Für Katja Grollmann war zeitlebens die Situation der Frau wichtig und so war es ihr ein Anliegen, in ihrer Diplomarbeit in Sozialpädagogik die Stärken und kostbaren Seiten der Frau aufzuzeigen. Denn Stärke musste die zarte Person immer aufbringen, um sich und ihre Talente durchzusetzen. Sie erbte das Talent ihrer Mutter, die Schauspielerin oder Schriftstellerin werden wollte, aber sich ihrem Mann fügte und am Herd und bei den Kindern blieb. Sie widersetzte sich auch nicht, als der Ehemann die Publikation ihrer Gedichte und Märchen verbot. Wenigstens die Töchter sollten einen richtigen Beruf lernen, aber beide Schwestern von Katja Grollmann, die damals noch ganz anders hieß, blieben ohne Berufsausbildung und heirateten früh.
Sie selbst nahm ihr Leben in die Hand. Nachdem sie schon als Fünfjährige auf der Straße Ludwig Uhland deklamiert hatte, entschied sie sich mit sieben Jahren, Schauspielerin oder Mutter vieler Kinder zu werden. Für letzteres allerdings sollte es ohne Mann und Heirat abgehen, also am liebsten wäre sie Ersatzmutter in einem Waisenhaus geworden. Letztlich wurde sie beides.
19jährig verließ sie das Elternhaus und ging aus dem Rheinland nach München. Die Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule bestand sie problemlos. Die berühmte Schauspielerin Lina Carstens aus der Jury meinte sogar ernsthaft, dass sie sich im Datum geirrt habe, die Abschlussprüfung sei erst morgen! Schon als 13jährige hatte sie mehrfach den Sommernachtstraum der Landesbühne Rheinland-Pfalz gesehen. Schließlich fragte sie, ob sie mitspielen dürfe. Bei der folgenden Inszenierung des „Egmont“ durfte sie dabei sein, als Statistin, und wurde von Intendant Friedel den Schauspielern als Vorbild hingestellt. Auch der Spielleiter bescheinigte dem jungen Mädchen Talent und empfahl ihr, Stanislawski zu lesen. So übte und trainierte sie und war gut gewappnet.
Aber es waren schwere Jahre. „Ich habe gehungert“, sagt Katja Grollmann heute, denn sie musste ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, 1953/54 waren die Arbeitsmöglichkeiten rar, sie wurde Garderobenmädchen in einem Nachtclub, bis sie merkte, dass man sie ausnutzen wollte. Wie eine Zigeunerin habe sie gelebt, wenn Geld da war, wurde essen gegangen, wenn nicht, brachte sie ihren Wintermantel ins Leihhaus. Neben den Schauspielstunden hörte sie an der LMU Theaterwissenschaft und Philosophie, weil sie die Zusammenhänge des Lebens begreifen wollte. Die Abschlussprüfung machte sie als Beste des Jahrganges und erhielt ihr erstes Engagement in Ingolstadt. Später ging sie nach Essen zu den Ruhrkammerspielen und dann zu einer Tourneebühne. „14 Rollen in 10 Monaten“, erinnert sie sich, das sei schon hart gewesen. Sieben Jahre lang spielte sie Theater.
Dann lernte Katja Grollmann ihren Mann kennen, einen Kunstmaler. Der Wunsch nach eigenen Kindern war bei ihr sofort da. Aber das Theater spielen war ebenso wichtig. „Die Leute sollen hingehen und wach werden“, sagt sie. Sie schaffte es, ein Engagement am Münchner Residenztheater zu bekommen und spielte in „Camino real“, einem Stück von Tennessee Williams. Dann aber entschied sie sich, zu einem Theater in Bad Kreuznach zu wechseln, weil sie dort für ihren Mann eine Stelle als Bühnenbildner ergattert hatte. Und jetzt wurde sie schwanger. Einfach war es nicht, jeden Abend mit Übelkeit auf der Bühne zu stehen. Beinahe hätte sie das Kind verloren, konnte aber nur drei Tage Bettruhe halten, dann war Premiere von Calderons „Über allem Zauber Liebe“ und sie hatte die Mittelpunktsrolle als Circe. Alles ging gut, die Tochter wurde 1964 geboren.
