Klimaverträgliches Streaming
Think digital green: Unsere Autorin präsentiert ihre Ideen in Valley. Foto: MZ
Tagung des Umweltbundeamtes
Bei einer Tagung des Bundesumweltamtes zum Green Cloud Computing wurde deutlich: Klimaverträgliches Streaming ist am effektivsten mit Glasfasertechnik und geringer Auflösung.
Klimaverträgliches Streaming + Rechenzentren und Cloud-Computing mit CO2-Fußabdruck bewerten + Event des Umweltbundesamts + Stimmungsbild
Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist bei ihrer Begrüßung gut zu sehen. Kein Wunder, denn die etwa 100 Teilnehmenden sind virtuell zugeschaltet. Sie hat Neuigkeiten mitgebracht: „Bislang war die Datenlage zur Klimawirkung digitaler Infrastruktur mehr als dürftig. Darum arbeiten wir daran, die bestehenden Wissenslücken mit guter Forschung zu schließen. Die neuesten Erkenntnisse zeigen uns nun: Klimaverträgliches Streaming ist möglich, wenn man es richtig anstellt und den richtigen Weg zur Datenübertragung wählt.“ Immerhin macht Streaming inzwischen ca. 80 Prozent des Datenverkehrs aus. Das ist eine gewaltige Menge. Was steckt dahinter?
Lesetipp: Welchen Fußabdruck hinterlässt unser digitales Kommunizieren?
Nutzer und Nutzerinnen sollten wissen: Auf das Netz kommt es an! Die neue Studie des Umweltbundesamts arbeitet mit realen Messdaten von einem großen Streaming-Rechenzentrum. Was ist für uns interessant? Entscheidend für die CO2-Emissionen von Cloud-Diensten, wie z.B. Video-Streaming, ist, mit welcher Technik die Daten vom Rechenzentrum zu uns gelangen.
Die Fakten:
- Die geringste CO2-Belastung entsteht, wenn das HD-Video bis nach Hause über einen Glasfaser-Anschluss gestreamt wird. Es entstehen 2 Gramm CO2 je Stunde für Rechenzentrum und Datenübertragung.
- Bei einer Mobilfunk-Datenübertagung mit UMTS (3 G) sind es schon 90 Gramm CO2 pro Stunde.
- Moderne Mobilfunknetze (5G) sind um einen Faktor von mehr als 20 effizienter und damit klimaschonender als alte Mobilfunknetze (3G).
- Videoqualitäten beachten: Ob mittlere oder Ultra-HD-Qualität – das kann das zehnfache an Datenmenge bedeuten, die übertragen werden muss.
- Nicht berücksichtigt wurde der Stromverbrauch des Endgeräts. Hier kann es eine Nummer kleiner sein: Handy statt Laptop zum Beispiel. Wer dazu Öko-Strom hat, trägt zusätzlich bei.
- Weitere Tipps von mir: Bei YouTube die Auto-Play-Funktion abschalten und „Standard Definition bevorzugt“ einstellen. Denn Datenübertragung = CO2
Klimaverträgliches Streaming
Egal ob die neue Serie Ratched, ein spannender Talk über das Weltall oder eine Performance aus der Bayerischen Staatsoper gestreamt wird: Die Umwelt können wir dabei aktiv entlasten. Übrigens: YouTube und Netflix haben wegen der sprunghaft angestiegenen Nachfrage in der Corona-Krise ihren Übertragungsstandard auf SD (Standard Definition) reduziert – möglich ist alles!
Ein Blick hinter die Kulissen – Tatort Rechenzentrum.
Wie können wir Rechenzentren und ihre Dienstleistungen wie Videostreaming, Online-Storage, Software-as-Service usw. ökologisch bewerten? Dazu stellte Jens Gröger (Öko-Institut e.V.) Effizienzkennzahlen für Rechenzentren vor. Mit spezifischen „Green-Cloud-Computing-Indikatoren“ können zukünftig Rechenzentren in punkto Ressourcen für die Herstellung und ihres Betriebs verglichen und Zielwerte festgelegt werden. Das ist ein Meilenstein der nachhaltigen Digitalisierung.
Streaming. Foto: MZ
„Es wird Zeit, dass wir beginnen und nicht immer nur darüber reden.“
Marina Köhn, die sich im Umweltbundesamt schon früh für nachhaltige Digitalisierung stark gemacht hat, fand klare Worte. Ihre Handlungsempfehlungen an die Politik waren eindeutig: Es braucht mehr Transparenz zum CO2-Fußabdruck für Cloud- und Informations- und Telekommunikations-Dienste, einen Energiepass und geordnetes Recycling für Rechenzentren.
Konsumenten und Konsumentinnen, forderte sie, müssen mehr unterstützt werden, wenn sie ihren Daten- und Gerätekonsum reduzieren wollen:
- Sie brauchen Anreize für Datensparsamkeit statt Flatrates und „Gratis-Pakete“. Kunden sollten belohnt werden, die am Monatsende nur wenig Daten verbraucht haben.
- Konsumgewohnheiten sind zu hinterfragen. Wann brauche ich wirklich Videotelefonie mit höherem Datenvolumen? Manchmal tut es auch die „alte“ Sprachtelefonie, wenn kein WLAN zur Verfügung steht.
- Das automatische Abspielen (Autoplay) von Videoinhalten z. B. von Werbetreibenden auf Webseiten soll standardmäßig ausgeschaltet sein.
- Fehlanreize müssen vermieden werden, die zum Austausch funktionstüchtiger Endgeräte führen, wie beispielsweise neue Smartphones alle 24 Monate.
Es liegt ein Policy-Paper, vor, das es in sich hat. Wie sahen das die Teilnehmenden?
Drei Blitzlichter aus der Online-Umfrage, die parallel stattfand:
70 Prozent wünschen sich staatliche Regulierung (z. B. Ökodesign- Anforderungen, Baurecht, Steuern)
63 Prozent möchten mehr Umweltinformationen im Bereich Cloud-Dienstleistungen und zu Rechenzentren.
46 Prozent fanden die Informationslage zu Umweltwirkungen von digitalen Dienstleistungen schlecht, 34 Prozent mittelmäßig.
Mein Fazit: Nach mehr als 2,5 Stunden fühlte ich mich ein wenig müde von zahlreichen Diagrammen und abstrakten Zahlen. Die Referierenden hatten auch hie und da Mühe, die richtige Bezugsgröße zu nennen – wie sympathisch. Wir streben für 2050 ein CO2-neutrales Europa an. Dazu müssen wir alle beitragen. Es gibt noch sehr viel ungenutztes Potenzial, um sich klimaneutraler durch den digitalen Alltag zu bewegen. Dazu müssen wir besser und leichter verständlich informiert werden, um „grünere“ Alternativen zu finden wie beispilesweise beim E-Mailen oder beim Bilder komprimieren. Auch müssen wir endlich wieder aufbereitete, funktionsfähige, Smartphones kaufen können. Aktuell wird das noch viel zu wenig geboten.
Unsere Autorin Susanne Grohs-v. Reichenbach ist Autorin, Trainerin und Digital Business Innovator (zert.). Sie gründete 2019 die Initiative Think Digital Green®
Zum Weiterlesen:
Video-Streaming: Art der Datenübertragung entscheidend für Klimabilanz. Mit Links zu Detail-Informationen. September 2020.
Der CO2-Fußabdruck unseres digitalen Lebensstils. Treibhausgasemissionen durch digitale Aktivitäten. April 2020.