Kind oder Buchstützen?
Bernd Schmidt Cathrin Paul und Emil Ahlhelm. Foto: Petra Kurbjuhn
Theater in Holzkirchen
Was wünschen sich Eltern? Den angepassten oder den unartigen Jungen? Das ist eine der Fragen des großartigen Buches „Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse“ von Christine Nöstlinger, das vom Ensemble des Foolstheaters inszeniert wurde.
So viel vornweg: Das Theaterstück wird dem Buch in jedem Falle gerecht. Ingrid Huber setzt die tiefgründige Geschichte um das Instantkind Konrad intelligent und lebendig um. Da ist schon das bunte Bühnenbild mit lauter Büchern von Christine Nöstlinger, die wild umeinander liegen und zeigen, dass Hauptperson Frau Bartolotti nicht von der ordentlichen Sorte ist, dafür aber konsumwütig. Cathrin Paul spielt sie, die die Worte regelmäßig oder manierlich grausam findet, mit bezauberndem Charme. Mit Schuhen in pink, Strümpfen in rot, geblümten Rock und quietschegelbem Mantel ist sie außerordentlich witzig anzusehen. Man muss sie gernhaben, diese Frau Bartolotti, auch wenn sie unanständige Lieder singt und eigentlich nur vor dem Spiegel sitzt und sich pudert.
Ordnungssinn und Kleinbürgerlichkeit
Wie sie an ihren Freund, den Apotheker Egon gekommen ist, wird ein Rätsel bleiben. Bernd Schmidt spielt diesen superkorrekten Typen mit roter Fliege und schrecklich spießigen Mantel wundervoll blasiert. Seine Gestik und seine Mimik zeugt von Ordnungssinn, Selbstgerechtigkeit und Kleinbürgerlichkeit.
Bravheit in Person
Ja, und dann taucht also Konrad auf. Frau Bartolotti erhält ihn geliefert, in der Konservendose, ob sie ihn wirklich bestellt hat? Sie weiß es in ihrer Vergesslichkeit nicht so genau. Aber er ist da. Und er ist ein merkwürdiger Junge. Er sagt solche Sätze wie „Zehnjährige Buben müssen ihrer Mutter mit kleinen Dienstleistungen zur Seite stehen.“ Emil Ahlhelm, brav gescheitelt, ist zugegebenermaßen ein bisschen groß geraten für einen Zehnjähjrigen, aber er spielt die Rolle bravurös. Die Bravheit in Person, von der Endfertigung seiner Fabrik auf Angepasstheit gedrillt, ist es ihm ein Graus, Süßigkeiten vor dem Schlafengehen zu essen oder gar unanständige Lieder zu singen, wie es ihm seine neue Mutter vorschlägt. Damit kommt er natürlich bei den anderen Kindern nicht an. Und auch Frau Bartolotti hat so seine Probleme mit ihm, allerdings macht ihre Zuneigung zu Konrad ihr Unverständnis ob seiner Bravheit alles wett. Egon ist begeistert und will unbedingt Vater sein, zahlt sogar freiwillig Alimente.
Blaue Männer
Das Idyll zu dritt wird gestört, als die Firma merkt, dass Konrad an die falsche Adresse geliefert wurde und ihn mit aller Macht zurückfordert. Judith Heimerl und Detlef Dauer spielen die blauen Männer der Konservenfabrik, wo die braven Instantkinder produziert werden, beängstigend naturalistisch. Und Kathrin Suda, die die eigentliche Bestellerin des Kindes spielt, ist eine wunderbare Kopie verwöhnter, aufgetakelter Frauen, denen man ständig über den Weg läuft.
Unordentlich und sympathisch
Wie es die unordentliche, sympathische Frau Bartolotti schafft, Konrad aus den Fängen der blauen Männer zu befreien, das soll nicht verraten werden. Nur so viel. Eigentlich hatte sie zwei Buchstützen der Marke „Memoria“ bestellt. Und so nahm das Spiel seinen Lauf. Kinder und Erwachsene haben eine große Freude daran, am Stück, an der Inszenierung und an den Schauspielern. Unbedingt anschauen! Aber erst ab 6 Jahren, denn und das darf verraten werden: Frau Bartolotti klärt die Kinder auf. Nein, nicht so. Sie sagt, dass Christkind, Nikolaus und Osterhase Lügen der Erwachsenen sind. Da tuschelte es schon im Zuschauerraum.