Ausdruck und Dramatik auf höchstem Niveau
Das Bennewitz Quartett beim Schlussapplaus. Foto: Diethelm Janke
Konzert in Holzkirchen
Mozart, Janáček und Schubert präsentierten die Musiker des vielfach ausgezeichneten Bennewitz Quartetts aus Prag in einem höchst anspruchsvollen Programm. Im Festsaal des Kultur im Oberbräu boten sie Kammermusik vom Feinsten mit Klang- und Farbwelten, die ihresgleichen suchen.
Die vier Musiker Jakub Fišer (1.Violine), Štěpán Ježek (2. Violine), Jiři Pinkas (Viola) und Štěpán Doležal (Violoncello) benannten ihr 1998 in Prag gegründetes Quartett nach dem bedeutenden tschechischen Geiger und Pädagogen Antonin Bennewitz (1833-1926).
Wolfgang Amadeus Mozart: Streichquartett C-Dur, KV 465 („Dissonanzenquartett“)
Das 1785 von Mozart vollendete Streichquartett erhielt seinen Namen von den ersten Takten des Einleitungs-Adagio, das für damalige Hörgewohnheiten ungewöhnliche Reibungen enthielt. Heute hören wir nur einen langsamen, zunächst traurig anmutenden Beginn, der in lebhafte Tanzmusik übergeht. Der Wechsel zwischen Dur und Moll scheint ins Extreme getrieben. Unter Führung der ersten Geige gesellt sich munter und schwungvoll die zweite. Schon setzen Viola und Violoncello mit Nachdruck und Intensität ein. Langsam pochende Basstöne lösen sich überraschend auf. Schneller Wechsel zwischen zarten Empfindungen, tänzerischen Einlagen und dramatischen Themen. Man gewinnt den Eindruck, dass Mozart bei diesem Streichquartett den Wechsel zwischen Dur und Moll fast übermütig auf die Spitze treiben will.
Dialog von Geige und Cello
Der 2.Satz Andante cantabile steigert die Empfindungen noch. Die vier Streicher „singen“ geradezu. Man fühlt sich wie in einer großen Opernaufführung. Das Hauptthema ist bekannt, ist es doch dem Terzett aus Mozarts „Idomeneo“ entlehnt. Schon drängt sich dem Zuhörer ein intensiver, gleichsam seufzender Dialog zwischen erster Violine und Cello auf. Hochkonzentriert und mit großer Hingabe wird Jakub Fišer förmlich eins mit seinem Instrument. Auch Štěpán Doležal entlockt seinem Cello die wunderbarsten Töne.
Der 3.Satz beginnt schnell und entwickelt mit flottem Spiel ein Menuett. Wieder ein ständiges Wechselspiel von erster Geige und Cello mit den beiden anderen Streichinstrumenten.
Im 4.Satz hören wir sie deutlicher, die Dissonanzen. Sanfte und leise Töne gefolgt vom lauten, tiefen, heftigen Celloklang. Wild, fast unangenehm wirken die Mollsequenzen. Erst zum Schluss wird es wieder spielerischer, weicher.
Leoš Janáček: Streichquartett Nr.1 „Kreutzersonate“
1803 komponierte Ludwig van Beethoven seine berühmte „Kreutzersonate“ für Violine und Klavier. 1887 schrieb der russische Dichter Leo Tolstoi eine Erzählung, in der diese Beethovensonate eine Schlüsselrolle spielt. 1923 entstand, in nur 9 Tagen, Janáčeks erstes Streichquartett unter dem Eindruck von Tolstois Erzählung.
