Vulkane, Sagas und Strahlenscheiben

Arthúr Björgvin Bollason erzählt von Island. Foto: Andreas Wolkenstein

Wer jetzt nicht sofort nach Island will, der war wohl schon mal dort oder hat Angst vor Trollen: Arthúr Björgvin Bollasons Lesung in der Holzkirchner Bücherecke machte große Lust auf die Insel, die auf halbem Flugweg von Europa nach Amerika liegt. Sein Buch „Island. Alles, was Sie über Island wissen müssen“ (dritte Auflage 2024, Mana-Verlag) bildete dabei nur den Hintergrund – spannender war, was der Autor an Einblicken hinter die Geschichten im Buch zum Besten gab.

Größenwahnsinnige Individualisten

Wie es ist, ein Isländer zu sein, diese Frage habe er früher oft bekommen und sich gewundert, was das bedeutet, gibt Arthúr Björgvin Bollason gleich zu Beginn seiner Lesung zu. Doch irgendwann sei ihm gekommen, dass die Antwort gar nicht so selbstverständlich ist. Das Ergebnis seines Nachdenkens: Isländer seien Individualisten, mit allen Vor- und Nachteilen, die sich daraus ergeben. Ein Vorteil: Man kümmert sich um einander, was an teils sehr langen und vielen Nachrufen auf Verstorbene deutlich wird, die man in den Zeitungen zumindest früher lesen konnte. Schließlich sei es ein jeder Einzelne Wert, dass man sein Leben ausführlich würdigt. Was daran aber auch ersichtlich werde: Der Größenwahn der Isländer, gibt Arthúr Björgvin Bollason schmunzelnd zu. Denn die Verfasser dieser Nachrufe hielten sich selbst für Schriftsteller – mit gemischten Ergebnissen: Da wird mitunter die griechische Mythologie bedient, aus der hervorgeht, dass die Götter diejenigen lieben, die früh sterben, erinnert sich Arthúr Björgvin Bollason an ein Beispiel. Und das schreibe man dann über die Tante, die im Alter von 95 Jahren gestorben war.

Kein normaler Reiseführer

Woher kommt diese Verbindung von Individualismus und Größenwahn, fragt sich Arthúr Björgvin Bollason in der Holzkirchner Bücherecke. Eine mögliche Antwort: Island hat keine Nachbarn, die Insel im Atlantik ist ausschließlich von Wasser umgeben. Und es leben sehr wenige Menschen dort. Auf einer Größe, die der Fläche der deutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg entspricht, wohnen gerade mal 400.000 Menschen. So viel wie in Bielefeld oder Berlin-Kreuzberg, also eigentlich niemand. Das Gefühl, etwa Besonderes zu sein, ergibt sich natürlicherweise.

Freilich, die Aussagen des 1950 geborenen Autors sind mit Humor zu nehmen, wie bei seiner Lesung immer wieder deutlich wird. Und das Publikum, rund 40 Zuhörer, goutieren das mit regelmäßigem Lachen. Etwa dann, wenn Arthúr Björgvin Bollason betont, dass die Isländer auch streitsüchtig seien: „Es ist daher gut, dass wir keine Nachbarn haben.“

Sein Reiseführer will eigentlich gar keiner sein, betont der frühere Pressechef der isländischen Fluggesellschaft Icelandair. Berichte über die beeindruckende Natur Islands und die Hauptstadt Reykjavik gebe es genug. Sein Ansatz sei vielmehr gewesen, die Geschichten hinter „den Steinen, die rumliegen“, zu erzählen. Den Leser erwartet gewissermaßen auch eine Sozialgeschichte der Natur, wenn Arthúr Björgvin Bollason etwa fragt, was die Vulkanausbrüche für die Menschen bedeutetet, deren Höfe von der Lava zerstört wurden. Das macht Lust auf das Buch, das 2024 in dritter Auflage erschienen ist.


Rund 40 Zuhörer lauschten den Erzählungen des isländischen Autoren Arthúr Björgvin Bollason. Foto: Andreas Wolkenstein

Islands Vulkane

Vulkane spielen ohnehin eine große Rolle im Leben der Isländer. Bricht einer aus, sei das ein großes Spektakel. Viele seiner Zuhörer in Holzkirchen werden sich noch an den Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010 erinnern – oder „E15“, wie ihn ein amerikanischer Fernsehmoderator genannt hatte, weil ihm die Aussprache zu schwierig war. „Wir haben uns damals sehr gefreut“, gibt Arthúr Björgvin Bollason lachend zu: „Denn wir haben die Nachrichten bestimmt.“ Schließlich war mehrere Tage lang der europäische Flugverkehr lahm gelegt.

Jenseits von Naturgeschichte und dem Nachspüren der isländischen Mentalität gibt Arthúr Björgvin Bollason in seinem Buch auch viele Reisetipps. Die Westfjorde etwa seien ein schöner Ort, von dem aus man fast Grönland sehen kann. „Fahren Sie hin, bevor Grönland amerikanisch wird“, ruft Arthúr Björgvin Bollason seinen Zuhörern zu, er spielt auf die Pläne des US-Präsidenten Donald Trump an, die zu Dänemark gehörende Insel zu kaufen.

Alles, was man über Island wissen muss

Das 421 Seiten starke Buch enthält, was der Titel verspricht: „Alles, was Sie über Island wissen müssen“. Arthúr Björgvin Bollason geht auf die vielen kulturellen Errungenschaften ein wie etwa die mittelalterlichen Sagas. Er beschreibt die Geschichte des Landes, seine Politik und geht auf Wirtschaft und Lebensart ein. Besondere Erwähnung bei der Lesung findet auch die isländische Sprache. So sei man in Island sehr kreativ, was Wortschöpfungen betrifft. Für moderne Technik etwa erfinde man stets neue Wörter. Eine CD zum Beispiel nennen die Isländer übersetzt „Strahlenscheibe“, der Computer ist der „Zahlenwahrsager“. Wer nach Island reist, braucht freilich nicht zwingend Kenntnisse der Sprache. Aber Arthúr Björgvin Bollasons Buch, das sollte der Reisende in jedem Fall im Koffer haben.

Wer einen visuellen Eindruck von Arthúr Björgvin Bollasons Island erhalten möchte, der kann hier mit ihm und YouTuberin Ilke Sayan (BuchGeschichten) auf Tour gehen.

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