Josef und das Figurenkabarett
Josef Pretterer im Gespräch Foto: Karin Sommer
Gespräch mit Josef Pretterer, München
Beim ARTcycling Festival im KULTUR im Oberbräu in Holzkirchen stellte Josef Pretterer im Juni einige seiner Figuren aus. Im Gespräch in seiner Atelierwohnung in München erzählt er, woher sein tiefes Verständnis für das Menschsein, und die Ideen für neue Werke kommen.
Josef Pretterer muss man eigentlich auf der Bühne sehen. Dort kommen alle seine Facetten zum Vorschein – er bewegt sich mühelos vom tiefsten Bayrisch zum vollendeten Hochdeutsch, dichtet aus dem Stegreif, ist mal feinfühlig, leise, und dann wieder laut, ungestüm, unbequem. Heute spreche ich mit dem Künstler in seinem zum Atelier umfunktionierten Wohnzimmer in München.
Eineinhalb Monate arbeitet Josef Pretterer an der Herstellung einer Figur. Ein Hasenkopf, der auf einem langen Tisch im hinteren Teil des Ateliers platziert ist, schaut mich neugierig an. Es handelt sich um den Angsthasen, der im nächsten Programm das Land Paranoika regieren wird und dessen Hauptaufgabe es sein wird, Angst in seinen Untertanen zu wecken. Jeden Tag, immer aufs Neue, mit Schreckensmeldungen und allem, das sonst noch dazu dient, die Menschen zu verängstigen und damit kontrollierbar zu halten.
Unfertiger Hasenkopf, Figur für nächstes Kabarettprogramm Foto: Karin Sommer
So aktuell wie dieses Thema ist, sind es auch die Ideen der anderen Kabarettprogramme, von denen manche schon jahrelang laufen, weil sie die Menschen immer noch berühren. „Herzversagen“ war Josef Pretterer’s erstes Programm, das ein Ehepaar im Pflegeheim zeigt, das sich gegenseitig vorwirft, das Leben des jeweils anderen „versaut“ zu haben, und die Menschen erkennen sich und Andere darin, auch heute noch, genau wie vor 25 Jahren.
Schaf als verzauberte Prinzessin
Pretterer’s Kabarett analysiert nicht, es trifft den Zuschauer direkt, ist ungeschminkt, unverblümt. Kabarett muss auch manchmal böse sein, meint Josef Pretterer lachend. Hinter ihm nickt das Schaf, das eigentlich eine verzauberte Prinzessin ist. Es wird eine wichtige Rolle im nächsten Kabarettprogramm spielen und wir können gespannt auf seine Persönlichkeit sein. Welche Sprache es wohl sprechen wird? Pretterer ist ein Sprachen- und Dialekttalent. Man nimmt ihm den südländischen Organhändler genauso ab wie die esoterische Gerda von Schwanensee und die urbayrischen, deftigen Charaktere genauso sowie den dichtenden Samen, der auf Publikumszuruf aus dem Wort „Abendrot“ ein romantisches Gedicht für das Ei zaubert, das er erobern will.
Josef Pretterer mit dem Schaf, das eine verzauberte Prinzessin ist. Foto: Karin Sommer
Die Phantasie von Josef Pretterer arbeitet Tag und Nacht, katapuliert ihn vollständig aus der Realität hinaus und wirft ihn zurück, und dann sieht er Dinge, die anderen verborgen bleiben.
Eine nicht gerade einfache Kindheit ließ sich durch diese Gabe in eine Reise zur Selbstfindung und zum Verstehen der Menschheit nutzen. „Das Jammern habe ich mir abgewöhnt“, meint Pretterer, der sein Leben, das voll mit Schlaglöchern war, trotzdem, oder gerade deshalb, mag. Es gab viele Schwierigkeiten und Engpässe im Laufe der Jahre, die ihn aber immer wieder auch zu unerwarteten Höhenflügen führten.
Vom Illustrator zum Figurenkabarettisten
Wie damals, vor fast 25 Jahren, als er noch Illustrator war und für das deutsche Fernsehen und namhafte Magazine zeichnete. In einer Situation, in der er dringend Geld und Arbeit brauchte, nahm er das Angebot an, auf einer Messe Karikaturen zu zeichnen. Er war ein hervorragender Zeichner, allerdings lagen ihm Karikaturen absolut nicht. Er versuchte es mit kurzfristigem Training und wollte aus dem Vertrag aussteigen, als er sah, dass die Situation hoffnungslos war. Dem Vertrag zu entrinnen war nicht mehr möglich und so blieb im nichts anderes über, als auf der Messe zu erscheinen.
Alles in ihm sträubte sich und doch erschien er auf dem ihm zugeteilten Messestand, auf dem groß die Karikaturen, die im Moment angefertigt werden würden, angekündigt wurden. Er schwitzte und stöhnte innerlich und weigerte sich zum Ärger der Veranstalter, Karikaturen anzufertigen. Mit einer im letzten Augenblick organisierten Puppe, begann er vor den Augen der Messebesucher sein erstes Kabarett.
Vom Messestand auf die Bühne
Die Leute blieben stehen und fanden Gefallen an der bayrisch sprechenden Puppe und niemand konnte ahnen, dass der Puppenspieler aus der Nähe von Köln stammte und zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Puppenspieler war. An diesem Abend hatte er den Vertrag für die nächste Messe in der Tasche und seiner Karriere als Figurenkabarettist stand nichts mehr im Wege. Die Arbeit auf Messen, auf denen die Aufmerksamkeit des Publikums zerstreut ist, waren Jahre des harten Trainings, das ihm den Weg auf die Bühne ebnete, dort wo er und seine Puppen heute zuhause sind.
Josef Pretterer: Der Neid – beim ARTcycling Festival in Holzkirchen. Foto: Ines Wagner
Dort sollte man Pretterer erleben – mit zu Prinzessinnen verwandelten Schafen, Liebestötern mit Hängebrüsten, dem personifizierten „Geiz“ mit der roten Habichtsnase und ihren Artgenossen; auf Sächsich, Kölsch, Bayrisch, mit ausländischem Akzent oder alteingesessenem Hochdeutsch – nach der Sommerpause ab September wieder zu sehen – und unbedingt zu empfehlen.
Einblick in die Welt des Figurenkabarettisten gibt „Das Buch Josef“, das im Moserverlag erhältlich ist.