Aber alles andere ging schief, das Theater machte pleite, später kamen noch zwei Söhne dazu und die Ehe scheiterte. Jetzt entschied sich Katja Grollmann zum zweiten Mal, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Nach der Scheidung machte sie über das Telekolleg eine Ausbildung zur Erzieherin. Nebenbei musste sie jobben, der Vater zahlte keinen Unterhalt für die drei Kinder. Mit einem sehr guten Abschluss gestaltete sich dennoch die Stellensuche als schwierig, denn immerhin war sie alleinerziehende Mutter dreier Kinder. Das erste Telekolleg Erzieher war 1972 initiiert worden, weil für diesen Beruf ein großer Bedarf da war. Dennoch verhängte die Stadt München nach erfolgreichem Abschluss der Aktion 1975 einen generellen Einstellungsstopp für Erzieher. Es gelang ihr dennoch, einen ‚Fuß in die Tür‘ zu bekommen, allerdings für die schwierigste Position, die zu vergeben war: Bei 12 ‚erziehungsschwierigen‘ Buben zwischen 14 und 16 Jahren, die wussten, was sie ihrem Ruf schuldeten. Dieser Gruppe stand man allein gegenüber. Dann leitete sie einen Hort mit 20 Kindern. Die Überforderung bescherte ihr 1978 einen kleinen Herzinfarkt.
„Aber ich wollte kein Opfer sein“, sagt sie, sondern sie habe etwas tun wollen, was ihr entspricht. Und so entschloss sie sich für ein Studium der Sozialpädagogik. Da war sie Mitte vierzig! Heute meint sie, dass ihre beiden Spuren sehr viel miteinander zu tun haben. Als Schauspielerin habe sie immer das Gefühl gehabt, mehr als ein Leben zu haben. Alle ihre Figuren habe sie geliebt. Die Werke der Dichter wollte sie lebendig werden lassen. In der Sozialarbeit müsse man sich ebenso in andere Menschen, in andere Leben hineinversetzen. Nur mit Empathie sei diese Arbeit zu bewältigen. Und auch hier habe sie alle Menschen geliebt, mit denen sie zusammen arbeitete.
Nach ihrem Studium arbeitete Katja Grollmann im Sozialreferat der Stadt München. Die Vielgestaltigkeit der Arbeit erfüllte sie. So arbeitete sie engagiert und leitete über die täglichen Aufgaben hinaus das Projekt „Gewalt gegen Kinder“ mit wissenschaftlicher Begleitung. In diesem Rahmen war sie auch Mitautorin eines Fachbuches. Die immer wieder sich stellende Frage in der Praxis, ob ein Kind mit Unterstützung in seiner Familie bleiben könne oder fremd untergebracht werden solle, war belastend. Einmal wurde sie von einem Vater mit dem Messer bedroht.
Auch nach ihrer Pensionierung im Jahre 1997 arbeitete Katja Grollmann noch als Honorarkraft an einer Erziehungsberatungsstelle am Hasenbergl. Hier versuchte sie ihre beiden Spuren zu vereinigen, indem sie ein Kindermitspieltheater zur Gewaltprävention organisierte und leitete, das vom Schulreferat finanziert wurde. Sie stand auch noch einmal selbst auf der Bühne in Sartres „Geschlossene Gesellschaft“. Mit diesem Stück bereiste sie Gymnasien, um den Schülern Literatur nahe zu bringen. Sie machte zum zweiten Mal in ihrem Leben eine Bühnenreifeprüfung, um in die staatliche Vermittlung aufgenommen zu werden. Dass sie trotz ‚erfolgreich bestanden‘ keine Angebote mehr erhielt, akzeptierte sie schwer. Wahrscheinlich hatte sie sich zu wenig gekümmert. Aber sie wollte nicht mehr antichambrieren.
Aber inzwischen lebte sie schon einige Jahre ein Holzkirchen und engagiert sich bei den „Frauen in Schwarz“. Und wieder sind es die Frauen, die mit ihren Mahnwachen für den Frieden die Welt ein kleines bisschen besser machen wollen. Katja Grollmann ist dabei. Und sagt: „Ich bin nicht gelebt worden, alles geschah durch mein Zutun, alles war freiwillig.“
Monika Ziegler
Publiziert 3. Juli 2013