Judas

JUDAS – die Rolle meines Lebens

Sepp Grundbacher kehrt nach fünf Jahren mit seinem JUDAS (2018 im Waitzinger Keller) zurück auf die Bühne. Foto: Foto: Petra Kurbjuhn

Theater Holzkirchen Miesbach

Man nehme ein ungewöhnliches Theaterstück, einen besonderen Schauspieler, einen spektakulären Raum und eine fesselnde bayerische Inszenierung. Was aus diesem Mix entsteht? Wer am 1. April die St. Josef Kirche in Holzkirchen besucht, wird Zeugnis ablegen können. Bei Sepp Grundbachers JUDAS ist das „nackte Erleben“ garantiert.

Donnerstagnachmittags an unserem Esstisch in Miesbach. Sepp Grundbach sitzt mir gegenüber. Der Mann, der sich seit zig Jahrzehnten der Musik und dem Schauspiel mit seiner Irschenberger Theatergruppe verschrieben hat. Ich bin ihm noch nie begegnet. Weder privat noch habe ich ihn als Zuschauerin auf einer Bühne erlebt noch eines, der vielen von ihm inszenierten Stücke gesehen. Auch nicht in der gefeierten JUDAS Aufführung von 2018. Ein Versäumnis, wie mir schnell bewusst wird.

JudasSepp Grundbacher in der JUDAS Aufführung 2018 im Waitzinger Keller. Foto: Petra Kurbjuhn

Wir reden. Reden über den „Judas“. Ein Theaterstück der Niederländerin Lot Vekemans. Sepp Grundbacher spielt jenen historischen Judas am 1. April in Holzkirchen und vier Tage später ein weiteres Mal im Gewölbe des Waitzinger Kellers in Miesbach. Erneut. 2018 begann die Geschichte zwischen dem Einmannstück, seinem Darsteller und der Theaterfrau Baier. Eine Liaison, die alle drei, so erzählt es der Monolog haltende an diesem tristen Nachmittag, seitdem begleitet.

Den JUDAS finden war Schicksal

„Ich war auf der Suche als ich auf das Theaterstück der niederländischen Dramatikerin stieß“, berichtet der Schauspieler. Er habe nicht wirklich eine Vorstellung gehabt, was er finden wollte. Doch nachdem er den Text gelesen habe, sei er sich sicher gewesen: „Das ist es!“ Auf die Frage nach dem Warum antwortet Sepp Grundbacher emotional: „Es sind die Fragen nach Glauben, Zweifel, Verrat, Schuld, Verantwortung.“ Da Sepp Grundbacher nicht an den Zufall glauben mag, ist für ihn der Fund Schicksal. „Wir sollten uns finden“, erklärt er mir Ungläubigen schmunzelnd.

Theater WorkshopFür Sepp Grundbacher bedeutet die Bühne die Welt, so wie die Welt seine Bühne ist. Foto: Pixabay

Judas, der Jünger der Jesus an die Priester für 30 Goldtaler an die Hohen Priester verriet. Judas, dessen Name zu Synonym für den Verrat in der christlichen Welt wurde. Jener Judas, der im Theaterstück (Uraufführung 2007 in Haarlem/NL) 2000 Jahre nach denen im Neuen Testament dokumentierten Geschehnissen auf die Erde zurückkehrt, um sich den Vorwürfen zu stellen. Ein Judas, der seine Geschichte erzählt, um seine Tat wieder auf ein menschliches Maß zurückzubringen, wie es Lot Vekemans einmal selbst formulierte.

Abtrünniger Judas ist natürlich Oberbayer

Sepp Grundbacher hat sich vor fünf Jahren zusammen mit Steffi Baier in das, wie beide es nennen, „Experiment“ gewagt. Im Sinne der vom Künstler im Spiel immer wieder geforderten Authentizität hat Sepp Grundbacher kurzerhand mit Erlaubnis der Autorin ins Bayerische übersetzt. „Das ist meine Sprache. In der lebe, denke, träume ich“, erklärt mir der Schauspieler die Adaption. Wenn er den Judas spiele, dann sei er der Judas. Und dann sei der abtrünnige Jünger halt ein Oberbayer. Ganz einfach, oder?

