Jedermann stirbt
Da oben liegt das Geld: Thomas Höfner, Gerald Walsberger, Michaela Schausberger und Moritz Hierländer (v.l.). Foto: MZ
Theater in Pürbach/NÖ
In Salzburg ist er Kult, in Pürbach ist er anders, ganz anders und gerade deshalb so sehenswert. Abgespeckt, komprimiert, umgekrempelt und aktualisiert gewinnt das Stück von Hugo von Hofmannthal mit einem fantastisch agierendem Ensemble eine faszinierende Aktualität.
Das Stück wird im Freien gespielt. Vor der Zuschauertribüne ist ein edler Tisch mit Champagner im Eiskübel, Gläsern und Obst drapiert. Menschen kommen und spielen Golf, es wird geplaudert und ohne es zu merken, geht das Stück los. Das Publikum wird aufgefordert, mit Applaus die Käuferin zu begrüßen, die von ihrer Assistentin auf den Schultern hereingetragen wird.
Die Assistentin (Yvonne Branstätter) trägt ihre Chefin (Michaela Schauberger) zum Verkäufer (Thomas Höfner). Foto: MZ
Es geht um ein Freizeitgrundstück im Urlaubsparadies für 1,5 Millionen, das Thomas verkaufen will. Er preist es an, schwafelt von Nachhaltigkeit und Chalets, die errichtet werden können. Zu den Dreien gesellt sich ein Typ im Bademantel, der sich als Tod vorstellt.
Gerald Walsberger, Thomas Höfner, Michaela Schausberger und Yvonne Brandstetter sind die vier Protagonisten. Foto: MZ
Das ist das Setting der vier Protagonisten, aus denen sich eine rasante Geschichte um die großen Themen Geld, Liebe, Sterben ebenso wie um die kleinen, etwa Augenlasertourismus nach Bratislava entwickelt.
Beim Verkaufsgespräch fließt der Schampus. Foto: MZ
Jakob Kraner und Johannes Bode haben den Text des Verfassers entstaubt und entrümpelt und mit moderner Sprache vermischt. Regisseur Johannes Bode inszeniert in einer Stunde und 20 Minuten ein brisantes ebenso wie humorvolles Stück.
So lässt er beispielsweise die berühmten „Jedermann“-Rufe ins Lächerliche gleiten, indem er Worte wie jedesmal, jedenfalls, jederzeit rufen lässt. Die Geschlechter sind umgekehrt, geldig ist jetzt Michaela, das Buhlen obliegt Thomas.
Thomas zeigt menschliche Züge, als Michaela verletzt wird. Foto: MZ
Aber auch die Motive der vier Figuren unterscheiden sich von ihren Originalen. Michaela will sterben, ihr Geld hat sie schon im All deponiert und wartet auf ihre Rakete. Sie wolle sich in ihrem Geld zur Ruhe betten, meint sie. Michaela Schausberger spielt die Reiche im Pelzmantel brillant exaltiert. Thomas Höfner versteht es, sie und alle anderen zu umgarnen, ein typischer Verkäufer halt, schmierig aber letztlich auch menschlich.
Hier ist noch alles zwischen Assistentin und Chefin in Ordnung. Foto: MZ
Assistentin Yvonne, zunächst eilfertig und dienstbeflissen von Yvonne Brandstetter dargestellt, wandelt sich in akrobatischen Verrenkungen zur Rächerin. Sie hat ihren Job ebenso satt wie der Tod. Und so nimmt es nicht wunder, dass die beiden Rollen tauschen.
Yvonne verändert sich. Foto: MZ
Gerald Walsberger gibt einen jämmerlichen Tod, der sich die Haare abtrainiert hat, um bedrohlicher zu wirken, aber sich schändlich ausgenutzt fühlt von seinem Chef, dem Executive Producer, der ihn ständig am Handy anruft.
Zu dieser Handlungsebene gesellt sich eine zweite, die im heruntergekommenen Wohnwagen, einem zwielichtigen Fernsehsender spielt. Auf einem Monitor kann das Publikum die Persiflage auf Talkshows, Influencer, Wichtigtuer, Experten, all das was täglich so hereinflimmert, verfolgen.
In Windeseile ziehen sich die vier Protagonisten um und erscheinen in zwei Sendungen als aufgeregte, inkompetente, schwafelnde Figuren.
Karikatur der Medienlandschaft: Jederfrau TV. Foto: MZ
Ergänzt wird der etwas andere Theaterabend von Pater Moritz. Moritz Hierländer im schwarzen Outfit mit Kreuz um den Hals und Elektrogitarre spielt in den Umziehpausen harten Rock und handelt aber auch mit kleinen weißen Päckchen.
Moritz Hierländer spielt im Hintergrund. Foto: MZ
Das Ganze also ist eine Persiflage auf eine disruptive Gesellschaft. Es heißt: „Das Geld ist für alle da, Liebe nur für wenige“ oder doch umgekehrt?
Jedermann oder Jederfrau oder doch Jedermensch? Was ist der Sinn des Lebens? Ist das Ziel allen Lebens der Tod? Was kommt danach? Darauf hat Experte Tod leider keine Antwort. Er gebe nur an der Schwelle ab, gesteht er.
Sterben auf Raten?
Und so ist die Schlussfrage die Quintessenz: „Bringt uns der Kapitalismus die Erlösung oder ist es ein Sterben auf Raten?“
Viel Stoff zum Nachdenken, nichtsdestoweniger ein äußerst unterhaltsamer Theaterabend, bei dem sogar die Umweltgeräusche mit eingebunden werden, etwa, als ein knatterndes Motorrad die Dialoge stört und Yvonne die Pistole in die Richtung hält.
Zum Weiterlesen: Grotesk, bitterböse und humorvoll: „Würsteloper“