Musikalische Reisen mit der „Kapelle So&So“
Sechs Musiker, ein unvergleichlicher Sound – die „Kapelle So&So“. Foto: Sebastian Huber jun.
Kapelle So&So
Erklingt der Begriff Volksmusik, ist man entweder gleich auf dem Weg, um seinen Tanzpartner aufs Parkett zu zerren oder lässt die mit einschlägigen bayerischen Lokalitäten assoziierte Musik einfach an sich vorbeiplätschern. Entweder so oder so. Doch was, wenn sich zur Volksmusik Klänge aus Reggae, Hip Hop und Salsa gesellen und die eingerosteten Schranken im musikalischen Gehirn plötzlich nicht mehr wissen, ob sie sich nun öffnen oder schließen sollen? Tja, dann bleibt wohl nichts anderes übrig, als der verdammt guten Musik einer Kapelle zu lauschen, die sich um derartige Grenzen so gar nichts schert.
Es ist ein schwülwarmer Sommerabend und das Zirkuszelt auf der Wiese füllt sich langsam mit einem derart gemischten Publikum, dass unbeteiligte Betrachter wohl nicht erahnen, welches Konzert das diesjährige Irschenberg Festival bei Dinzler gleich eröffnen wird. Junge mischen sich unter nicht mehr ganz junge, Trachtler und EM-Fans stehen gemeinsam in der Warteschlange. Unter dem Publikum ist sogar Landtagspräsidentin Ilse Aigner – heute mal privat anwesend, als langjähriger Fan der Kapelle.
Vom Wirtshaus raus in die Welt
So gemischt wie das Publikum an diesem Abend ist, ist auch die musikalische Bandbreite der „Kapelle So&So“. Die sechs Vollblutmusiker aus dem Rupertiwinkel, Pinzgau und dem Inntal kennen sich teilweise schon seit Kindertagen. Die Bläser der Kombo – Joschi Öttl, Wasti Höglauer, Manu Haitzmann und Stefan Huber – studierten alle klassische Musik und haben sich mit Hansi Auer und Michi Graf, der als Dienstältester nur „Vaddi“ genannt wird, zwei versierte Langzeitmusikanten mit ins Boot geholt, um die klassische Volksmusik auf ihre ganz eigene Weise aus ihrem verstaubten Image zu pusten.
Die „Kapelle So&So“ heizt dem Publikum beim Dinzler Irschenberg Festival ein. Foto: SB
Ehrlicherweise muss man an dieser Stelle erwähnen, dass der Start der „Kapelle So&So“ eben doch in einer typisch bayerischen Lokalität mit einschlägigen Musikstücken liegt. Von dort aus ging es in der Tanzlmusi-Besetzung auf Wirtshaustour im Jahr 2017, die erste CD entstand und die Kapelle machte schnell klar, dass zukünftig mit ihnen auch außerhalb dieser Lokalitäten zu rechnen ist.
Hochkarätige Musiker in einer Kapelle
Was Stefan Huber an der Tuba, Manu Haitzmann an der Basstrompete, Joschi Öttl und Wasti Höglauer an den Flügelhörnern, Hansi Auer an der Ziach und Michi Graf an der Gitarre an Klängen in die Luft zaubern, bleibt im Ohr und geht in die Beine. „Angewandte Tanzlmusi die nicht im Korsett stecken bleibt“, nennt es Wasti Höglauer. Dass das Korsett ihres klassischen Musikstudiums ihnen zu eng ist, das merkten die vier Bläser schon recht früh.
Veranstaltungstipp: Internationales Musikfest am Tegernsee
Ihren Weg nach ihrem Abschluss machten sie jeweils in verschiedenen Bands, Kapellen und Kombos. Stefan Huber etwa war acht Jahre Mitglied von „LaBrassBanda“. Doch im Sommer 2021 entschieden sich alle sechs Musikanten, ihren Fokus auf die „Kapelle So&So“ zu legen und die Musikszene um ihren ganz eigenen Sound reicher zu machen. Nebenbei gründeten sie auch noch ein eigenes Label und einen Notenverlag und richteten einen eigenen Web-Shop ein.