JudasSepp Grundbacher ganz in seinem Element (Waitzinger Keller 2018). Foto: Petra Kurbjuhn

Jetzt gerade kommt der Theatermann, ganz unspektakulär in Jeans und weißem T-Shirt, von den Proben in der neuen Kirche in St. Josef. Ich frage ihn, was er von dem sakralen Veranstaltungsort halte und ernte Begeisterung pur: „Was für ein Raum! Wenn du in der Kirche nach oben schaust, ist das absolut spektakulär.“ Nein, er sei zuvor nie dort gewesen. Ein Fehler, ja, gibt der Schauspieler zu. Über sein Verhältnis zur Institution Kirche will er nicht reden. Nur so viel verrät mir der Irschenberger: „Ich bin ein Mann des Glaubens.“

„Fragen Sie meine Frau …“

Je länger wir an diesem Tisch reden, umso mehr wird mir klar, was der Mime damit meint. Er spielt mit mir. Zeigt mir den Judas in ihm. Emotional und einfühlsam manchmal, dann wieder provozierend wie herausfordernd. Mehr ein kleiner Tanz, denn ein Interview mit ihm. Sepp Grundbacher gibt klar den Rhythmus vor. Immer öfter schweift das Gespräch ab zu aktuellen Themen, die Schuld und Verrat oder Glauben und Zweifel thematisieren. Der historische Kontext der Jesus Geschichte verliert seine Relevanz fast vollkommen.

Nicht nur mir fällt es immer schwerer hinter der aktuellen Rolle (die Beschreibung „Rolle“ mag der Schauspieler übrigens gar nicht) des Judas den Menschen Grundbacher zu entdecken: „Fragen sie meine Frau. Seit ich im Januar begonnen habe, den Text zu lernen, hat sie es richtig schwer mit mir.“ Das passt zum Irschenberger. In einem von ihm gehaltenen Theaterworkshop, an dem meine Kollegin Selina Benda teilnahm, sagte er: „Theater ist das eigene Leben auf die Bühne gebracht.“

JudasSepp Grundbacher kann auch verspielt (Waitzinger Keller 2018). Foto: Petra Kurbjuhn

Dieses Einmann-Stück so auf die Bühne zu bringen sei, wie der Künstler mehrfach betont, niemals ohne die unglaubliche Zusammenarbeit mit der Regisseurin Steffi Baier möglich gewesen. Mit der bekannten Vollblut-Theaterfrau habe er, so berichtet mir Sepp Grundbacher, vom ersten Augenblick an das Gefühl gehabt, eine Einheit zu bilden bei der Realisierung des Projektes. „Da ich normalerweise ja als der Regisseur arbeite, war der Rollenwechsel nicht immer konfliktfrei“, gibt der Darsteller lächelnd zu, doch am Ende sei es ihnen gemeinsam gelungen, den oberbayrischen Judas zum Leben zu erwecken. Und mehr noch – ihn zu ihrem Judas zu machen. „Die gemeinsame Arbeit hat uns geprägt – tut es immer noch“, unterstreicht der Schauspieler.

JudasTheatervollblut Steffi Baier. Foto: Petra Kurbjuhn

„Mich nackt – das will keiner sehen“

Bundesweit erfreut sich das Theaterstück großer Beachtung. An vielen Orten wurde inzwischen die „Judas Rückkehr“ aufgeführt. In einer Inszenierung in den Münchener Kammerspielen habe der Schauspieler gar nackt auf eine Leiter gehockt, berichtet mir mein Gegenüber grinsend. Gleich schießt mir ein Satz des Irschenberger in den Kopf, den er ebenfalls über die Schauspielkunst gesagt hat: „Theater ist nackt machen und die Maske fallen lassen.“ Ich kann mir die Frage nicht verkneifen: ob wir ähnliches am Samstag in St. Josef erwarten dürfen? „Nein – nur die Maske fällt. Die Klamotten behalte ich an. Das will keiner sehen!“

JudasSepp Grundbacher in der Aufführung 2018 im Waitzinger Keller. Foto: Petra Kurbjuhn

Zum Ende unseres Gespräches frage ich den Künstler, ob denn sein Judas von vor fünf Jahren, der in neun Vorstellungen im Waitzinger Keller ebenso oft ausverkauft war, immer noch der gleiche sei wie der von 2023. Sepp Grundbacher bejaht spontan. Denkt jedoch kurz nach, und ergänzt: „Na ja. Ich bin fünf Jahre älter geworden. Wahrscheinlich hat das auch bei mir Spuren hinterlassen.“ Jetzt will ich es genau wissen: „Auch bei dem Judas, den sie auf der Bühne verkörpern?“ Auf die kurze Pause die folgt entgegnet Sepp Grundbacher überzeugt: „Ich bin Judas.“

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Nach meiner kleinen Privatvorstellung im heimischen Wohnzimmer kann ich Ihnen, liebe Leser nur wärmstens ans Herz legen, sich „Sepp Grundbachers Judas“ live anzusehen. Es lohnt sich.

Ein Experiment? Ein Wagnis? Ein Husarenritt? – Finden Sie es selbst heraus. Karten für JUDAS in Holzkirchen (St. Josef) am 01. April an der Abendkasse und in Miesbach (Gewölbe Waitzinger Keller) am 06. April gibt es telefonisch unter der Telefonnummer 08025/7000-0 oder im Internet www.waitzinger-keller.de. Der Beginn ist jeweils um 20:00 Uhr/ Einlass ab 19:00 Uhr.

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