Markus Ederer und Gerhard Polt (v.l.) beim 3. Josefstaler Gespräch über Verständigungskultur.

Ni hao, Reich der Mitte!

Markus Ederer und Gerhard Polt (v.l.) beim 3. Josefstaler Gespräch über Verständigungskultur. Foto: Cordula Flegel

Podiumsdiskussion beim Schlierseer Kulturherbst

Gerhard Polt und Markus Ederer diskutierten im 3. Josefstaler Gespräch über Verständigungskultur zum Thema „China – Parteidiktatur oder strategischer Partner?“ im Rahmen des Schlierseer Kulturherbstes – mit höchst kontroversen Aspekten.

Das Verständnis für Kulturen sei der Schlüssel zum Verständnis der Welt, betonte Gerhard Polt, den mit dem Josefstaler Elefant seit 30 Jahren spannende Themen bewegen. Und kaum eine der Kulturen, die uns in den nächsten Jahren derart beeinflussen und bestimmen wird, ist so stark und gleichzeitig so fremd wie China. Mit Markus Ederer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, hatte Gerhard Polt genau den richtigen Mann zur Seite. Ederer lebt nicht nur in Schliersee, sondern lebte auch als erster EU Botschafter drei Jahre in China. Trotz allerschönstem Kirchweihwetter war der Pfarrsaal von St. Josef voll besetzt und den höchst interessierten Zuhörern brannten verschiedenste Fragen unter den Nägeln.

Demokratie mit chinesischen Merkmalen

China ist bereits viel stärker Teil unseres Lebens, als wir es uns vorstellen, leitete Markus Ederer ein. Nicht nur, dass fast jeder ein Mobiltelefon besitzt, Made in PR China, Haushaltsgeräte und Bekleidung. China schafft beispielsweise auch Arbeitsplätze in Bayern, als größter Absatzmarkt für BMW, und das gilt für die ganze Industrie. Markus Ederer zeigte auf, dass China zwar weltweit größter CO²-Verursacher ist, jedoch zugleich auch größter Hersteller von Sonnen- und Windenergieanlagen. Auch beim Klimaabkommen ist Chinas Rolle maßgeblich, zudem leistet das Land einen großen Beitrag zur weltwirtschaftlichen Entwicklung, auch als Stabilisator.

Markus Ederer und Gerhard Polt (v.l.)
Markus Ederer und Gerhard Polt (v.l.). Foto: Cordula Flegel

Wenn man jedoch das Thema der Rechtsstaatlichkeit betrachtet, die Unterdrückung der uigurischen Minderheit, Besetzung Tibets, Kontrolle Taiwans oder die Hoheitsansprüche im Südchinesischen Meer, sieht man das andere China. Markus Ederer betonte, dass man auf die Frage „Parteidiktatur oder strategischer Partner?“ nicht nur eine Antwort geben könne. China sei immer von allem etwas, seine Widersprüche äußerst komplex. Im Gespräch tasteten sie sich gemeinsam mit dem Publikum an das gigantische „Reich der Mitte“ heran.

Berauben strategische Investitionen die kulturelle Identität?

Chinas Rolle im Syrienkrieg war genauso Thema wie das gespaltene Verhältnis zu Japan und Nordkorea und das ehrgeizige Projekt „Seidenstrasse“, von dem Ederer einräumt, Deutschland habe es zunächst unterschätzt. Man könne nicht daran vorbei sehen, wie das Land wirtschaftliche und damit auch politische Abhängigkeiten schaffe. Bisher habe China im Wesentlichen in wirtschaftlich angeschlagenen Ländern investiert, wie in den Hafen von Piräus. Oder in Afrika, wo China gigantische Projekte ausführe, ohne jedoch Arbeitsplätze zu schaffen. Ederer erinnerte auch an Prato in der Nähe von Florenz, wo ca. 40.000 Chinesen Bekleidung „made in Italy“ produzieren.

gespanntes Publikum beim Schlierseer Kulturherbst mit Markus Ederer und Gerhard Polt
Spannende Fragen aus dem Publikum. Foto: Cordula Flegel

Deshalb sei es so wichtig, dass strategische Übernahmen künftig Europäisch geregelt würden, um notfalls auch einen Riegel vorschieben zu können. Daran arbeitet Deutschland zurzeit gezielt.

Kulturelle Annäherung fördern

Aus dem Publikum kam der Einwand, die „gelbe Gefahr“ würde so stark in den Fokus gerückt. Ob es nicht vielmehr so sein sollte, dass Deutschland sich ebenso an China annähert, wie man es umgekehrt erwarte. Indem man sich mehr mit der chinesischen Kultur und Sprache befasse, um kulturelles Verständnis zu fördern. Auch die kulturellen Errungenschaften Chinas mit seiner 5000 Jahre alten Geschichte wurden in der Publikumsdiskussion gewürdigt, wie der uralte, fortschrittliche Ansatz der ganzheitlichen Medizin.

Das Thema bleibt hoch komplex. Daher ist es wichtig, China als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen, statt auf die „gängige Werbung“ zu reduzieren, wie auf Menschenrechte und Tibet. Die Bundesrepublik anerkenne die „Ein-China-Politik“ zwar, also China in den momentan bestehenden Grenzen, würde jedoch den umstrittenen Themen gegenüber kritisch Stellung beziehen. Damit ging das 3. Josefstaler Gespräch über Verständigungskultur zu Ende. Markus Ederer hatte Recht. Es gibt nicht die eine Antwort. Es gibt ein Sowohl-als-auch. Und jede Menge Denkanstöße.

Der Kulturherbst Schliersee 2016 läuft noch bis zum 30. Oktober. Hier finden Sie das ausführliche Programm: www.kulturherbst-schliersee.de

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