Bergfilm-Festival Tegernsee beim Klimafrühling
Regisseur Harry Putz (li.) und der neue Festivalleiter Tom Dauer beim Klimafrühling im Kino am Tegernsee. Foto:IW
Klimafrühling im Landkreis Miesbach
Der Klimawandel wird zum immer wichtigeren Thema in der Bergsport- und damit auch Bergfilmwelt. Ebendarum widmete das Internationale Bergfilm-Festival Tegernsee in Kooperation mit dem Kino am Tegernsee diesem wichtigen Thema am Dienstag einen Filmabend im Rahmen des Klimafrühlings. Zwei Filme fokussierten aus unterschiedlichen Blickwinkeln den Schutz der unberührten Bergwelt im Alpenraum.
Dass der Klimawandel in vollem Gange ist, bekräftigte am Kinoabend auch das Wetter. Denn von Frühling keine Spur bei Dauerschneeregen seit zehn Tagen, so Michael Pause. Der langjährige Festivalleiter, Filmemacher und Moderator des BR moderierte den Kinoabend gemeinsam mit Tom Dauer, seinem Wunschnachfolger. Der Warngauer Filmemacher und Autor hatte neben dem Film von Harry Putz „Bis zum letzten Tropfen“ auch einen eigenen Film dabei: „Wallride“.
Zweimal Klimaschutz für die bedrohten Alpen
Beide Filme beleuchten die Klimathematik von unterschiedlichen Seiten – und, um in der Bergfilm-Festival-Sprache zu bleiben, Kategorien: Während „Bis zum letzten Tropfen“ eine beklemmende Umweltproblematik im „Naturraum Berg“ ausleuchtet, zeigt „Wallride“ auf bemerkenswerte Weise, welchen Beitrag zum Natur- und Klimaschutz die Bergsportler selbst leisten können.
Die letzten wilden Flüsse der Alpen sind in Gefahr, insbesondere in Tirol steht die Wasserkraft kurz vor dem Totalausbau. Schon heute macht Wasserkraft 95 Prozent der Energiegewinnung aus. Feine Sache, möchte man zunächst meinen. Was vermeintlich nach einer Vorreiterrolle in Sachen nachhaltiger Energie aussieht, ist aber bei genauerem Hinschauen ein ökologisches Armageddon.
Der Filmemacher Harry Putz hat mit der Kamera das naturbelassene hochalpine Platzertal erkundet, welches nach den Plänen des Tiroler Energieanbieters TIWAG aufgestaut und als Pumpspeicherkraftwerk dienen soll. Er befragte Experten, Landwirte und Umweltschützer zu diesem geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal, einem Megaprojekt, das sich über die kompletten Ötztaler Alpen erstrecken soll, und den zu erwartenden Folgen. In „Bis zum letzten Tropfen“ erzählt er die Geschichte der letzten wilden Flüsse und alpinen Naturräume Tirols und von einer Bewegung, die versucht, sie zu schützen.
Das idyllische Platzertal würde bei diesem Mammutprojekt zerstört werden. Foto:Sebastian Fröhlich
„Es ist ein Dinosaurierprojekt“, erläuterte der anwesende Filmemacher im Publikumsgespräch, „das seit 30 Jahren geplant wird und sich mittlerweile überholt hat.“ Er hofft darauf, mit seinem Film einen Beitrag dazu zu leisten, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren: „Viele trauen sich nicht, gegen den Ausbau von Wasserkraft zu sein, weil sie zu wenig informiert sind“, meint er. Dabei gäbe es durchaus Alternativen im Rahmen der erneuerbaren Energiegewinnung, beispielsweise durch Photovoltaik. Sein Film wurde beim letzten Festival mit dem Preis für den besten Beitrag in der Kategorie „Lebensraum Berg“ ausgezeichnet. Harry Putz‘ Schlussappell: „Wir müssen alle sparen.“ Das ginge auch im Kleinen ganz leicht, beispielsweise beim Duschen oder Geschirrspülen.
Klimafreundlich zur Erstbesteigung
Im Film „Wallride“ des neuen Festival-Direktors Tom Dauer zieht Kletterlegende Stefan Glowacz gemeinsam mit Philipp Hans vom Starnberger See aus mit dem Mountainbike und Anhänger los. Ihr Ziel ist es, die Alpen komplett zu durchqueren, sich so weit wie möglich mit dem Rad fortzubewegen, um in Italien, der Schweiz und in Frankreich jeweils eine Erstbegehung zu klettern. Dabei meiden sie Straßen und fahren beziehungsweise schieben teils steilste Trails auf und ab – insgesamt 46.184 Höhenmeter. Schweiß, Schindereien und Deichselbrüche sind vorprogrammiert, als sie den Beweis antreten, dass naturverträgliches Bergsteigen durchaus ohne den bei Bergsportlern beliebten Van funktioniert – nur mit dem Mountainbike und gesamten Kletter-Equipment quer durch die Alpen.
Dass der 1965 geborene Stefan Glowacz ein halbes Jahr vor dem bereits geplanten, ambitionierten Projekt eine Herzoperation über sich ergehen lassen musste, wertete Regisseur Tom Dauer mit einiger Erleichterung im Nachhinein „filmisch“ sogar als positiven Umstand. Freilich nur, weil alles gut ging. Denn damit setzte Kletterlegende Stefan Glowacz neben der Klimabotschaft noch ein anderes wichtiges Zeichen: trotz Niederlagen und Schicksalsschlägen nie aufgeben. Das Besondere an dem Film sei außerdem, so der Regisseur, dass Kletterer und Ausdauersportler Philipp Hans den Großteil des Films neben der sportlichen und körperlichen Belastung selbst gedreht hat – nachdem der Filmlaie zuvor vom Team mit der Kamera angelernt wurde. Lediglich fünf der 66 Tage war das Filmteam um Tom Dauer dabei – angereist mit dem E-Auto, „damit alles sauber bleibt“.
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