Noch flattern sie
Karel Černý und Stanislav Vit in der „Sitzgelegenheit“. Foto: Petra Kurbjuhn
Thementag in der Kulturbrücke Fratres
Den dramatischen Schwund von Schmetterlingen nahm Insektenforscher Karel Černý beim vierten Thementag der Kulturbrücke Fratres zum Anlass, um vor dem Zustand der Umwelt zu warnen. „Noch flattern sie“ heißt das Buch, in dem er 50 Jahre Forschungstätigkeit zusammenfasst.
Die Installation des tschechischen Künstlers Martin Ceplecha im Heckengarten des Gutshofes Fratres ist wie für diesen Tag gemacht: Die „Sitzgelegenheit“ ermöglicht es, die Welte aus den Augen eines überdimensionalen Insektes zu betrachten. Und so nahmen auch Karel Černý und der Künstler Stanislav Vit gern fürs Foto Platz.
Beide befassen sich mit Entomologie, beide haben das sozialistische Tschechien verlassen, um ihren Werdegang in der freien westlichen Welt zu finden. Und genau diese Welt zerstört jetzt die Grundlagen für eine intakte Natur. Die intensive Land- und Forstwirtschaft und die Infrastruktur von Städten und Gemeinden nehmen Insekten den Lebensraum.
Stanislav Vit in der Ausstellung. Foto: Petra Kurbjuhn
Stanislav Vit, Wissenschaftler und Künstler gleichermaßen, studierte an der Kunstakademie in Genf. Die in Fratres gezeigten Bilder stammen aus dieser Zeit und sind in zwei Kategorien einzuordnen. Im kleinen Raum sind grafisch anmutende Arbeiten zum Thema „Bewegung“ zu finden, weit ausholende Pinselstriche machen das Thema sichtbar.
Im großen Raum findet man seine Malerei, die sich durch starke Farbreduzierung auszeichnet. In manchen Bildern dominiert das Weiß fast vollständig. Um das Weiß in den einzelnen Farbflächen noch mehr hervorzuheben hat der Künstler in einem Bild farbige Streifen hinzugefügt.
Generell arbeitet Stanislav Vit gern mit verschiedenen Teilen in einem Bild, die vollständig voneinander getrennt sind. Das geht so weit, dass er sogar einzelne Körperteile in verschiedenen Flächen unterbringt. Aber figürliche Formen sind eher selten in den Arbeiten zu finden. Der Künstler arbeitet stark mit abstrahierenden Kompositionen, die oft sehr verträumt wirken.
Was ist ein Insektenforscher?
Den wissenschaftlichen Teil leitete Jana Zoglauer-Vinsová, die mit Michael Zoglauer den Thementag konzipiert hatte, mit einer Definition des Begriffes Insektenkundler ein. Danach ist das ein zoologischer Wissenschaftler, der sich der Erforschung der Insekten widmet, betrifft aber ebenso Angestellte von Firmen, die Insekten bekämpfen und Mittel gegen sie vertreiben.
Insektenforscher Karel Černý. Foto: Name
Karel Černý gehört zweifelsfrei zur ersten Personengruppe, denn seit 50 Jahren befasst er sich mit dem Leben der Schmetterlingen. In seinem soben erschienenen Buch hat er chronologisch Geschichten über den Rückgang der Schmetterlinge zusammengefasst. „Die Einstellungen der Menschen, der Gesellschaft und der Politik haben sich verändert“, konstatierte der Innsbrucker Wissenschaftler. Es sei dramatisch, wie schnell sich die Populationen verringern.
Dabei sieht der Forscher Schmetterlinge als Modellgruppe für die abnehmende Biodiversität. Dasselbe betreffe auch Blumen, Käfer und beispielsweise Rebhühner. Der Rückgang werde durch Inzucht noch beschleunigt und gehe so schnell, dass Behörden es gar nicht merken. Auch wenn es geschützte Gebiete gebe, reiche der Schutz bei weitem nicht aus.
Sein Buch sei eine Bestandsaufnahme und Warnung vor der Zukunft, denn „der Zustand der Umwelt gehört zum Wohlstand“, und es heiße wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft, „aber ich fühle mich nicht wohl“.
Die Frage, was man dagegen tun könne, beantwortete Karel Černý pessimistisch: Da die Wirtschaft auf Wachstum ausgerichtet sei, sehe er keine Chance. Die riesigen Felder führten dazu, dass sich Schmetterlinge nicht mehr auskennen. Das wohl gut gemeinte Gesetz, dass Wiesen erst ab 15. Juli gemäht werden dürfen, habe zur Folge, dass es am 16. Juli keine Flächen mit Blüten, also mit Futter mehr gebe. „Auch Schmetterlinge brauchen Anwälte, nicht nur die Wirtschaft“, schloss unter Beifall der Wissenschaftler.
Die Musiker Jiři Hájek und Annabelle Fárová, Stanislav Vit, Karel Černý, Jana Zoglauer-Vinsová, Michael Zoglauer. Foto: Petra Kurbjuhn
Mit ihren melancholischen französischen Chansons passten die tschechische Sängerin Annabelle Fárová und ihr Begleiter, der Gitarrist JiřiHajek, in die Atmosphäre der Nachdenklichkeit.