Im Kino mit Jochen Strodthoff
Regieanweisung: So wird geküsst – Jochen Strodthoff spielt einen Theaternarzissten in „All I never wanted“. Foto: Mateusz Smolka
Film am Tegernsee
Nach der Regie des Bühnenstückes „Der Untergang der Titanic“ stand Jochen Strodthoff jetzt selbst vor der Kamera. Er spielt in der männlichen Hauptrolle in „All I never wanted“ – was sonst? – einen Theaterregisseur. Den Film präsentiert er persönlich am Mittwoch, den 11. Dezember im Kino am Tegernsee.
Alles für den Erfolg? „All I never wanted“ erzählt die Geschichte vierer Frauen in der Mediengesellschaft. Sie kämpfen um ihren Platz in einem gnadenlosen Wettbewerb. Die 17-jährige Nina lässt für den Model-Karrierstart in Mailand ihr Abitur sausen – und gerät an die Grenzen. TV-Serienheldin Mareile wird mit Anfang Vierzig durch eine Jüngere ersetzt und versucht einen Neustart am Provinztheater. Die Regisseurinnen Annika und Leonie, die einen Dokumentarfilm über Nina und Mareile drehen, müssen sich entscheiden. Lassen sie sich korrumpieren, um den Film zum Erfolg zu bringen? Und mittendrin Jochen Strodthoff in der Rolle des narzistischen Regisseurs am Provinztheater, in dem sich Mareile nach dem Rauswurf aus der Serie behaupten muss.
Im echten Leben lebt Schauspieler und Theaterregisseur Jochen Strodthoff seit 3 Jahren in Hausham. Er pendelt zwischen Stadt und Land und ermutigt Menschen, über die Grenzen ihrer Sehgewohnheiten zu gehen. Als Kind hat er einen Film von Jean-Luc Godard gesehen. Freilich hat er nicht alles verstanden, aber begriffen: „Es gibt noch eine andere Wirklichkeit, als ich sie kenne.“ Diese Erkenntnis hat ihn geprägt. „Schauspieler, die sich nicht persönlich mit den Inhalten auseinandersetzen, sind bestenfalls virtuos, aber nie mitreißend“, meint er. Nicht wie etwas dargestellt würde, sei wichtig, sondern mit welchem Thema man sich inhaltlich beschäftigt. Als Schauspieler könne man sich die Themen oft nicht selbst aussuchen.
Lesetipp: „Der Untergang der Titanic“ – Theaterstück von Jochen Strodthoff
„All I never wanted“ – Nina ist im Karusell der Modeindustrie gefangen. Foto: Mateusz Smolka
Nach dem Schauspielstudium in Salzburg und einigen Jahren am Stadttheater gründete er mit der damaligen Partnerin in München eine eigene Performancegruppe namens „HUNGER&SEIDE“. Etwa 15 Produktionen entstanden. Beide entwickelten eigene Stücke und führten Regie. Ihre konzeptionelle Arbeit überzeugte. Sie erhielten in Berlin den Georg-Tabori-Förderpreis.
An die Grenzen gehen
„Als Regisseur hatte ich die Möglichkeit, andere Erzählweisen auszuprobieren. Ich durfte Fehler machen und lernen“, sagt Jochen Strodthoff, wenn er zurückblickt. Beim Erarbeiten seiner Stücke animiert er die Spieler, Grenzen auszuloten und auch darüber hinaus zu gehen. Als Regisseur ist er der „Grenzhüter“. Ohne Überschreitungen entstünden für die Zuschauer selten neue Erkenntnisse. Je klarer die Spielregeln, formuliert sind, desto besser könnten die Spieler agieren. „Überschreitet man die Grenzen einer gewohnten, ästhetischen Konvention, entsteht eine neue Definition.“ Das ginge jedoch nur, wenn man „nicht vom Blatt spielt“, sondern Freiräume zulasse.
Schauspieler und Regisseur Jochen Strodthoff lebt in Hausham. Foto: Florian Bachmeier
Im Mai dieses Jahres hat Jochen Strodthoff ein Schauspielseminar im Rahmen von KulturVision gegeben. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es eine Herausforderung, in nonverbalen Übungen, nur mit persönlichen Gesten etwas ausdrücken zu müssen. Aber auch auf die anderen Teilnehmer zu achten und auf sie zu reagieren und die Achtsamkeit in der Gruppe wahrzunehmen, sei eine Erfahrung gewesen.
Lesetipp: Schauspielseminar mit Jochen Strodthoff
Kunst im Alten Rathaus Hausham
Auch abseits der Bühne lotet Jochen Strodthoff gern neue Grenzen aus. Im September engagierte er sich im Alten Rathaus in seiner Wahlheimat Hausham gemeinsam mit dem bildenden Künstler Joss Bachhofer mit der Installation GEDINGE.
Und ab und an kann er es nicht lassen, auch einmal wieder selbst vor der Kamera zu stehen. Die satirische Tragikomödie „All I never wanted“ mit dokumentarischen Elementen basiert auf wahren Begebenheiten. Am Ende steht die Erkenntnis: Wo die Eitelkeit anfängt, hört der Verstand auf.
Kino am Tegernsee prämiert
Der FilmFernsehFonds BAYERN (FFF) zeichnete in der letzten Woche 60 bayerische Kinos aus. Darunter war auch das Kino am Tegernsee und seine Betreiberin Carmen Obermüller – für das herausragend gute und abwechslungsreiche Kinoprogramm. Dazu zählen auch Dokumentarfilme, die von Filmgesprächen mit anwesenden Regisseuren begleitet werden, und die MET LIVE Übertragungen aus der Metropolitan Opera in New York.
Filmtheaterprogrammprämie für das „Kino am Tegernsee“ und seine Betreiberin Carmen Obermüller (rechts). Foto: KN