Das Bennewitz Quartett im Festsaal des KULTUR im Oberbräu. Foto: Stephanie Doennecke
Alle vier Sätze sind mit „con moto“ überschrieben, also mit Bewegung. Und dieser Vorgabe kommen die Prager Streicher mit höchster Intensität nach. Körpereinsatz, Dramatik und Theatralik passen sich dem Sujet an. Die lebhaften, düsteren Mollmotive wiederholen sich unterschiedlichen Variationen. Sie spiegeln durch wahrhafte Dissonanzen innere Zerrissenheit wider. Hier entsteht vor unseren Augen eine Geschichte. Die Geschichte einer Ehe, fordernd, klagend, dann wieder lockend und verführerisch. Wie eine Erzählung gleitet die Musik dahin und schildert die Ehekrise gleichsam opernhaft.
Konfrontation und Unverständnis
Der 69-jährige Komponist verarbeitet in diesem Stück wohl auch seine eigene Geschichte, die Liebe zu einer sehr viel jüngeren Frau. Tiefe Empfindungen drückt die Musik aus, wenn sie jammervoll, laut und schrill unsere Ohren trifft. Immer wieder schalten sich Viola und Cello ein, senden Signale aus in Richtung Violinen, möchten gehört und angenommen sein. Gemeinsamkeit, Zusammensein klingt anders. Hier brechen sich Konfrontation und Unverständnis in der Krise Bahn. Schwierigste Passagen mit hohen Tönen und schnellen Läufen der Violinen wechseln sich ab mit langsam dahingleitenden. Wie unglücklich müssen sie sein, die Protagonisten, von denen der Meister so kunstvoll berichtet.
Franz Schubert: Streichquartett Nr.14, d-Moll „Der Tod und das Mädchen“
Wie die vorangegangenen Stücke ist auch dieses Streichquartett viersätzig und in Moll gehalten. Auch hier gibt es im zweiten Satz die Notation „con moto“, die Schuberts Kunstlied von 1817 „Der Tod und das Mädchen“ nach einem Gedicht von Matthias Claudius thematisiert und variiert.
Auch hier ein dramatischer Beginn, expressiv und unruhig. Triolen treiben den ersten Satz an. In immer neuen Variationen wechselt das Thema in Lautstärke, Klangfarben und Tempo, wobei die vier Instrumente gleichberechtigt agieren. All das wird von den Prager Musikern perfekt und präzise aufeinander abgestimmt. Kleinste Pausen verfehlen ihre Wirkung nicht. Einzelne Themenblöcke werden schroff und laut voneinander getrennt.
Intensive Empfindungen
Große Gefühle und viel Bewegung begleiten den zweiten Satz. Zart und ganz leise wird das Thema vorgetragen. Gleichmäßig atmend entfalten die Instrumente intensive Empfindungen. Im Mittelteil übernimmt das Cello zeitweise die Führung, gezupft, pianissimo, bevor ein heftiger Einsatz mit vollem Klang die sehnsuchtsvolle Melodie durchschneidet. Das Wechselspiel der Gefühle steigert sich dramatisch durch Lautstärke, Wiederholungen und vielfältige Variationen.
Das Bennewitz Quartett: Jakub Fišer (1.Violine), Štěpán Ježek (2. Violine), Jiři Pinkas (Viola) und Štěpán Doležal (Violoncello). Foto: Stephanie Doennecke
Kantig und hart beginnt der dritte Satz, bevor er zart zu leisen und langsamen Durtönen überleitet. Schnell geht weiter in den letzten Satz. Ein heftiges Fangen und Jagen beginnt. Das ruhelose Hasten der vier Instrumente bestimmt den Charakter dieses Satzes. Fordernd und laut, dissonant und rasend geht es jetzt zu. Auf peitschende Momente folgen plötzlich stoppende. Detailliert wird das Thema verändert und wieder zusammengesetzt. Höchstleistung wird von den Interpreten gefordert, bevor das Quartett mit voller Energie endet.
Standing ovation und großer Jubel im Publikum. Die Musiker haben sich natürlich Gedanken gemacht, welche Zugabe auf dieses von intensiven Gefühlen und Mollsequenzen geprägte Programm passen könnte. Und sie erfreuen die Holzkirchner mit einem kurzen Choral aus der Feder von Johann Sebastian Bach.