Über das Glück des Bleibens – Teil zwei
Der hohe Himmel im Waldviertel. Foto: Isabella Krobisch
Am 28. August schrieb Monika Ziegler über das Glück des Bleibens in den Ferien.
Rückkehr und wieder Einwurzeln sind indes genauso beglückend.
Zuerst gilt es freilich sich in eine nicht enden wollende Autoschlange einzureihen, denn irgendwann ist es für alle Urlauber Zeit wieder heimzukehren. Erste Zerreißprobe. Taugt die gewonnene Gelassenheit oder hängt sie an einem seidenen Faden? Umkehren? Die nächste Ausfahrt nehmen? Abwarten? Kurz gerät das Gerüst ins Wanken. Dann aber schieben sich beglückende Bilder über die vielen Stoßstangen und Rücklichter der abertausend Heimkehrer.
Orte voller Inspiration
Vom niederösterreichischen Waldviertel bleiben neben der großen Stille der hohe Himmel, Waldstücke und Felder, aber auch die verborgenen Teiche und die Kultur in einer Güte, wie man sie jenseits einer Metropole nicht vermuten würde, haften.
Ich bewundere den Mut so vieler Künstler und Visionäre ohne auf Besucherzahlen zu schielen Galerien zu eröffnen, Symposien zu veranstalten, Theaterhäuser zu gründen. Oder mit großem Enthusiasmus aus baufälligen Landgütern wie Phoenix aus der Asche Kulturzentren erstehen zu lassen. Genauso bewundere ich die Menschen, die sich aus ihren meist abgelegenen Häusern locken lassen oder bis aus Wien in die kleinen Dörfer pilgern. Im Waldviertel ist ein Hunger nach Kultur spürbar, der bei uns im touristisch geprägten Oberbayern längst nicht so ausgeprägt ist. Zu viele Freizeiteinrichtungen laufen ihr den Rang ab.
Blick ins Museum Humanum von Peter Coreth, Kulturbrücke Fratres. Foto: Isabella Krobisch
Vielleicht trägt die Weite des Waldviertels dazu bei, dass die Antennen unter den Künstlern besonders gut funktionieren. Dass sich so oft genau diejenigen finden, deren Verbindungen dann Großes entstehen lassen. Immer wieder rückt dabei die Kulturbrücke Fratres ins Bild, wo Wissenschaft und Bildende Kunst, Philosophie und Literatur, Musik und Tanz einen einzigartigen Nährboden finden. Und wo es einem einzigen Visionär gelungen ist, mit seinem Museum Humanum Weltkultur in der Provinz erlebbar zu machen.
Keine Grenze mehr: Kulturbrücke Fratres
Nur wenige Meter von diesem Inspirationsort entfernt trifft man auf die Nahtstelle Österreich-Tschechien. Dort auf dem Weg von Fratres nach Slavonice befand sich einst der Eiserne Vorhang. Unsere Generation kann sich glücklich schätzen, heute bedenkenlos diese einstige Grenze überschreiten zu dürfen. Voller Erwartung auf die kreativen Nachbarn, von denen so starke Impulse ausgehen. Wie sehr freuen wir uns auf eine Gruppe tschechischer Künstler, die nächstes Jahr in Miesbach ausstellen wird!
Wo einst der eisenre Vorhang stand. Foto: Isabella Krobisch
Mit so wertvollen Begegnungen heimzukehren ist wie Honig sammeln für den Winter.
Beflügelt von einer reichen Kulturregion gelingen auch hier im heimischen Wirkungskreis neue Zusammenschlüsse. Ungewöhnliche Einfälle finden plötzlich Resonanzpartner, Spielräume werden genutzt, Wagnisse eingegangen, Lichter entfacht.
Kontemplation und Aktion
Monika Ziegler hat sich Christoph Quarch zum Vorbild genommen. Für mich war es diesen Sommer ein Satz von Robert Kardinal Sarah: „Für jeden ist die wahre Stille fordernd. Nur jene Menschen, die in die Stille einzugehen wissen, sind auch Herren ihrer Unternehmungen. Die Kontemplation muss der Aktion vorausgehen“.
Nach den Ferien ist es also wieder an der Zeit, zu Hause aktiv zu werden. Am Heimat- und Arbeitsort zu bleiben, Sommer, Sonne und Autobahn hinter sich zu lassen. Maßvoll und besonnen zu wirken. Und dankbar über eine kulturelle Infrastruktur zu verfügen, um die in strukturschwachen Regionen Privatleute mühsam ringen.