
Krapfen oder Donut?
Mit dieser Folie begrüßte Markus Bogner das Publikum. Foto: Becky Köhl
Vortrag mit Diskussion in Holzkirchen
Mit einem inspirierenden Vortrag konnte am Sonntagvormittag Markus Bogner das zahlreiche Publikum im FoolsTheater motivieren, gemeinsam darüber nachzudenken, in welcher Gemeinde wir leben wollen und dafür tätig zu werden.
Im Rahmen von „anders wachsen“ sollen zunehmend Veranstaltungen angeboten werden, die den gesellschaftspolitischen Dialog fördern. Nach der durchaus kontroversen Open Space-Veranstaltung zu „Corona – Ende der Kommunikation?“ war jetzt Biobauer, Visionär und Buchautor Markus Bogner zu Gast, um mit dem Publikum zu diskutieren.
Lesetipp: Beginn einer neuen Qualität in der Kommunikation?
Sein Dreh- und Angelpunkt ist die Überzeugung, nicht immer dem zu glauben, was Theoretiker vorhersagen, etwa, dass eine Landwirtschaft nur dann erfolgreich ist, wenn sie eine bestimmte Größe hat. Sein Credo: einfach ausprobieren.
Permakultur
Der Erfolg seines Boarhofes in Holz gibt ihm recht. Mit seiner Familie und Angestellten betreibt er hier einen Biobauernhof, auf dem er die Permakultur anwendet, das heißt, alle Ressourcen, die die Natur bietet, einzubauen. Mit diesem Gesamtökosystem erzielt er maximale Widerstandsfähigkeit.
Bayerischer Wald. Foto: pixabay
Als Beispiel führte er den Bayerischen Wald an, wo der Borkenkäfer die Monokultur der Fichtenbestände zerstört hatte. Die weise Entscheidung, nicht einzugreifen, bewährte sich. Die Natur erholte sich.
Das davor und danach ansehen
Zur Illustrierung unseres Fehldenkens hatte Markus Bogner eine Filmrolle mitgebracht. Er schnitt ein Schnipsel heraus und meinte: „Dieses Bild, vergrößern wir, rahmen es ein und verehren es.“ Was aber davor und danach zu sehen ist, wird ignoriert.
In welchem Dorf wollen wir leben? fragte Markus Bogner. Foto: Becky Köhl
Die Idee der Permakultur seines Anbaus in der Landwirtschaft übertrug Markus Bogner jetzt auf die Ortsplanung und zeigte als Idealbeispiel die Stadt Totnes , die nach den Plänen von Bob Hopkins und der Transition Town Bewegung überplant wurde. Bisher hätten sich diesem Modell etwa 1600 Kommunen angeschlossen.
Permakultur. Foto: pixabay
Von England führte der Referent nach Spanien zu den beiden Orten Villariba und Villabajo, bekannt aus der Fernsehwerbung. Markus Bogner aber zeigte anhand der beiden Gemeinden, wie unterschiedlich mit dem Problem „zu wenig Wohnraum“ umgegangen werden kann. In Villabajo machte der Bürgermeister das, was üblich ist: Ausweisung von Neubaugebieten am Dorfrand.
Doppelhaus, Doppelgarage, Thujenhecke
Die Heilige Dreifaltigkeit von Doppelhaus, Doppelgarage und Thujenhecke nennt es Markus Bogner. Die Folge: das Dorf wächst, Industriegebiete werden ausgewiesen, Aussiedlung der Landwirtschaft, der frühere Dorfkern, vergleichbar einem saftigen Krapfen, verkümmert zu einem Donut. Gastronomie, Gewerbe, Vereinsleben, Zusammenleben und Interesse an der Kommunalpolitik verarmen.
Krapfen oder Donut?. Foto: pixabay
In Villariba indes gab die Bürgermeisterin einen Bürgerhaushalt von 500 000 Euro frei und forderte, die Bürgerinnen und Bürger auf, Vorschläge einzubringen. Es gründeten sich Bürgergenossenschaften, die Gemeinde kaufte Grundstücke im Dorf auf und verpachtete sie, der Wohnraumbedarf wurde über intelligente architektonische Mittel gelenkt und das Dorfleben prosperierte. Ein Bürgerbus, eine Bibliothek der guten Dinge zum Ausleihen von Geräten wurde installiert, eine Sozialgenossenschaft und ein Sozialkaufhaus gegründet. Der Ideen gibt es viele, wie Markus Bogner anhand von Einzelbeispielen aus Augsburg, Wien und Kopenhagen nachwies, wie eine lebenswerte Gemeinschaft möglich wäre.
Ergebnis: In Villariba wurden nicht nur Wohnraumbedarf und Verkehr reduziert, Gastronomie und Gewerbe erholten sich, der Zusammenhalt und das Interesse an Kommunalpolitik stieg. Nur leider, beide Orte sind fiktiv.
Statt „Ja, aber…“ besser „Was, wenn doch?“. Foto: Becky Köhl
Aber anhand der beiden Orte, so Markus Bogner, erhebt sich die Frage: Was wollen wir, was können wir, was machen wir? Nun sei aber leider das Lieblingswort der Deutschen: „Ja, aber…“ Er setze dem entgegen „Was, wenn doch?“ Und er empfahl: „Hört nicht auf die Bedenkenträger.“ Und fragte „Was ist Eure Vision?“
Lebhafte Diskussion. Foto: Becky Köhl
Die lebhafte Diskussion des Publikums zeigte, dass es auch in der Region bereits viele positive Ansätze zum Umgestalten von Gemeinden gibt. Alles, darin war man sich einig, hängt zum großen Teil nicht nur an engagierten Bürgerinnen und Bürgern, sondern ebenso an motivierten Gemeinderäten, Bürgermeistern und Kreisräten. Um die einzelnen Visionen umzusetzen, bedarf es des gemeinsamen Vorgehens. „Wer ist wir?“ fragte eine Teilnehmerin. Wir, so stellte sich heraus, sind alle, einschließlich der Kinder, die bedenkenlos ihre Visionen äußern.
Menschen und Begegnungsräume
Markus Bogner schloss mit einem Resümee: Wir müssen bei der Planung von Quartieren wieder die Menschen, die dort wohnen werden, in den Mittelpunkt rücken. Das sind die Pflanzen, die in dem künftigen Garten wachsen und gedeihen sollen.
Heute bauen wir vor allem schöne Häuser – das sind aber nicht die Pflanzen! Vor allem die Räume zischen den Häusern – die Begegnungsräume – sind maßgeblich dafür verantwortlich, wie gut die Pflanzengemeinschaft wächst. Und genau diese Begegnungsräume sind es, die dafür verantwortlich sind, ob sich die Menschen in ihrem Dorf wohl fühlen oder ob es reine Schlafquartiere sind.