Werdens und Vergehens, begleitet vom Fließen spiritueller Kräfte und Energien.
Verzaubern ihr Publikum auf dieser ungewöhlichen Pilgerreise: Udo Schindler und Masako Ohta. Foto: Ines Wagner
Außergewöhnliche Improvisationsmusik
Im Leben der in Tokyo geborenen und aufgewachsenen Pianistin Masako Ohta ist dieser zentrale spirituale Gedanke fest verwurzelt und schlägt sich daher in ihrer musikalischen Arbeit spielerisch-konsequent und meisterhaft wieder. Sie bedient sich ihres Flügels als Werkzeug des Geschichtenerzählens, entlockt ihm unzählige, einem Flügel schwer zuzuordnende Klänge, indem sie mit verschiedensten Objekten und Klanggegenständen die Saiten im Resonanzkörper bearbeitet, sowie zusätzlich mit den Fingern zupft und klopft und mit dem Instrument eins wird. Währenddessen verwandeln sich Udo Schindlers Klarinetten in eine Vielzahl von Blasinstrumenten, bis hin zum Wind, der die Klappen des Instrumentes und seine physische Form hörbar umströmt.
Beide Künstler bewegen sich frei improvisierend im musikalischen Raum, tasten sich aneinander heran, umrunden und entfernen sich, integrieren und ergänzen sich einfühlsam und kraftvoll zugleich, zwei vertraute Gefährten, bei denen der Weg selbst das Ziel ist.
Klangobjektsammlung im Flügel
Es war insbesondere das ungewöhnliche Hörbarmachen von Zeit und Raum, dass einen jeden Zuhörer seine eigene Pilgerreise erleben ließ, und doch waren alle in atemloser Stille verbunden im Banne des improvisierten Klangspektrums, welches dort im Salon für KLANG + KUNST in Krailling erlebbar wurde. Zusätzlich bot sich nach dem Konzert bei einem gemeinsamen Imbiss und Umtrunk ausreichend Gelegenheit, mit den Künstlern über ihre musikalischen Projekte zu sprechen, sich mit den anderen Zuhörern auszutauschen und Masako Ohtas ungewöhnliche Klangobjektsammlung im Inneren des Flügels zu bestaunen.
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