Robert Kraner

Über Grenzen gehen

Schriftsteller Robert Kraner. Foto: MZ

Thementag im niederösterreichischen Waldviertel


Die Menschen so sehen wie sie sind, in ihrem Anderssein respektieren, ihre Fähigkeiten fördern, anstatt ihre Defizite zu betonen, das war das Resüme des zutiefst bewegenden Thementages „Inklusion – Vom Wert des Menschen“.

Dieser Thementag der Kulturbrücke Fratres war anders. Anders war auch das zahlreiche Publikum, das aus Österreich und Tschechien angereist war. Man traf sich an der Grenze, um zu zeigen, dass das Thema grenzüberschreitend in mehrerer Hinsicht ist. Zum einen waren Teilnehmer aus Tagesstätten für behinderte Menschen aus beiden Ländern gekommen, zum anderen sollte der Tag zeigen, dass auch wir Grenzen überschreiten müssen.

„Da drehen und wenden wir uns, um die korrekte Bezeichnung für Menschen mit Behinderungen“, eröffnete der Schriftsteller Robert Kraner die Veranstaltung. „Oft ist es nur ein Vorwand, Distanz zu wahren. Ist unsere Haltung arrogant oder mitleidig, kann sie dem Verhältnis zwischen Menschen nicht gerecht werden. Was uns unterscheidet,soll in der Solidargemeinschaft zur gegenseitigen Stärkung werden.“

Musikalischer Menschenzug

Die „Combo Pertholz“ unter Leitung von Karl Immervoll übernahm die musikalische Begleitung durch den ganzen Tag, aber auch beim Menschenzug von der Grenze zum Gutshof in Fratres, bei dem jeder Teilnehmer mit einem Musikinstrument ausgestattet wurde. Es war ein beeindruckender Anblick, Menschen im Rollstuhl und zu Fuß, lachend und plaudernd und immer wieder im Rhythmus der Band der Tagesstätte Pertholz ihr Instrument betätigend.

Die künstlerische Gestaltung des Tages oblag Menschen mit und ohne Förderbedarf gleichermaßen. In einer Ausstellung waren Bilder zu sehen, die in einer österreichischen und in einer tschechischen Tagesstätte entstanden sind. Die zumeist sehr farbenfrohen Bilder zeigen, wie sich behinderte Menschen mit ihrer Umgebung und der Gesellschaft auseinandersetzen.

Der Wert eines Menschen

Kuratorin Daniela Gruse berichtete über der den „Wert des Menschen“, so wie er im Internet dargestellt wird. In Europa ist ein Mann 1,7 und eine Frau 1,4 Millionen Euro wert. In den USA beträgt der Wert eines weißen Menschen 15 und der eines Farbigen 7 Dollar. „Das ist erschreckend“, sagte sie. Denn was sei dann der Wert eines behinderten Menschen, eines Menschen mit Handicap oder mit besonderen Bedürfnissen?

Mit Paul Seidl war ein Performancekünstler gekommen, der alle Besucher mit seinem selbst gebauten Instrument begeisterte und den Raum mit ungewohnten Klängen füllte.

Ungewohnt danach auch die Lesung, eine Mischung von Texten von Teilnehmern einer Schreibwerkstatt einer Tagesstätte, die Robert Kraner leitet. Christina Hendl erzählt, dass sie mit Kraner ihre literarische Seite entdeckt habe.Ihr Text über ein kleines Flüchtlingsmädchen, das sie auf dem Dachboden des Hauses entdeckte, berührte die Zuhörer besonders. Aber auch die anderen Texte der Schreibwerkstattmitglieder beweisen, welches Potenzial in Menschen mit Behinderungen steckt.

Über das Fremdsein

Auch Robert Kraner, der sich als „Fensterputzer, damit der Blick klarer wird“ sieht, las aus seinem Roman „Weißdorn“, eine Passage über das Fremdsein. Als Stargast war der bekannte Autor Felix Mitterer nach Fratres gekommen. Er hat den Vorsitz der Jury „Ohrenschmaus“ inne, die Texte behinderter Autoren prämiert. Und sein Bühnenstück „Kein Platz für Idioten“ (in Valley vor einigen Jahren von Sepp Flossmann inszeniert) behandelt das Thema eindrücklich.

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Aber Felix Mitterer las nicht aus eigenen Werken, sondern eine Auswahl von Texten des Südtiroler Bestseller-Autors Georg Paulmichl, „weil er die Welt so witzig und interessant beschreibt“, wie Mitterer begründete. Und so durften die Zuhörer solch schöne Sätze mitnehmen, wie „Der schönste Tag des Lebens ist die Natur“, oder „Ein Künstler sein ist feiner als ein Depp“.
In einer Podiumsdiskussion wurde zusammengefasst, welche Themen zu bearbeiten sind. Christina Hendl bemängelte, dass ihr Menschen nichts zutrauen. „Ich habe einen Stempel, du kannst es nicht.“ Dass Behinderung ein ganz natürlicher Bestandteil der Gesellschaft sein, dass man sich gegenseitig kennenlernen und respektieren müsse, forderten Robert Kraner und Jan Šestak und Martin Hetzendorfer vom Verein Zuversicht forderte mehr Engagement von der Politik. So war das Ergebnis ein Manifest, das den Verantwortungsträgern beider Länder übergeben wurde.

Und, man werde nicht müde, weiter zu musizieren, zu tanzen, zu dichten und zu malen.

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