Innenräume Freiräume geben
Soeben erschienen: freiRÄUME von Angela Sommerhoff und Stephanie Wochinger. Foto: KN
Neuerscheinung auf dem Buchmarkt
Eigentlich ist Stephanie Wochingers Idee aus Zeitnot entstanden, die Idee, Gedanken nicht in langen Sätzen zu formulieren, sondern in kurze Worte zu gießen. Herausgekommen ist etwas Kostbares: etwas, das dem Leser Freiräume verschafft. Die Malerei von Angela Sommerhoff ist die korrespondierende Ergänzung.
Als Stephanie Wochinger in unsere Schreibwerkstatt der Spurwechsel-Initiative kam, in der die Mitglieder Texte zu ihrer persönlichen Veränderung schrieben, meinte sie, sie könne keinen Text anbieten, sondern nur aneinander gereihte Wörter. Sie las und wir waren sprachlos, ließen die Wörter wirken und konnten uns in den verbliebenen, nicht durch Wörter zugekleisterten Räumen finden.
Zum Spurwechseltag 2015 las sie im Waitzinger Keller in Miesbach erstmals einige ihrer Wortfolgen vor. Und in der Broschüre „Anders wachsen“, die wir zur gleichnamigen Konferenz 2016 herausgaben, sind wiederum ihre poetischen Werke enthalten. Jetzt hat die Hartpenningerin gemeinsam mit der Tölzer Malerin Angela Sommerhoff ihr erstes Buch herausgebracht. „freiRÄUME“ nennen sie ihr Werk.
Film zum Prozess
„Mir gefallen ihre Bilder so gut und sie fand meine Texte gut“, erzählt Stephanie Wochinger, wie die Zusammenarbeit entstand. Es sei für sie ein sehr schöner Prozess gewesen, die Idee des Buches bis zur Fertigstellung gemeinsam zu durchlaufen. Dazu entstand auch ein kleiner Film, der auf der angegebenen Website des Verlags steht.
Stephanie Wochinger ist gelernte Zahntechnikerin. Die Mutter zweier Söhne verbrachte zehn Jahre mit der Pflege ihrer kranken Mutter. Nach deren Tod suchte sie neue Wege und landete in der Spurwechsel-Gemeinschaft. „Eigentlich wollte ich ein Buch über Altenpflege schreiben, aber wenn die Zeit um ist, ist man versöhnt“, sagt sie.
Inspiration durch Schreibwerkstatt
Ermuntert wurde sie schon längst zum Schreiben, wie im Vorwort des schön gestalteten Buches zu lesen ist, aber sie habe in langen gewundenen Schachtelsätzen geschrieben. Und dann sei die Idee entstanden, nur Worte aneinander zu fügen. Die Inspiration für ihre Texte habe sie durch die Schreibwerkstatt erhalten, sagt sie.
Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, Sätze aus der Literatur weiter zu schreiben. Wir fanden bei Thomas Sautner, Bodo Kirchhoff, Friedrich Ani, Hermann Hesse und anderen Autoren Sätze, die wir als Anfänge unserere Gedanken nutzten. Dabei entstanden sehr unterschiedliche Geschichten. Stephanie Wochinger aber schrieb keine abgeschlossenen Geschichten, sondern ließ in ihren „aneinander gereihten Worten“ sehr viel Freiraum, Raum, in dem sich der Innenraum eines jeden öffnen kann.
Dieser Innenraum öffnet sich auch für den Betrachter der Bilder von Angela Sommerhoff. Die Künstlerin greift das Thema, die Worte, den Inhalt der poetischen Gedanken auf und setzt sie in abstrakte Bilder um.
Stephanie Wochinger
„Weiß türkisblaues Tuch
Leichtigkeit im Morgenwind
Flatterhaft und doch zentriert
aufgelöst der Formvielfalt
Luftgetragen fortgeweht
eingefangen hingeweht
Seidenweich verspielt.
Wirklichkeit nicht hingenommen
weil zu SEHR verweilt.“
dann steht dazu das Bild „Aufgefädelt“, aufgelöste Formen, türkis und weiß an den Rändern, orange zur Mitte hin, zentriert, mit schwarzen Strichen eingefangen und verspielt – und viel Freiraum.
In Hamburg ist die erste Präsentation geplant, und Stephanie Wochinger kann sich auch vorstellen, ihre Erfahrungen an andere in Seminaren weiterzugeben.