Klimaschutz und Freude

Klugscheißer sterben einsam

Licht am Horizont in Sachen Klimawandel? Foto: Anschi Hacklinger

Sonntagskolumne

Ressourcen sparen, das wär’s. Auch oder gerade im Kleinen. Auf die Politiker schimpfen kann jeder, bei sich selbst anfangen ist die größere Herausforderung. Die Autorin nimmt sie an – und je nachdem scheitert sie auch mal, fühlt sich wie der siegreiche David neben dem großen Goliath oder amüsiert sich über ihre leidenschaftlichen Ambitionen, die Welt zu retten.

Ja, ich nehme die Herausforderung immer noch an, aber es gibt Momente, da amüsiere ich mich überhaupt nicht. Mein Zustand: Haare raufen und schreien. Um irgendwann halt doch wieder zu zivilisiertem Verhalten zurückzukehren. Und das heißt: Mund halten. Auch wenn’s schwer fällt. Weil, wenn ich nicht den Mund halte, werd‘ ich zur moralinverseuchten Klugsch…, und das will ich dann auch wieder nicht.

Klimaschutz ist angesagt – und „bewusstes Konsumieren“

„Ich esse ja nur ganz wenig Fleisch“ und Fridays for Future gut finden und versuchen, Plastikmüll zu vermeiden, das gehört mittlerweile zum guten Ton. Und dann doch nach Thailand in den Urlaub fliegen und keine Sekunde drüber nachdenken, ob die fünf Kilometer in die Arbeit nicht mit dem Auto, sondern mit dem Rad zu bewältigen wären.

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Und beim Wirt wird bewusst kein Braten bestellt. Sondern mit bestem Gewissen Salat. Mit Putenbrust. Ich dachte immer, dass es die armen Viecher und nicht die Knödel sind, die eng zusammengepfercht leiden müssen – aber man kann natürlich durch Boykott auch Knödel retten, klar.

Klimaschutz und Freude
Mit dem Flugzeug in den Urlaub? Foto: Anschi Hacklinger

„Holier than thou“

Und alle fühlen sich gut. Ich auch. Päpstlicher als der Papst will und kann ja dann auch keiner sein. Aber immerhin: „Holier than thou“ (heiliger als du) – so nennt sich der Effekt, mit dem wir unser Selbstbild aufpolieren. Ich bin zwar nicht perfekt, aber auf jeden Fall besser als du oder zumindest besser als die Politiker, die Chinesen und die Kreuzfahrtschiffe.

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Über die eigenen „Verfehlungen“ wird großzügig hinweggesehen. Schließlich will jeder das Gefühl haben, ein rechtschaffener Mensch zu sein. Die Frage ist nur: wenn ich es selbst nicht schaffe, meine Gewohnheiten zu ändern, warum erwarte ich es von jemand anderem? Weil ich mein eigenes schlechtes Gewissen damit wegschieben kann. Ein zutiefst menschliches Verhalten.

Denn: Wenn Klimaschutz Verzicht bedeutet….

…haben wir nicht so viel Lust drauf. Wenn man durch eine Fahrgemeinschaft oder den Zugfahrplan unflexibler wird, wenn man im Restaurant zwischen genau zwei vegetarischen Gerichten wählen kann anstatt zwischen zehn Gerichten mit Fleisch, wenn der nächste Wochenendtrip nicht nach Lissabon, sondern „nur“ nach Salzburg geht.

Die mittleren und oberen Bildungs- und Einkommensschichten sind in Deutschland durch ihren Lebensstil überdurchschnittlich am zu hohen CO2-Verbrauch beteiligt, durch mehr Wohnraum, größere Autos, ausschweifende Urlaubsreisen und Wochenendtrips. Dafür fehlt dem Hartz IV-Empfänger gleich schonmal das Geld. Klimaschutz? Aber klar, wenn ich ihn kaufen kann und es vor allem nicht wehtut.

Klimaschutz und Freude
Die Konsumpyramide von www.smarticular.net Foto: smarticular

Man kann den „Verzicht“ aber auch anders formulieren. Gerade veröffentlichte Tele 5 eine Pressemeldung, in der angekündigt wurde, dass der Sender ab sofort auf innerdeutsche Flüge für seine Mitarbeiter verzichtet. Stattdessen sind Zugfahrten angesagt, sagt Kai Blasberg, Geschäftsführer des Senders. Und weiter:

„Raus aus der vornehmlichen Bequemlichkeit und hinein in die schiere Freude des besseren Handelns“

Also dann, liebe Leserinnen und Leser, hinein in die schiere Freude! Handeln. Reden. Hinterfragen. Gewohnheiten in Frage stellen. Am leichtesten ist es übrigens, wenn konkrete Ziele formuliert sind. Nächstes Wochenende bleibt das Auto in der Garage, beim nächsten Grillen gibt es ausschließlich Biofleisch und vegetarische Alternativen, beim nächsten Einkauf bleiben die palmölhaltigen Kekse im Regal.

Und prompt hat sich mein Zustand wieder gebessert. Ich finde, das war soweit freundlich, aber deutlich formuliert. Ich werde nicht einsam sterben. Eine Grabsteininschrift (für den Fall, dass ich tatsächlich in den Himmel kommen sollte) wüsste ich (die mit dem großen Sendungsbewusstsein) trotzdem schon: „Nehmt euch in acht, ihr Engel da oben!“

Klimaschutz und FreudeHinein in die schiere Freude des Handelns…. Foto Pixabay

Interessant wird’s, wo’s konkret wird. Wie sieht mein CO2-Fussabdruck aus? Durchschnittliche 11 Tonnen pro Jahr oder doch mehr? Wieviel CO2 produziert das eigene Auto pro Kilometer? Wieviel entsteht durch die eigenen gefahrenen Kilometer pro Jahr? Bis 2030 müsste der weltweite CO2-Ausstoss um 45% gesenkt werden – da könnte jede/r einzelne ja schonmal anfangen, seine 11 Tonnen zu reduzieren. Mit den folgenden Links geht das Berechnen unkompliziert und schnell – und mit der alternativen Suchmaschine werden gleichzeitig noch Bäume gepflanzt.

CO2-Fußabdruck
Spritrechner
CO2-Emissionen
Erderwärmung

Buchtipp: „Ich brauche nicht mehr“ von Ines Marie Eckermann, nächstes Treffen der Wirkstatt – Anders wachsen am Donnerstag, 27.6.19 um 19:30 in der Weyhalla.

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