„Jodeln is, wenn im Inneren de Sonn aufgeht“
Jodeln mit Alfons Hasenknopf vor der traumhaften Bergkulisse. Foto: ©akinci fotografie
Auch für diejenigen, die nicht auf Volksmusik stehen, bestens geeignet, sich selbst und ihre Stimme zu entdecken: Das Jodeln. Ein Jodelseminar mit Musiker Alfons Hasenknopf auf der Stie Alm am Brauneck – und danach ist alles anders.
Mein neues Leben beginnt mit einem Summen. Einem Summen wie von Bienen und Hummeln, das zu einer Melodie wird, zu einem Jodler und schließlich zu einem Juchitzer, der als dreifaches Echo von den Bergen widerhallt. Wer möchte nicht die kraftvolle Stimme kennenlernen, die im Inneren schlummert? Man muss vordringen bis zu diesem Kern, von dessen Existenz man zuvor vielleicht nicht einmal ahnte, und ihn frei schälen. Dort im Inneren leuchtet und vibriert etwas, es möchte ans Licht, es ist mächtig und voller Energie. Es ist meine ungeahnte, ungekannte Stimme. Ich habe mich auf ein Abenteuer eingelassen, weil ich das untrügliche Gefühl hatte, es sei an der Zeit.
Schon mal gejodelt?
Auf der Alm geht die Sonne über den Bergen auf, ein atemberaubendes Panorama öffnet sich, am Horizont die schneebedeckten Gipfel der Alpen, vor uns sattgrüne Wiesen. Droben am Himmel kreist ein Adler. Das ist schon fast zu viel, aber es kommt noch besser.
Jodeln am Berg geht ganz tief. Foto: ©akinci fotografie
Eine Gruppe von etwa dreißig Leuten macht sich gemeinsam mit Alfons Hasenknopf auf den Weg zu einem kraftvollen Ort oberhalb der Stie Alm am Brauneck. Ganz unterschiedliche Menschen haben sich zusammengefunden. Sie haben ihre ureigenen persönlichen Gedanken, Sorgen, aber auch ihre Träume und Wünsche auf den Berg getragen. All das schwingt jetzt in diesem Kreis, der sich um Alfons Hasenknopf gebildet hat, in dieser Gruppe, in der aus jedem einzelnen „Ich“ ein „Mideinand“ wird. Alfons Hasenknopf holt sie alle dort ab, wo sie sich befinden, ohne große Erklärungen, ganz einfach im Machen. Er lässt sie das Wunder der eigenen Stimme und die Magie des Jodelns erleben. Auch die, die noch nie gesungen haben und meinen, dass sie gar nicht singen können.
„Jeder hat eine Stimme und jeder kann jodeln“
Davon ist der charismatische Urbayer überzeugt, dessen kraftvolle Stimme und Energie bei seinen Konzerten den Menschen regelmäßig eine Gänsehaut schenkt. Er steht mit seiner Gitarre in der Runde, seine Augen lachen, sein ganzes Gesicht strahlt Zufriedenheit aus, wenn der letzte Ton des gemeinsamen Jodlers nachschwingt und verklingt. „Es ist ein Geschenk, hier zu sein und euch das Jodeln beibringen zu dürfen“, sagt er, und man sieht ihm diese Freude ebenso an wie den glücklichen Gesichtern in der Runde, die dem Klang noch nachlauschen und dem Vibrieren in der Brust nachspüren. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, gemeinsam in der Gruppe in den Bergen zu jodeln.
Lesetipp: Hoamkemma mit Alfons Hasenknopf – Konzert in der WeyHalla
Von der Yogamatte in die Berge
„Jodel 1“ muss absolviert haben, wer mit dem Musiker zum Workshop auf die Stie Alm kommt. Bei diesem ersten Workshop führt er die Menschen mit sanften Atemübungen ans Jodeln heran. „Jodel-Yoga“ nennt er das augenzwinkernd. Dabei dürfen die Teilnehmenden im Liegen zum ersten Mal ihre Stimmen austesten, ohne ein Gegenüber, um ihre Scheu zu verlieren, sich zu öffnen und verblüfft darüber zu sein, was das Jodeln mit einem macht.
Jodeln schafft Gemeinschaft. Foto: ©akinci fotografie
Jodeln ist eine uralte Tradition im Alpenraum und Alfons Hasenknopf geht es auch darum, sie zu bewahren, aber nicht nur. Es ist kein Volksmusik- oder Touristenjodeln, das er anbietet, sondern vielmehr soll jeder Mensch die tiefe Freude empfinden können, die sich einstellt, wenn er im Angesicht der Berge seinen eigenen Ton findet und seine Stimme entdeckt. Noten gibt es keine. Die Texte wirken, als wären sie in einer fremden Sprache verfasst, all die djolaradi djolaradi dja hui ra’s und dhodlehida’s und dhodlehidi’s sind eine Herausforderung. Alfons Hasenknopf erläutert, wie die Stimme umschlägt, das lässt sich am Kehlkopf spüren. Aber die Technik ist zunächst einmal zweitrangig, wichtig ist, was das Jodeln im Inneren auslöst. Die Energie, die sich bei jedem Lied in der Gruppe bildet, überwältigt alle.
Jodeln in der Abenddämmerung auf der Stie Alm. Foto: ©akinci fotografie
Am ersten Jodeltag ist der Kreis noch groß, wie der Abstand zwischen den Menschen, die sich fremd sind. Aber das Jodeln verbindet und alle kommen sich näher. Nach dem sagenhaften Abendessen auf der Stie Alm ist der Kreis der Jodelnden schon enger – und was für eine veränderte Energie, die unter den in Decken gehüllten Menschen zwischen Almhütte und Käserei zirkuliert. Am zweiten Tag ist der Unterschied noch verblüffender. Mancher ist geradezu überwältigt, was für Töne entstehen, tiefe und ganz hohe gleichermaßen kraftvoll, aus ganzer Brust ins Tal geschmettert. Der gemeinsame Juchitzer – Gänsehaut pur, das Echo, von den Wänden wiederhallend, das anerkennende Klatschen von Wanderern, die meinen, ihren Ohren nicht zu trauen.
„Jodeln is, wenn im Inneren de Sonn aufgeht“. Foto: ©akinci fotografie
Was da Kostbares entsteht, was das Jodeln mit jedem Einzelnen macht, dieses unbeschreibliche Gefühl, wenn im Inneren de Sonn aufgeht, dort oben auf der Stie Alm, das wird so schnell keiner los werden. Es wirkt noch eine ganze Weile nach. Manchem hat sich buchstäblich das Tor zu einem neuen Leben geöffnet. Mit dieser neu entdeckten Stimme lässt sich dem Alltag anders begegnen. Und zum Glück gibt es noch „Jodel 3“ – dann geht es auf den Gipfel. Und wer dann immer noch nicht genug hat von diesen unbeschreiblichen Glücks- und Gänsehautgefühlen, tritt Alfons Hasenknopfs Jodelchor „Mensch drin“ bei.
Konzerte und Workshops
Regelmäßig gibt der leidenschaftliche Oberbayer aus dem Altöttinger Raum Konzerte – auch bei uns im Landkreis, und zwar in der WeyHalla in Weyarn. Die Konzerte waren für die meisten der Teilnehmenden überhaupt der Initialfunke, das Jodeln zu erlernen und sich von der Energie und Ausstrahlung des Musikers anstecken zu lassen. Denn Jodeln hat nur teilweise mit dem Klischee bayerischer Volksmusik zu tun – es ist eher so etwas wie bayerisches Mandala-Singen, waren sich die meisten der Jodelkursbesucher einig.