Mythos Eiffelturm
Liebhaber der Philosophie: Gastgeber Korbinian Kohler, Schirmherr Willhelm Vossenkuhl und Referentin Barbara Vinken. Foto: Andreas Vogt
Vortrag in Rottach-Egern
Das Korbinians Kolleg bürgt für schillernde Persönlichkeiten und aktuelle Vorträge zu Themen der Zeit. Bei dem dieses Mal eher untypischen Abend ging es um den Mythos des Eiffelturms, dargestellt von der vielfach ausgezeichneten Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken.
Im letzten Vortrag, der im November wie immer im Hotel Bachmair Weissach stattgefunden hatte und vom Gründungsdirektor das NS-Dokumentationszentrum gehalten worden war, ging es um das nicht leicht verdauliche Thema der „Erinnerungskultur“.
Kurz vor Weihnachten lud Korbinian Kohler die renommierte Literaturwissenschaftlerin Barbar Vinken ins Haus. Er stellte sie in seiner Begrüßungsrede als Hannah Arendt der Jetztzeit vor. Beide wären sie attraktive Frauen mit hohem Modebewusstsein, beide außergewöhnliche Philosophinnen. Seine persönliche Gemeinsamkeit mit Barbara Vinken sei die Liebe zu Paris, wo er einige Zeit gelebt hatte und Barbara Vinken immer noch zumindest teilweise wohnt.
Ein langer Lebenslauf
Willhelm Vossenkuhl, Münchner Philosoph und Schirmherr des Korbinian Kollegs, führte die Zuhörer in die Eckdaten des Lebenslaufes der Literaturwissenschaftlerin ein. Der gesamte Lebenslauf wäre 63 Seiten lang, schmunzelte der Professor und beließ seine Ausführung bei einigen wichtigen Lebensstationen.
Barbara Vinken und Korbinian Kohler als Zuhörer von Willhelm Vossenkuhl. Foto: Andreas Vogt
Barbara Vinken studierte in Konstanz und Yale und promovierte an beiden Orten. Nach Unterrichtstätigkeiten an verschiedensten Universitäten unterrichtet sie seit 2004 an der Universität München. Sie hat unzählige Tagungen organisiert, Vorträge gehalten und sich als Buchautorin einen Namen gemacht. Im Jahr 2019 werden drei neue Bücher mit Spannung erwartet.
Die deutsche Mutter
Mit „Die deutsche Mutter“, einem Buch, dessen aufklärende und entmystifizierende Wirkung unbestritten ist, wurde sie einem breiten Publikum bekannt. „Angezogen“ ist eine nicht wegzudenkende Lektüre für Menschen, die wissen möchten, was hinter den scheinbar unvorhersehbar wechselnden Modetrends steht.
Barbara Vinekn im Gespräch mit Willhelm Vossenkuhl. Name: Andreas Vogt
Doch an diesem vorweihnachtlichem Abend am Tegernsee wandte sich Barbara Vinken dem Eiffelturm zu. Obwohl sie gesteht, ihn persönlich hässlich zu finden, ist er unumstritten ein Wahrzeichen für Liebe, Schönheit, Romantik und vielem mehr geworden. Wie ein Magnet zieht er Liebende und Liebeshungrige aus der ganzen Welt an.
Schönheit oder Inbegriff der Hässlichkeit
Als schön wurde er allerdings auch von vielen anderen nicht immer empfunden. Obwohl ein Paris ohne den stolz in den Himmel ragenden Turm heute undenkbar wäre, war das Bauwerk in seinen ersten Tagen heiß umstritten. 1889 rechtzeitig zur Weltausstellung fertiggestellt, wurde er von vielen abgelehnt. Unedles Material habe der Architekt Gustave Eiffel verwendet. Mit dem Eisen holte er Arbeiter und somit Klassenkämpfe in das Herz der Stadt. Protestschreiben gegen das als bodenlos hässlich empfundene Bauwerk waren keine Seltenheit.
Umstrittenes Bauwerk Eiffelturm. Foto: Pixabay
Barbara Vinken führte die Aufmerksamkeit des Publikums zunächst zu einem anderen berühmten Turmbau, dem zu Babel. Das babylonische Sprachgewirr war wohl die Antwort auf den Versuch der Selbsterhöhung des Menschen, die letztlich zum Fall des Turmes führte.
Wahrzeichen der geeinten Nationen
Der Eiffelturm hingegen habe nichts mit Selbsterhöhung zu tun. Er ist ein Wahrzeichen der geeinten Nationen, soll an die Französische Revolution erinnern, eint Arbeiter und Bourgeoisie, Kultur und Natur. Er einte die Franzosen auch gegen den als barbarisch empfundenen Feind, die Deutschen.
Jenseits der symbolischen Funktion des Turms ist er auch ein sehr funktionelles Bauwerk. Im Ersten Weltkrieg wurde er zum Telekommunikationszentrum für das Militär und in Folge für die Öffentlichkeit gesperrt. Als Träger von Radio und Fernsehsendern sowie eines Restaurants stellt er seinen funktionellen Aspekt bis heute unter Beweis.
Was er von seiner Entwicklung vom bekämpften, als hässlich betrachtetem, monströsen Bauwerk zum globalen Symbol für umfassende Liebe verehrten Turm, hält, werden wir nicht erfahren. Möglicherweise erstaunt von den tiefgründigen philosophischen Betrachtungen ragt der Eiffelturm mit bezaubernder Leichtigkeit in den Himmel, glänzt in der Sonne, macht Regentage erträglicher und überstrahlt die hellsten Sterne am Firmament.