Kirche als Bühne: Solidarität mit Kulturschaffenden
Kirche mit Vorbildfunktion. Foto: Petra Kurbjuhn
Initiative im Landkreis
Kulturschaffende haben derzeit kaum Möglichkeiten zu arbeiten. Die einzigen Räume, die für Publikum offen sind, sind die Kirchen. Warum nicht beides zusammenbringen und als Kirche Vorbildfunktion übernehmen und sich für die Kulturschaffenden einsetzen, fragte sich Andrea Wehrmann, Kantorin der evangelischen Apostelkirche in Miesbach. KulturVision will sich bei der Verbreitung dieser Idee beteiligen.
In einem Offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder bat KulturVision gemeinsam mit Ingrid Huber und Isabella Krobisch, den beiden Chefinnen der großen Kulturhäuser im Landkreis, sich dafür einzusetzen, dass Kulturschaffende wieder materielle und ideelle Wertschätzung bekommen.
Andrea Wehrmann und Altistin Veronika Castiglione in der Apostelkirche Miesbach. Foto: Manfred Wehrmann
Aber schon seit Mai hat Andrea Wehrmann in Miesbach ein konkretes Beispiel für die Unterstützung insbesondere von Musikern gegeben. Von Mai bis September gab es jeden Sonntag im Gottesdienst besondere Musik mit Orgelbegleitung. Sie lud professionelle Musiker ein, in der Kirche zu musizieren, um ihnen damit die Möglichkeit zu geben, endlich einmal wieder vor Publikum zu spielen und dafür auch ein Honorar zu erhalten.
Orgelkonzerte am Markttag
Darüber hinaus veranstaltete Miesbachs Kulturpreisträgerin Orgelkonzerte am Markttag. Vor 20 Jahren wurde die neue Wünning-Orgel in der Apostelkirche eingeweiht. Dieses Jubiläum sollte Anfang Mai mit verschiedenen Veranstaltungen in einer Orgelwoche gefeiert werden und konnte dann leider nicht stattfinden. Um trotzdem an das Jubiläum zu erinnern, wurden von Mai bis September jeweils am 4. Donnerstag im Monat eine halbstündige „Orgelandacht zur Marktzeit“ um 10 Uhr in der Apostelkirche angeboten.
Apostelkirche Miesbach. Foto: KN
Nachdem die Lage der Künstler weiterhin schwierig bleibt, beschloss Andrea Wehrmann, noch einen Schritt weiter zu gehen: Von Januar bis Juni 2021 gibt es einmal im Monat, meistens an einem Samstag um 19 Uhr, einen Kammermusikabend. Der Kirchenmusikverein hat bereits zugesagt, die Honorare der Künstler mitzufinanzieren. Aber auch das Publikum wird um Solidarität mit den großartigen Musikern gebeten, deren Gage normalerweise mit dem kleinen Kirchenmusikbudget nicht bezahlbar wäre.
Regionalbischof unterstützt Initiative
In einem Brief an den Regionalbischof der evangelischen Kirche Christian Kopp bat KulturVision e.V. darum, diese Idee zu unterstützen und weiterzuverbreiten. Der Regionalbischof sagte sofort seine Unterstützung zu: „Wir setzen uns für Kulturschaffende ein und wir setzen Kulturschaffende ein. Mehrere Kirchengemeinden haben dazu auch Spendenaktionen gestartet, die sehr gut laufen. Wir haben gestern auf unserer Oberbayernkonferenz darüber gesprochen und genau die Bestätigung bekommen. Ich unterstütze diese Idee nach Kräften.“
Michael Hamberger mit Trompeter Hans Kröll. Foto: MZ
Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche gesucht. Andrea Wehrmann wurde bei ihrem katholischen Kollegen Michael Hamberger in Miesbach vorstellig und fand ein offenes Ohr. Auch Matthias Hefter von St. Josef in Holzkirchen ist von der Idee angetan. Auch hier werden Gottesdienste musikalisch gestaltet. Immerhin hat der Pfarrgemeinderatsvorsitzende gemeinsam mit Pfarrer Gottfried Doll die Konzertreihe „St. Josef mit Leben erfüllen“ ins Leben gerufen. Der große Kirchenraum in St. Josef eignet sich in Coronazeiten ganz besonders, um einer größeren Anzahl von Besuchern mit einem Hygienekonzept Raum zu geben.
Michael und Regine Kofler in St. Josef Holzkirchen. Foto: Friedrun Sternath
Pfarrer Michael Mannhardt, Dekan des Dekanates Miesbach, unterstützt den Gedanken und erinnert: „Die Kirchen als sichere, zuverlässige Arbeitgeber haben trotz der Coronakrise keine Kirchenmusiker als Kulturschaffende ausgestellt oder in Kurzarbeit geschickt. Somit unterstützen die Kirchen auch in dieser Hinsicht schon jetzt die Kultur vor Ort und tragen einen wichtigen Teil dazu bei – Dank der Kirchensteuer ist dies möglich.“
„Kirchen spielen derzeit eine Sonderrolle“, sagt Andrea Wehrmann, und ruft deshalb auf: „Als Kirche können wir jetzt Vorbildfunktion übernehmen und uns für die Kulturschaffenden einsetzen!“
Kirche als Bühne am 4. Advent
Am Sonntag, 20.12. (4. Advent) um 17 Uhr findet in der Apostelkirche Miesbach ein Adventskonzert mit der Musikerfamilie Barritt statt. Irisch – amerikanisch – deutsch, das sind Christopher, Sara, Miranda und Katherine Barritt mit ihrer kammermusikalisch ungewöhnlichen Besetzung für Querflöte, Bratsche sowie zwei Celli. Die vier Profimusiker spielen kürzere Stücke von J. S. Bach, Tschaikowsky, Vivaldi, Dvorak, Godard, Clarke, Summer und Humperdinck, dazu einige Weihnachtslieder. Christopher Barritt, viele Jahre Solo-Cellist der Münchner Symphoniker, arrangiert alle Stücke selbst für die besondere Besetzung des familiären Quartetts.