Der Berg, der einen vom Leben trennt
Kabarettist Stefan Waghubinger scheint an seiner Steuererklärung schier zu verzweifeln. Foto: pixabay
Kabarett Stefan Waghubinger in Miesbach
Von Knöpfen, Wertstoff und der leidigen Steuererklärung: Stefan Waghubingers tiefschwarzer und dennoch liebevoller Blick auf Sinn und Unsinn des Lebens.
Als Stefan Waghubinger die Bühne des Waitzinger Kellers betritt, ist er bereits erschöpft und weist verzweifelt auf den kleinen Tisch mit seinen Steuerbelegen: „Das ist der Berg, der einem vom Leben trennt“. Er erinnert sich an seinen Kindheitstraum, „wenn ich groß bin, kann ich Berge versetzen“ und seufzt, „jetzt schiebe ich sie vor mir her“.
Statt SMS Rauchzeichen
In seiner Jugend, er ist Jahrgang 1965, stammt aus Oberösterreich und lebt seit 30 Jahren im Raum Stuttgart, waren es noch Science-Fiction-Filme, in denen man staunend erleben konnte, wie alles auf Knopfdruck funktioniert. Jetzt ist dies Realität und Stefan Waghubinger drückt bloß auf einen Knopf, um Kaffee zu kochen. Den braucht er, um bei Laune zu bleiben. Seine Sätze kommen harmlos daher, bringen aber die Stimmung rasch zum Kippen. „Als Mensch hat man auch so Knöpfe, irgend jemand drückt sie und auf einmal schnappt man über“ und weiter: „Die Kaffeemaschine braucht keine Motivation, nur Strom. Im Grund muss man froh sein, wenn der Strom aus dem Atomkraftwerk kommt, dann weiß man, dass es noch steht. Mit dem Kaffeeautomat kann der Strom keine SMS schreiben, höchstens Rauchzeichen geben“.
Es ist ein langer Erzählfluss, der den Titel „Außergewöhnliche Belastungen“ trägt. Es gibt keine Brüller, seine Sätze kratzen stattdessen an der Seele. „Auf einmal hast Du mehr Zukunft hinter dir, als du jemals vor dir hattest“. Ehe die Besucher zum Lachen ansetzen sitzt der Knödel schon im Hals.
Protagonisten sind Stefan Waghubinger als Schüler, sein Schulfreund Christian, der jetzt im Finanzamt arbeitet, seine Frau, die ihn nach 25 Jahren verlassen hat und seine demente Mutter. Von ihnen erzählt er im Wechsel, ohne seine längst fällige Steuererklärung zu vergessen. Eine Pappschachtel voller Belege erinnert ihn permanent daran.
„Lieber sterben als meine Steuererklärung noch machen. Wenn ich weiß, dass ich sterben muss, wäre mir das Wetter gleichgültig. Etwas Sinnloses tun, dem Hund eine Hütte bauen und ihn dann trotzdem im Schlafzimmer schlafen lassen. Ich weiß, dass ich irgendwann sterben muss, warum tue ich es dann nicht?“
Seltsam, dass aus Schrott Wertstoff wird
Zwischendurch kritzelt er wieder ins Steuerformular, sagt „der Mensch braucht etwas zum Festhalten und wenn es nur ein Löffel ist. Deshalb sagt man „den Löffel abgeben“, wenn man das letzte Kästchen ausgefüllt hat“. Ganz seltsam kommt es ihm vor, dass das Geburtsdatum stehen bleibt, das Alter aber immer weiter wächst. „Wenn man eine Garantie hätte, wie lange das Leben ist, könnte man besser planen“.
Manchmal wollen ihm Namen einfach nicht einfallen, dann frägt er das Publikum, nach dem früheren Berliner Bürgermeister, nach einem Verpackungskünstler, nach dem ersten Menschen am Mond. Nicht immer passen die Antworten.
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Dass Schrott auf einmal zu Wertstoff wird, die Oma aber ihren Schrott für sich behalten muss, weil sie ins Altenheim abgeschoben wird, findet er reichlich dramatisch.
Sogar Sigmund Freud bezieht er in seine Überlegungen über den Sinn des Lebens ein: „Ich, Über-Ich und Es nutzen nichts, wenn alle Drei keine Lust haben, die Steuererklärung zu machen“.
Am Ende gibt es einen Kurzschluss in der Kaffeemaschine, die Bühne ist in blaues Licht getaucht und Stefan Waghubinger befindet sich plötzlich in unmittelbarer Zwiesprache mit Gott. „Ich habe mir gewünscht, dass du bist wie Weihnachtskekse, nach denen das ganze Haus duftet“.
Irgend etwas muss gewesen sein
Ist das nun Kabarett, geballte Satire oder philosophische Weltbetrachtung? Etwas muss jedenfalls gewesen sein an diesem Mittwochabend in Miesbach. Auch Stefan Waghubinger nimmt es an, denn „Sie sind da, ich bin da, irgendetwas muss gewesen sein“.
Wie ergehe es ihm denn nun privat mit seiner Steuererklärung will ich am Ende wissen, als der Künstler seine Bücher und CDs signiert. Da bekennt Stefan Waghubinger, dass er seine Vorbehalte gegen Steuererklärungen abgelegt habe seit sie permanenter Gegenstand seines Programms seien. „Anscheinend habe ich eine Sprachtherapie gemacht“.