Christian Gerhaher – der Meister der leisen Töne
Willkommen zum Internationalen Musikfest Kreuth. Foto: Petra Kurbjuhn
Musikfest Kreuth in Gmund
Der vierte Konzertabend des Musikfestes Kreuth und der letzte in diesem Jahr in der Tenne von Gut Kaltenbrunn war zweifellos ein Highlight. Mit Christian Gerhaher und Gerold Huber war es den Veranstaltern gelungen, Liedkunst auf oberstem Niveau zu präsentieren.
Und dies wurde schon durch die einleitenden Worte von Helge Augstein, musikalischer Leiter des hochkarätigen Festivals, deutlich. Wer nach dem heutigen Konzert süchtig nach Christian Gerhaher werde, habe am kommenden Montag die Gelegenheit, einen Liederabend am Münchner Nationaltheater mit ihm und seinem Partner am Piano zu erleben, erklärte er. Der Sänger sei nämlich kurzfristig für Piotr Beczala eingesprungen, der seinerseits den „Lohengrin“ in Bayreuth übernommen habe. „Musikfest Kreuth – München – Bayreuth“, auf dieser Ebene bewege man sich.
Der Bariton Christian Gerhaher. Foto: © credit Sony / Gregor Hohenberg
Nun ist das Lied gegenüber der Oper eher unpopulär, Christian Gerhaher aber hat es verstanden, ein breites Publikum dafür zu begeistern. Damit wird er als der echte Nachfolger Dietrich Fischer-Dieskaus, der auch beim Musikfest Kreuth zu hören war, bezeichnet. Allerdings braucht es dieses Prädikat schon längst nicht mehr. Der Name Christian Gerhaher bürgt für höchste Qualität, ob beim Liederabend oder in der Oper, wo er derzeit in München als Amfortas in „Parsifal“ neben Jonas Kaufmann sensationelle Triumphe feiert.
Schumann im Zentrum des Schaffens
Für seinen Liederabend in Gut Kaltenbrunn hatte sich der gefragte Bariton eine besondere Mischung vorgenommen. Im Mittelpunkt stand die „Dichterliebe“ von Robert Schumann, ergänzt durch Lieder und Gesänge opus 27, 51 und 96, steht doch Robert Schumann bei ihm im Zentrum seines Schaffens.
Schon bei seinem ersten Auftreten in Kreuth im Jahre 2002 hatte der Bariton neben den Schottischen Gesängen von Haydn Eichendorff Lieder von Schumann ausgewählt. Jetzt aber stellte er dem deutschen Romantiker den französischen Impressionisten Claude Debussy gegenüber, dessen Vertonungen Christian Gerhaher in französischer Sprache sang.
Vor dem Konzert. Foto: Petra Kurbjuhn
Von der ersten Sekunde an nimmt der Sänger sein Publikum gefangen durch die Schlichtheit und Natürlichkeit seines Vortrages. Er gibt den Texten sehr wohl den entsprechenden Ausdruck, versinkt aber weder in Melancholie noch überbordert er in Leidenschaft, sondern gibt dem Zuhörer Raum für die eigene Interpretation. Niemals überfrachtet er mit Emotionen, obzwar die Texte es ermöglichten. Sein natürlicher Gesangsstil befreit die romantischen Texte von jeglicher Schwülstigkeit.
Hunderte von A’s
Und doch, jedes Wort ist klar verständlich. Christian Gerhaher sagte einmal, dass es in der deutschen Sprache Hunderte von A‘s gebe. Und er kann jedem dieser A’s den entsprechenden Klang verleihen. Seine Stimme wird immer dann besonders berührend, wenn es um die leisen und die langsamen Klänge geht, wenn er jede Pause austariert, so dass die Innerlichkeit der Musik spürbar wird.
Der Pianist Gerold Huber. Foto: © credit Marion Köll / Avi-Service for music
Dabei kommt seine Symbiose mit seinem Partner Gerold Huber zum Ausdruck, mit dem der Sänger seit 30 Jahren konzertiert. Da braucht es keine Abstimmung mit den Augen, es ist ein Zusammenspiel, Zusammenwirken der besonderen Art. Gerold Huber ist keineswegs ein Begleiter am Klavier, er ist ebenso Solist und gleichzeitig kongenialer Partner im Duo. Sein Nachspiel am Ende des letzten Liedes der „Dichterliebe“, dessen Text schmerzvoll ist, ist so hoffnungsfroh-lyrisch, dass der Zuhörer aus seiner melancholischen Versenkung freudvoll erwacht.
Meister der leisen Töne
Ganz anderen Duktus haben die Balladen von François Villon, dem mittelalterlichen provakanten Dichter, der bekanntermaßen frivol und frech daherkommt, aber auch sehnsuchtsvolle Verse verfasste, in der Vertonung von Claude Debussy. Die Herausforderung der französischen Sprache spürt der Zuhörer nicht, leicht und natürlich kommen die Balladen zu Gehör. Und ist man der Fremdsprache nicht mächtig, so klingt hier die unterschiedliche Stimmung der Balladen aus der Interpretation Christian Gerhahers ganz besonders deutlich hervor.
Letztlich brachte Christian Gerhaher drei Lieder von Debussy, die er nach Gedichten Stéphane Mallermé komponierte, zu Gehör. Und auch hier beweist er sich als der Meister der der leisen Töne, der Meister, der das Unausgesprochene der Texte in seiner Interpretation durchklingen lässt.
Nach der Zugabe. Foto: Petra Kurbjuhn
Bravorufe, Fußtrampeln lassen die beiden Musiker zu einer Zugabe bewegen, mehr nicht. Helge Augstein hatte am Anfang erklärt, dass der Sänger etwas indisponiert sei, sein Auftritt sei eine Referenz an das Publikum. Von Indisposition spürte dieses nichts, es kam in den Genuss eines außergewöhnlichen Abends höchster musikalischer Qualität und ließ die beiden erstklassigen Musiker dankbar ziehen.