Herausragende Klavierquintette beim Musikfest am Tegernsee
Klavierquintette – Musikfest im Gut Kaltenbrunn. Foto: Helge Augstein
Internationales Musikfest am Tegernsee
Das 2. Konzert des diesjährigen Internationalen Musikfestes am Tegernsee wartete mit vier herausragenden Klavierquintetten auf. Interpretiert wurden die Stücke von Julia Fischer und Alexander Sitkovetsky an den Violinen, dem Bratschisten Nils Mönkemeyer, dem jungen Cellisten Friedrich Thiele und dem Koreaner William Youn am Klavier. Die Tenne auf Gut Kaltenbrunn in Gmund bot den stilvollen Rahmen dieses umjubelten Konzerts.
Tenne im Gut Kaltenbrunn. Foto: Monika Heppt
In seiner Begrüßung wies Festivalleiter Helge Augstein auf die international bekannten und renommierten Künstler des Abends hin und gab seiner Freude Ausdruck, dass das Konzert in diesem Jahr wieder vor vollem Haus stattfinden konnte.
Anton Dvorak (1841-1904) Bagatellen op.47
Die Miniaturen oder „Kleinigkeiten“, wie Dvorak sie nannte, entstanden 1878 und erhielten später die Bezeichnung Bagatellen. Jeder der fünf kurzen Sätze ist um ein einziges Thema aufgebaut, das einfach erscheint. Aber schnell erkennt der Zuhörende, wie meisterhaft die einzelnen Stimmen miteinander verwoben sind.
Eingänglich und fröhlich beginnt der 1. Satz Allegretto scherzando mit zarten Pausen nachdem das Klavier die Melodie übernommen hat. Die Geigen setzen ein und nehmen das Thema leichtfüßig auf. Lebhaft und humorvoll gesellt sich das Cello hinzu.
Nach einem langsamen, leisen Beginn treten Klavier und Streicher im 2. Satz Tempo di Minuetto in einen munteren Dialog. Dabei folgt die zweite Stimme der ersten und nimmt den Faden auf. Julia Fischer und Alexander Sitkovetsky streicheln ihre Geigen lustvoll und genießerisch. Friedrich Thiele begleitet die beiden perfekt mit seinem Cellospiel. Und William Youn lässt die Tasten seines Klaviers kraftvoll oder zartsanft mit großem Ausdruck erklingen.
Schnell geht es weiter. Fröhlich, lebhaft, luftig beginnt der 3. Satz Allegretto scherzando. Da schwingt sich das Klavier in kleine Melodien, variiert sie, setzt wieder an und nimmt sie von neuem auf. Die zwei Geigen und das Cello verschmelzen zu einer wunderbaren Klangeinheit.
Im 4. Satz Canon führt die erste Geige zunächst die Melodie, danach setzen Klavier und Cello präzise ein, bevor die zweite Geige ins Spiel kommt. Einfach und doch genial. Im letzten Satz Poco allegro hören wir schnelle, kraftvolle Wechsel. Wieder wird das Hauptthema miteinander verquickt und neu zusammengesetzt. Mit großer Spielfreude und Konzentration beendet das perfekt aufeinander abgestimmte Ensemble die Bagatellen.
Alfred Schnittke (1934-1998) Klavierquintett
Nils Mönkemeyer, gefeierter Bratschist und begeisterter Kammermusiker, erklärt in seiner kurzen Einführung das Werk des deutsch-russischen Grenzgängers Alfred Schnittke. Dieser hat das Klavierquintett 1972 nach dem Tod seiner Mutter begonnen und 1976 fertiggestellt. Seine persönlichen Erfahrungen mit Trauer und Schmerz werden in fünf Sätzen höchst dramatisch umgesetzt.
Auf eine langsame, pianissimo gehaltene Klaviereinleitung durch William Youn wechseln helle, schrille Töne mit dumpfen, dunklen Passagen. Die Streicher setzen mit elegischen Rufen ein und vollenden in einem großen Crescendo.
Darauf folgt unmittelbar der 2. Satz mit dem schon angekündigten Walzermotiv. Als „geisterhaft“ hat ihn der Komponist beschrieben. Tiefen Schmerz ausdrückend wenden sich Julia Fischer, Alexander Sitkovetsky, Nils Mönkemeyer und Friedrich Thiele gegen die Walzerklänge. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle baut sich auf. Wer setzt sich durch im Wechselspiel von Klavier und Streichern?
Ähnlich wie im 1. Satz beginnen auch im 3. Satz Andante die Streicher mit einem Motiv, das Klavier jagt hinterher. Dabei dominieren nun die Streicher und setzen die Akzente. Dissonant, atonal mutet die Passage an. Trauer und Schmerz brechen sich Bahn und steigern sich in heftige Glockentöne des Klaviers. Ein Klopfen erfüllt den Saal. Ohne Pause geht es weiter in die nächsten beiden Sätze. Wieder treten Streicher und Klavier in einen Dialog ein. Heftiges Pizzikato der Streicher verströmt Schmerzenslaute. Wieder pocht und klopft das Klavier. Schließlich kommt es im 5. Satz zu leisen, fast pastoralen, zu versöhnlichen Tönen. Das Quintett beschert einen sanften, harmonischen Ausklang.
Die gefeierten Künstler. Foto: Helge Augstein
Nach der Pause stehen Klavierquintette von Schubert und Schumann auf dem Programm.
Die beiden Werke von Franz Schubert (1797-1828) Adagio, Es-dur D 897 „Notturno“ und Robert Schumann (1810-1856) Klavierquintett Es-dur op. 44 gehören zu den Klassikern und teilweise zu den am meisten gespielten Werken der Komponisten.
Schuberts „Notturno“ lässt sich am besten durch seine Vortragsbezeichnung charakterisieren. Es ist wahrhaft leidenschaftlich, also „appassionato“ und verbindet zwei Grundideen geradezu traumhaft miteinander. Das „Notturno“ besteht aus zwei schönen, eingängigen Melodien, wobei die erste zart und weich, einschmeichelnd und stets in Es-dur gehalten ist. Die zweite Melodie ist eine kraftvolle Volksweise. Beide Melodien wechseln sich ab, kontrastieren in Lautstärke, Takt und Tonart perfekt miteinander. Perfekt und mit großer Spielfreude agiert auch das Künstlerensemble auf der Bühne. Gefühlvoll und empathisch werden sanfte Höhen mit weichen Bögen gestaltet und eindrückliche Triller gesetzt.
Schumann schrieb sein Klavierquintett in wenigen Wochen von Ende September bis Anfang Oktober 1842. Seine Frau Clara Schumann bezeichnete das Werk als „wunderschön, voller Kraft und Frische“ und spielte es häufig und gerne. Vier Sätze voll wunderbarer Melodien, raffiniert aufgebaut mit großen Intervallen, lyrischen Komponenten und pulsierenden Klavierklängen waren in Kaltenbrunn zu hören. Expressiv und mit großartigem Ausdruck erzeugten die Musiker sowohl sanfte, fröhliche als auch dramatische Momente, die das Publikum mit langanhaltendem, heftigem Applaus würdigte.
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