Dem Zeitgeist auf der Spur: Pepsch Gottscheber
Pepsch Gottscheber in der SZ am 17.01.2018. Foto: Pepsch Gottscheber
Ausstellung am Tegernsee
Die Museen öffnen wieder, endlich. Im Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee ist derzeit Pepsch Gottscheber zu Gast. Seine Zeichnungen und Karikaturen, bekannt beispielsweise aus der Süddeutschen oder dem STERN, sind bitterböse, aber nie boshaft. Sein Strich ist meisterlich, seine Themen vielfältig, die Umsetzung skurril bis poetisch.
Auf ins Museum: „Reflexionen“ heißt die neue Sonderausstellung im Tegernseer Olaf Gulbransson Museum. Die Ausstellung des in der Steiermark geborenen und seit den 70er Jahren in München lebenden Zeichners war gerade fertig aufgebaut, als das Coronavirus der Eröffnung einen Strich durch die Rechnung machte. Seit Dienstag hat das Museum nun unter Einhaltung der vorgegebenen Hygienevorschriften die Türen wieder geöffnet.
Museum und Corona
Wer sich mit Maske vorm Gesicht und unter Einhaltung des Mindestabstandes in die Ausstellung begibt, vergisst schnell das Ungewohnte dieser Maßnahmen und sogar die Unbequemlichkeit des Mundschutzes. Beim Eintauchen in die Bilderwelt Pepsch Gottschebers betritt man ein Universum ohne Zeit und Raum. Das Porträt des Zeichners eingangs zeigt einen Mann mit Lachfältchen um die Augen. Der leicht spöttische Blick verrät einen feinen Humor und eine wache Beobachtungsgabe. Das dazu eine Liebe zum zeichnerischen Handwerk kommt, sieht man gleich beim ersten Bild.
Pepsch Gottscheber, Fisch. Foto: Privat
Mit feinen Tuschestiften und atemberaubenden Schraffuren jongliert dieser Zeichner altmeisterlich mit Licht und Schatten, mit leichten und schweren Flächen, mit Fantasie und Realität. Bitterböse, aber nie boshaft, ist beispielsweise seine Serie im ersten Raum. Da sieht man, aufs feinste Detail ausschraffiert, all das, was der Nicht-Bayer an den Bayern auch aufs Korn nehmen würde: vom Herz am Klohäusl bis zum Gamsbart am Hut sich raufender Lederhosenträger, die modernen Wilderer, die Gratler und Grantler. Fein, zynisch, ironisch und doch mit liebevollem Blick auf dieses den Steirern nicht so unähnliche Bergvolk.
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Abgründige Absurdität
Mit spitzem Stift und Aquarellfarben nimmt er Zwischenmenschliches aufs Korn, seziert das Sexualverhalten seiner Zeitgenossen, die Balz-, Bolz- und Raufrituale und Fantasien, insbesondere des eigenen Geschlechts. Persifliert mit großen Nasen, dicken Hintern und strammen Wadeln ohne grob zu werden. Zeigt Bild für Bild den Zustand der menschlichen Gesellschaft in ihrer abgründigen Absurdität in irrealen Szenen, die unversehens Wirklichkeit werden könnten.
Pepsch Gottscheber in der NWF am 31.08.2019. Foto: Pepsch Gottscheber
Mit skurrilen Details verkehrt er die Welt. Lässt Tiere menschlich werden. Und Menschen animalisch. Pepsch Gottscheber hat die unterschiedlichsten Charaktere studiert, während er als Fotograf, Siebdrucker, Vertreter, Chauffeur und Beleuchter jobbte. Seit 1971 arbeitet er als freier Zeichner. 1974 erschien seine erste politische Karikatur in der „Süddeutschen Zeitung“, für die er nach wie vor arbeitet. Außerdem zeichnete er regelmäßig für Zeitungen und Magazine wie „Stern“, „Die Zeit“, „Die Presse“, „Weltwoche“, „Tages-Anzeiger Magazin“. Für seine politischen Karikaturen erhielt er 1978 den deutsch-amerikanischen „Thomas-Nast-Preis“. Diesem Teil seines Werkes ist in der Ausstellung ein eigener Bereich gewidmet.
Genau hinsehen, Details erfassen, Nachdenken
Die zeichnerische Arbeit für die großen Zeitschriften und Magazine hat ihn seit über 40 Jahren das tagespolitische Weltgeschehen aufs Korn nehmen lassen. Wer sich Zeit nimmt, diese Bilderwelt genauer zu lesen, erlebt eine hochinteressante Rückschau, die ins Heute reicht. Kohl und „seinem Mädchen“ Angela Merkel beispielsweise begegnet man da und der heutigen Kanzlerin. Dem Fußballfinale zwischen Deutschland und Argentinien 1990 in Rom wohnen die Betrachter ebenso bei wie dem Brexit und Donald Trumps „Alternativen Fakten“, den großen Diktatoren der Welt und den kleinen Landesministern, die sich groß hervortun. Viele der Zeichnungen sind weder betitelt noch zeitlich verortet. Sie lassen den Betrachtern einen größtmöglichen Raum für eigene Einordnungen und Interpretationen. Viele erscheinen hochaktuell, stammen jedoch aus den 80er Jahren. Pepsch Gottscheber lacht gern, merkt man, aber das Zeichnen nimmt er ebenso ernst: Genau hinsehen, Details erfassen, Nachdenken – das ist es, was er auch seinen Betrachtern vermittelt.
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