Der ganze Kosmos in einem gewebten Bildteppich
Johanna Schütz-Wolff: Frau unter Bäumen. Foto: Isabella Krobisch
Ausstellung Johanna Schütz-Wolff in Starnberg
Das Museum Starnberger See erinnert an eine außergewöhnliche Künstlerin, deren Anliegen es war, „etwas auszusagen über allen Nutzzweck hinaus, auszusagen über den Menschen schlechthin, die Welt des Kosmos“.
Die Ausdrucksmittel, derer sich die 1896 in Sachsen geborene und bis zu ihrem Tod im Jahr 1965 in Söcking am Starnberger See lebende Künstlerin Johanna Schütz Wolff, bedient, sind höchst ungewöhnlich: Gewebte Bildteppiche von berückender Ausdruckskraft.
Drang nach großer tektonischer Bildform
Gelernt hat sie dieses Handwerk in ihrer Geburtsstadt Halle an der Saale. Ihre Ausbildung erhielt sie bei Paul Thiersch an der Kunstschule Halle-Giebichenstein, wo sie 1920 selbst zur künstlerischen Leitung der neu eingerichteten Werkstätte für Weberei berufen wurde. Inspiriert wurden ihre Arbeiten durch die Begegnung mit Werken Klees, Feiningers und Franz Marcs. „Sie weckten ihren Drang nach großer tektonischer Bildform, nach einer den Gesetzen der Architektur folgenden, monumentalen Kunst.“
Freundschaft mit Maria Marc
Fünf Jahre war sie in der hallischen Kunstgewerbeschule tätig. Dann folgte sie Paul Schütz als Pfarrersfrau nach Schwabendorf bei Marburg. „In den fünfzehn folgenden Jahren wurde Schwabendorf für Johanna Schütz-Wolff, was Worpswede der von ihr verehrten Paula Modersohn-Becker war. Ihre Phantasie schuf Gestalten, die dem zeitlosen menschlichen Dasein angehören“, wie Ludwig Grote 1965 schrieb. Als ihr Ehemann 1940 zur Wehrmacht musste, zog seine Frau mit ihrer Tochter für sechs Jahr in ein Bauernhaus nach Ried bei Kochel. Für die Wahl des Wohnorts war Franz Marc bestimmend, dessen Haus, nicht weit entfernt, noch voll seiner Gemälde war. Johanna Schütz-Wolff befreundete sich mit Maria Marc und erlebte, wie das Haus nach dem Krieg zu einem Wallfahrtsort für alle wurde, welche die Rückkehr der modernen Kunst begrüßten.
Vom Glauben an Gott erfüllte Bildwerke
Dann kamen sieben Jahre in Hamburg an der Seite ihres Mannes. Nach der Emeritierung ließen sie sich wieder im geliebten Bayern, in Söcking bei Starnberg, nieder, wie Paul Grote berichtete. Über ihre Kunst schreibt er: „Es sind Menschenbilder, dem schweren Geschlecht verwandt, das Paula Modersohn-Becker und Ernst Barlach geschaffen haben. Sie sind ganz Gefühl, geben sich ganz ihrem Tun hin, sind erfüllt von dem Glauben an Gott – und damit über die Wirklichkeit hinausgehoben, die Ewigkeit steht in dunkler Majestät hinter ihnen. Johanna Schütz-Wolff gehörte zu den wenigen, die das Überirdische noch überzeugend gestalten konnten.
In eine Landschaft verwandelte Figuren
Als ihre Kräfte für die Arbeit am Webstuhl und Holzstock nicht mehr genügten, griff sie zur Monotypie. Das Verfahren hat den Vorzug, dass der nur einmal mögliche Abdruck die Farben sublimiert, einen transparenten Schleier von verschiedenartigen Strukturen über das Papier legt und damit eine unbegrenzte Raumvorstellung hervorrufen kann. Die Abstraktion ist noch weiter als bei den Bildwirkereien oder Holzschnitten vom Gegenstand distanziert, doch ist dieser nicht verlassen. Oft liegen den Monotypien menschliche Figuren zugrunde, die sich erst langsam dem Blick erschließen, weil sie in eine Landschaft verwandelt sind.
Johanna Schütz-Wolffs Enkelin und Nachlassverwalterin Christiane Haslacher ist diese Ausstellung im Museum Starnberger See zu verdanken. Hier wird auf zwei Ebenen die ganze Bandbreite ihres künstlerischen Schaffens präsentiert. Die Einträge im Besucherbuch quittieren dieses Engagement mit großer Anerkennung. Der Besuch lohnt sich!