Kirchenasyl

Kirchenasyl und die Kirche im Dorf

Regisseurin Isil Demircan mit Hauptdarsteller Andreas Lechner als Pfarrer Stephan. Foto: MZ

Filmdreh in Fischbachau

Einige Male bereits gewährte die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Neuhaus Flüchtlingen Kirchenasyl in der Martin-Luther-Kirche Fischbachau. Jetzt drehte an diesem Ort eine Filmcrew einen Spielfilm zum Thema. Und der nächste Antragsteller wird nach den Dreharbeiten aufgenommen.

Isil Demilcan studiert an der Zürcher Hochschule der Künste. Für ihre Abschlussarbeit hat sie sich das Thema Flüchtlinge, Kirche und Kirchenasyl vorgenommen. „Die Kirche im Dorf“ soll der Spielfilm heißen, den sie mit ihrer 17köpfigen Crew in Fischbachau dreht.

Die türkischstämmige Filmerin fühlt sich von der stärker werdenden populistischen Bewegung in Europa betroffen und sagt: „Man beruft sich auf die christlichen Werte und hat Angst vor Islamisierung.“ Aber was genau seien diese Werte, etwa Nächstenliebe?

Auf christliche Werte besinnen

Diese werde von den Populisten nicht praktiziert. Und die Kirchen seien leer. „Dort trifft man alte Menschen und junge Flüchtlingsfamilien.“ Sie wolle an die Gesellschaft appellieren, sich auf die christlichen Werte zu besinnen, Menschen zu helfen. „Wir müssen in Aktion gehen.“

Es gebe die Kapitäne auf See und die Kapitäne in der Kirche. Sie habe lange nach einem „Kirchenkapitän“ gesucht. „Pfarrer Matthias Striebeck hat mich sofort mit offenen Armen empfangen.“

Pfarrer Matthias Striebeck
Pfarrer i.E. Matthias Striebeck vor der Martin-Luther-Kirche in Fischbachau. Foto: MZ

Der evangelische Pfarrer im Ehrenamt betont, dass die im Film gezeigte Geschichte so nicht in seiner Gemeinde stattgefunden habe. Isil Demercan habe aber den jüngsten Fall eines Asylbewerbers, dem Abschiebung droht, kennengelernt. Dabei handelt es sich um einen Mediziner aus dem Irak, der soeben die fachspezifische Deutschprüfung erfolgreich ablegte. „Er könnte hier als Arzt arbeiten, wir brauchen einen Landarzt“, sagt Matthias Striebeck.

Irakischem Arzt droht Abschiebung

Aber sein Asylantrag wurde abgelehnt und er muss in seine Heimat zurück. „Dort warten schon Menschen auf ihn, die wollen, dass er stirbt“, erzählt der Pfarrer, denn der Iraker ist schwul. Zwar stehe im Irak Homosexualität nicht unter Strafe, aber es gebe Gerichtsurteile, nach denen Mord an Schwulen nur mit einem Jahr Haft bestraft werde. „Wir haben sofort Widerspruch gegen die Abschiebung, die einem Todesurteil gleichkommt, eingelegt.“

Kirchenasyl, Sven Herteil und Tara Sanatpour
Aufnahmeleiter Sven Hertlein erläutert Schauspielerin Tara Sanatpur die nächste Einstellung. Foto: MZ

Wir sitzen vor der Martin-Luther-Kirche, um uns ist emsiges Treiben, es müssen noch einige Szenen gedreht werden, bevor sich die Crew an den mit weiß-blauem Tischtuch gedeckten Tisch zum Mittagessen setzen kann. Aufnahmeleiter Sven Hertlein kümmert sich um alles, was für die Dreharbeiten im Hintergrund notwendig ist.

Unterstützung von Gemeinde

Er lobt die Unterstützung durch die Gemeinde und Bürgermeister Josef Lechner sowie Berthold Both, der sich seit Jahren um die Flüchtlinge, die auf Abschiebung warten und nicht arbeiten dürfen, tagtäglich kümmere. „Sie haben in Afrika die Todeswüste überstanden, in der Menschenjäger unterwegs sind“, sagt Sven Hertlein.

Kirchenasyl ist Herzensprojekt

„Sie stiegen in Schlauchboote, wo die Chance auf Überleben fifty/fifty war, da schwammen Leichen im Meer und wir sehen das mit viel Abstand im Fernsehen.“ Man arbeite hier am Set zum großen Teil ehrenamtlich, weil es ein Herzensprojekt sei. Und Asylbewerber helfen auch mit. Am gestrigen Freitag lud die Crew zum großen Grillfest ein, um sich vor Ort für die Unterstützung zu bedanken.

Kirchenasyl Set
Am Set. Foto: MZ

Ich darf kurz hinein in die Kirche, wo gerade eine Szene mit dem Pfarrer, gespielt von Andreas Lechner, gedreht wird. Seine Gegenspieler ist Herr Neuhaus, gespielt von dem Haushamer Jochen Strodthoff.

Lesetipp: Sprachlos agieren

Er will, dass die Kirche, in der zwei Asylbewerber Obdach gefunden haben, verkauft und abgerissen wird, bekommt aber Gegenwind von der ganzen Gemeinde.

Kirchenasyl-Ton
Peter Kautzsch ist für den Ton zuständig. Foto: MZ

Wir besuchen noch den Toningenieur und treffen dann Bernhard Both, der Ausstattungsstücke für den Dreh vorbeibringt. „Die Situation ist deprimierend“, konstatiert er, die Abschiebungen gehen ihm nahe, denn um die menschliche Seite kümmert sich das Landratsamt nicht, „das liegt bei mir“. Seit sieben Jahren habe es in Fischbachau keinerlei Streit bei den Asylbewerbern gegeben.

Echte Geschichten im Turm

Nach dem Dreh wird es wieder echte Geschichten im Turmzimmer der Kirche geben. Es handle sich jeweils um sogenannte Dublinfälle, klärt mich Matthias Striebeck auf, Flüchtlinge also, die in das Ersteinreiseland zurückgeschickt werden sollen. Die bisherigen Fälle waren erfolgreich, die Asylsuchenden harrten so lange aus, bis sie ihren regulären Asylantrag stellen durften, der entweder anerkannt wurde oder es wurde subsidiärer Schutz gewährt.

„Wenn das Filmteam weg ist, werden wir jemanden aufnehmen“, erklärt der Kirchenkapitän. „Es gibt nur zwei Bedingungen, erstens wir müssen Zeit haben und es muss Aussicht auf Erfolg geben.“

Nachdem der Film „Kirche im Dorf“ Premiere auf einem Filmfestival hatte, wird er auch im Landkreis Miesbach zu sehen sein. Bitte verfolgen Sie unseren Kulturkalender.

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