Der selbstgeschnitzte Nahverkehr
Der selbstgeschnitzte Nahverkehr zwischen Riegsee, Murnau und Aidling (Ausschnitt). Foto: Ines Wagner
Ferienprojekt am Riegsee im blauen Land
Geschnitzt? Nahverkehr? „Anders-Herum-Denken-Künstler“ Johannes Volkmann hat mit 20 Kindern aus Riegsee, Murnau und Aidling eine gemeinschaftsstiftende Sozialskulptur geschaffen, welche die drei Orte miteinander verbindet.
Johannes Volkmann hat die Holzbildhauerei in Oberammergau von der Pike gelernt. Danach folgte in Bochum eine Figurentheaterausbildung und schließlich studierte er an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg im Studiengang Kunst und öffentlicher Raum. Damit hat er handwerklich alles beisammen, das ihn bis heute in zahlreichen Projekten in In- und Ausland trägt. Was ihn inspiriert, beflügelt und umtreibt, das kommt von Innen. Ideen hat er unzählige.
Holzbildhauer und „Anders-Herum Denken-Künstler“ Johannes Volkmann unterm Walnussbaum in Riegsee.Foto: Ines Wagner
Im Juli war er beim ARTcycling-Festival in Holzkirchen im Rahmen der Initiative „Anders wachsen“ mit seinem Gesellschaftskunst-Projekt „Unbezahlbar“. Eine lange Tafel, eingepackt in Papier, eingepackt auch Teller und Besteck, rote Filzstifte darauf. Die Besucher schrieben auf die Teller, was für sie im Leben „unbezahlbar“ ist.
Drei Tage Schnitzwerkstatt
Den Sommer verbringt der Nürnberger Künstler mit seiner Frau, der Textilkünstlerin Susanne Winter, in ihrem Haus in Riegsee. Der Holzbildhauer, der selbst zwei erwachsene Kinder hat, möchte etwas für die Kinder tun, mit den Kindern. Seine Workshops sind Highlights der Sommerferien am Riegsee. Drei Tage lang wird mit Stechbeiteln, Messern, Schleifpapier und Farbe geschnitzt, geklopft, geschliffen und gestrichen.
Die Kinder waren kreativ: Jeder Ort bekommt eine Bank mit individuellem Schild. Foto: Ines Wagner
„Wir machen eine Schnitzwerkstatt, in der wir aus Holz drei schöne Sitzbänke schnitzen. Eine davon wird in Murnau, eine in Riegsee und eine in Aidling stehen“, erklärte Johannes Volkmann das Projekt. „Wer sich auf die Bank setzt, gibt zu verstehen, dass er von einem Ort zum anderen mitgenommen werden möchte. Autofahrer, die vorbeikommen und noch einen Platz frei haben, können also die Menschen auf der Bank einsammeln“.
So entsteht eine neue „offizielle“ Fahrmöglichkeit zwischen den Ortschaften. „Damit können wir Geld sparen, der Umwelt etwas Gutes tun und vielleicht sogar neue Menschen kennen lernen“, soweit die Idee.
Ein Hinweisschild ziert jede Bank. Foto: Ines Wagner
Umgesetzt wurden die drei Bänke von den zwanzig Kindern mit großem Eifer an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Unterstützung bekam Johannes Volkmann dabei von Nana Klaass, Karen Freude und Anastasia Kühn. Ausser den Bänken wurden Haltestellenschilder und drei unterschiedliche Ortstafeln geschnitzt, sowie Geschenke für die Förderer. Einen Pinsel für den helfenden Maler, eine Stiftschale für den Bürgermeister beispielsweise.
Fahrtenbuch im Nahverkehr
Ausserdem bastelten die Kinder Fahrtenbücher, worin sie ihre Fahrten zwischen den Orten dokumentieren können. Es gibt auch Aufkleber für die Autos, die sich am Projekt beteiligen. Dann wissen die Kinder ganz sicher: Das ist ein Auto vom selbstgeschnitzten Nahverkehr. Und der Max kann seinen Freund Leo in Murnau besuchen oder die Lene zu Jona zum Baden am Riegsee kommen, ebenso die Erwachsenen.
Johannes Volkmann legt den letzten Schliff an. Foto: Ines Wagner
Am letzten Wochenende fand die feierliche Einweihung des selbstgeschnitzten Nahverkehrs in Riegsee und Murnau statt. Krimischriftsteller Jörg Steinleitner, der mit seiner Familie auch in Riegsee wohnt, las mit den Kindern gemeinsam und ansonsten gab es viel Lob seitens der Eltern und der Gemeinden bei gemeinsamer Brotzeit, Getränken und Musik.
Die fertige Haltestelle in Aidling. Foto: Johannes Volkmann
Nahverkehr und Dorfbücherei
Es ist nicht die erste Sozialskulptur, die Volkmann mit den Kindern umsetzte. Ein anderes Projekt, das allen nützt und großen Anklang bei Kindern wie Erwachsenen findet, ist die Dorfbücherei in der alten Telefonzelle. Die haben die Kinder in der Alten Tenne im letzten Sommer geschnitzt und installiert. Die Idee entwickelte er gemeinsam mit Jörg Steinleitner.
Die Dorfbücherei ist mit einem gemütlichen Hocker und einer Leselampe ausgestattet. Man kann vor Ort lesen oder sich ein Buch mit nach Hause nehmen. Die Idee ist: „Geben und Nehmen“. Ein Buch bringen, ein anderes mitnehmen.
Die selbst geschnitzte Dorfbücherei in der Telefonzelle in Riegsee. Foto: Ines Wagner
Die Kinder sind mit großer Begeisterung dabei gewesen und auch die Eltern haben mitgemacht. Johannes Volkmann war wichtig, dass alle miteinander arbeiten, viel zu Lachen haben und auch gemeinsam essen. So brachten die Mütter ganz unkompliziert etwa eine große Pfanne Kasspatzen, Kuchen und Getränke vorbei. Das ist es, was eine „Sozialskulptur“ ausmacht, dass sie Menschen zusammenführt – beim Schnitzen in den Ferien und zukünftig beim Begegnen auf der Bank und im Auto.
Die Kinder haben, noch vor der feierlichen Einweihung, natürlich längst gefragt: „Hannes, und was machen wir nächstes Jahr?“
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