Herzschlagdramatik: Stummfilm mit moderner Livemusik
Filmausschnitt „Die Klosterjäger“. Foto: Laura Jung
Film mit Livemusik in Rottach-Egern
Mehr als hundert Jahre hat der Stummfilm „Der Klosterjäger“ nach einem Roman von Ludwig Ganghofer bereits auf dem Buckel. Aber langweilig und altmodisch ist er deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil. Die Uraufführung der erneuerten Fassung mit der 2020 entstandenen, hochdramatischen Filmmusik des Tegernseer Komponisten Thomas Rebensburg entfachte beim Premierenpublikum Beifallsstürme. Das war begeisternde Livemusik mit 13-köpfigem Orchester zu historischer Filmkunst.
Uraufführung in Rottach-Egern
Barbara Winkler, 1. Vorsitzende des Fördervereins Kunst und Kultur Rottach-Egern, begrüßte das Publikum mit launigen Worten und gab ihrer Freude Ausdruck, dass es wirklich so weit sei und das bereits 2019 initiierte Projekt nun endlich über die Bühne gehen könne. Sie verriet ihre ganz persönlichen Favoriten des Films und stimmte die Zuhörerschaft auf große Theatralik, Pathos, schauspielerische Gestik und Mimik ein.
Filmtitel Klosterjäger Uraufführung. Foto: Laura Jung
Biografie und Filmschaffen
Bevor es aber losging mit Film und Musik gab Georg Höss als „Ganghoferspezialist“ einen kurzweiligen, kenntnisreichen und detaillierten Einblick in den Lebenslauf des Dichters. Geboren 1855 in Kaufbeuren studierte Ganghofer nach dem Abitur in Augsburg zunächst Maschinenbau in München. Später wechselte er zu Literaturgeschichte und Philosophie. 1879 wurde er in Leipzig promoviert. Er nahm Kurse in Zeichnen und Malerei. Immer bewahrte er sich seine Sicht auf die Bergwelt und das Leben der alpenländischen Bevölkerung. Bald begann Ganghofer mit dem Schreiben.
Schon sein Erstlingswerk „Der Herrgottschnitzer von Ammergau“ von 1880 wurde ein riesiger Erfolg. Die Tantiemen des Buches verspielte Ganghofer aber ebenso leicht und schnell. Der Erfolg blieb dem Schriftsteller jedoch treu und ab diesem Zeitpunkt trat er auch als kluger Verhandler seiner eigenen finanziellen Interessen auf. Man könnte ihn als einen der ersten Bestsellerautoren bezeichnen. Seine Heimatromane trafen den Nerv der Zeit. Mit einer Gesamtauflage von etwa 35 Millionen wurden sie zu einem Massenphänomen.
Schon 1918 entstand „Der Jäger von Fall“ als erster Stummfilm unter der Produktion von Peter Ostermayr, dem Begründer der Münchner Lichtspielkunst AG, aus der dann später die Bavaria Film GmbH in Geiselgasteig hervorging.
1920 hatten der „Ochsenkrieg“ und „Der Klosterjäger“ Premiere. Beide Uraufführungen erlebte Ganghofer nicht mehr. Dieser historische Streifen sollte als Doppeljubiläum im 100. Todesjahr des in Rottach-Egern begrabenen Schriftstellers, hundert Jahre nach seinem Erscheinen, mit der Musik von Thomas Rebensburg wieder auferstehen. Nun wurden es halt 102 Jahre. Das Warten hat sich jedenfalls gelohnt. Denn die Idee, die Musik live zur Leinwand mit 13 Instrumental-Solisten darzubieten, erwies sich als genial.
Thomas Rebensburg Klosterjäger-Uraufführung. Foto: Laura Jung
Aus Zuschauen und Zuhören entsteht echte Filmmusik
Innerhalb weniger Minuten zeigte sich die Bedeutung guter, genau passender Filmmusik. Es entspann sich eine Symbiose, ein Wechselspiel zwischen filmischer Darstellung und musikalischer Begleitung, kein Hintergrundgeträller oder gar Ablenkung. Thomas Rebensburg leitete seine Musik, sein Orchester, geradlinig, sanft und mit großen Emotionen, starker Dramatik durch die Gefühlswelten der Stummfilmdarsteller. Den großartigen Bühnenschauspielern gelang dies mit einer riesigen Bandbreite von ausdrucksvollen Gesten und Mimik. Freude, zarte Liebesgefühle, Widerwille, Resignation, Wut und Enttäuschung, Überraschung, Bitten und Flehen, Schmerz, Leid und Trauer spiegelten sich in der dramatischen Schauspielkunst.
Orchester Klosterjäger-Uraufführung Foto: Laura Jung
Die beeindruckende Bergwelt rund um die Berchtesgadener Alpen und den Königssee befeuerten die Dramaturgie der spannenden Handlung zusätzlich. Zuschauen und Zuhören wurden eine Einheit. Denn die Musik von Thomas Rebensburg, der Einsatz der Instrumente, von zarter Violin- und Harfenbegleitung bis hin zu dramatischem Vollklang mit Pauken, Schlagwerk, Horn und Saxofon, ließen ein Gesamtkunstwerk entstehen. Spannend bis zur letzten Minute, mit überraschenden Wendungen, Rückblenden und kurzen Textpassagen zur Information verband sich historische Filmkunst eindrucksvoll mit modernen Musikelementen.
Wie sagte eine Besucherin am Ende der Vorstellung so treffend: „Da hat alles gepasst. Herz und Gefühl, moderne Musik und große Schauspielkunst. Zum Mitfiebern.“