Von Bayern nach Jamaica
Auch in Irschenberg ist bereits nach dem ersten Stück klar, dass bei dieser Kapelle stets mit Überraschungen zu rechnen ist. Die „fidele Boyband“ wie sich selbst nennt, spielt sich von Klassikern der Tanzlmusi hinaus in die Welt und nimmt ihre Zuhörer mit nach Kuba, Jamaica und Oakland und spart dazwischen nicht an humorvollen Geschichten aus ihrem Band- und Tourleben.
Gerade hat man sich bei dem melancholischen Walzer „Die Vögel aufm Kramerwirt“ auf seinem Sitz eingeschunkelt, lassen die Musiker den auf ihre Besetzung umkomponierten Hit „I shot the sheriff“ des „bekanntesten Volksmusikanten der Welt“ Bob Marley erklingen und reißen einen mit irrem Rhythmus aus der Träumerei. Singen können sie übrigens auch, wie sie immer wieder mit beeindruckenden A capella-Einlagen unter Beweis stellen. „Wir verarbeiten damit unser Jugendtrauma auf der Bühne“, scherzen sie etwa nach ihrer Coverversion des Spice Girl Songs „Wannabe“.
Voller Körpereinsatz auf der Bühne. Foto: SB
Mangelnden Körpereinsatz kann man der „Kapelle So&So“ im Übrigen nicht vorwerfen. Nahm Stefan Huber ja sogar Trainerstunden bei einem Apnoetaucher, um genug Luft für sein Solo bei der Polka zu haben. Neben all dem Scherz und den Wirtshausgeschichten, die etwa in dem Charakterstück „Wutwurstetüde“ münden, hat die Kapelle aber auch etwas zu sagen. „Olle ren übernand statt mitanand, dann fahr ma den Karnn hoid gegad Wand“, erklingt es etwa in ihrem Stück „Koana woaß warum“.
Denn was den sechs Musikern wichtig ist, macht sie zu etwas Besonderem. Konventionen sprengen, ohne sie zu missachten. Klassiker verändern, ohne respektlos mit ihnen umzugehen. Tradition mit Moderne mischen und dabei eine Brücke schlagen, über welche sie ihre Zuhörer von der jeweiligen anderen Seite in neue Musikwelten führen.
Oane moan i nam i no
„Es ist ein ständiges Grenzen ausloten“, erklärt Stefan Huber. Bloß keinen Stillstand und das geht vor allem, weil sich die Musiker seit Kindertagen kennen und aufeinander verlassen können. Wasti Höglauer als „Haus- und Hofkomponist“, schneidere 80 Prozent der Stücke auf den Leib der Kapelle. Zu ihren musikalischen Experimenten gesellen sich dann und wann auch namhafte andere Musiker. So entstand etwa das Album „BOB“ und auch die neueste Single „OANE.MOAN.I.NAM.I.NO“.
Die Single „Oane.moan.i.nam.i.no“ nahm die Kapelle gemeinsam mit Philipp Lingg auf. Cover: Sebastian Huber sen.
Kein geringerer als das ehemalige HMBC-Mitglied Philipp Lingg hat sich zu den sechs Musikern gesellt und mit ihnen diesen Ohrwurm in kubanischem Gewand aufgenommen. Mit dem gleichnamigen Programm ist die „Kapelle So&So“ nun wieder auf Tournee, durch Zirkuszelte wie in Irschenberg und natürlich auch durch das ein oder andere Wirtshaus. Hoch fliegen ja, Wurzeln vergessen nein. Eine ganz besondere Mischung, die das bunte Publikum in Irschenberg mit Standing Ovation quittierte.