KRAFTWERKe in der Kaserne
Antonia Leitner und Dr. Günter Unbescheid im Atelier von Otto Wesendonck in Waakirchen. Foto: Bérénice Salvan
Ausstellung in Lenggries
Die Kunstwoche Lenggries findet in diesem Jahr an einem besonderen Ort statt: Im Casino der maroden Prinz-Heinrich-Kaserne. Im Atelier von Bildhauer Otto Wesendonck in Waakirchen erläutern die Vorstände der Künstlervereinigung, warum sie Kunst in einer Ruine präsentieren und warum das Motto KRAFTWERKe heißt.
Die Kunstwoche Lenggries hat sich längst zu einer überregional angesehenen Ausstellung entwickelt, bei der nicht nur die Mitglieder des Vereins ihre Werke präsentieren, sondern immer auch Gäste, auch aus dem Landkreis Miesbach eingeladen werden. So war auch die junge Bildhauerin Antonia Leitner 2019 mit ihrer aufsehenerregenden Diplomarbeit im Außenbereich des Pfarrheims Lenggries zu Gast.
Als der Vorstand der Künstlervereinigung Lenggries (KVL) neu besetzt wurde, übernahm die im Atelier des deutschlandweit bekannten Bildhauers Otto Wesendonck arbeitende Künstlerin das Amt des 2. Vorstandes. Dieses Ehrenamt habe ihr geholfen, offener und selbstbewusster zu werden, erzählt die 29-Jährige. Es mache Spaß, viele neue Kontakte zu knüpfen.
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Für die herbstliche Kunstwoche habe man jetzt mit der desolaten Kaserne, schmutzig und mit kaputten Fenstern einen Ort gefunden, der vor große Herausforderungen stelle, aber „Ich war sofort verliebt“, gesteht Antonia Leitner. 1. Vorstand Günter Unbescheid ergänzt: „Ich bin von Anfang an von der heruntergewirtschafteten Kaserne begeistert gewesen.“
Antonia Leitner und Dr. Günter Unbescheid erläutern das Konzept. Foto: Bérénice Salvan
Das sei eine Zäsur, ein neuer Akzent, der für Flexibilität und Offenheit stehe. Der Fotograf erzählt, dass seine Zunft verrückt nach solchen „lost places“ sei, denn unsere Zeit sei überfüttert mit einer „Ästhetik der Glätte“, wie es der Philosoph Byung-Chul Han nenne. Dies werde hier durch Konzeptionsloses durchkreuzt und man könne zu Neuem aufbrechen.
Schon immer wurde die Kunstwoche Lenggries nach einem Motto gestaltet, das sich mit tiefgründigen Themen der Gesellschaft auseinandersetzt. Kunst nicht als Dekoration, sondern Kunst als Anregung, als nachhaltig beeindruckend und Kunst mit einer Wirkung auf die Betrachter, das war den Organisatoren wichtig.
KRAFTWERKe für die Kaserne
Auch in diesem Jahr gibt es ein Thema, das zunächst KRAFTWERK hieß und beinhaltet, dass Kunst versucht etwas zu bewegen. „Wir wollten aber nicht eine Kaserne mit dem Begriff Kraftwerk in Verbindung bringen“, erklärt Antonia Leitner, weshalb man jetzt ein „e“ angehängt habe. Damit beziehe man sich nicht auf den Ort, sondern auf die Kunstwerke.
Küche der Kaserne. Foto: Bérénice Salvan
Sie zeigt den Plan der ehemaligen Küche der Kaserne, in der sie auf Podesten ihre Skulpturen zeigen wird. Derzeit arbeitet sie an einer neuen Serie, die sie „Duo“ nennt. Eine ist bereits fertig in der Gusswerkstatt des Hausherrn gegossen, eine zweite steht noch als Gipsmodell im Raum. „ich möchte in der Reihe zeigen, wie sich beide Figuren immer näher aneinanderschmiegen“, erklärt die Künstlerin.
Antonia Leitner mit dem Gipsmodell von Duo. Foto: Bérénice Salvan
Das Thema KRAFTWERKe wolle sie umsetzen, indem sie ihre Skulpturen, angetrieben von einem Motor, rotieren lasse.
Günter Unbescheid wird Fotografien zeigen, die in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in Indien entstanden. Der Fotograf bearbeitet das Thema KRAFTWERKe anhand schamanistischen Praktiken ebenso wie Askese und Weltentsagung. Dabei werden der Schamane und der Asket zum Wegbereiter, indem sie als Mittler kosmischer Energien fungieren und auf den Menschen einwirken.
Schamane. Foto: Günter Unbescheid
Die Kaserne biete etwa viermal so viel Platz wie das Pfarrheim, erklärt er. Dort habe man immer zwischen den Werken der beteiligten Künstlerinnen und Künstler eine Synchronisierung erreichen müssen. Das falle jetzt weg, Jeder habe genug Spielraum für sich.
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Allerdings berge die Kaserne ohne Wasser und Strom eine Menge Herausforderungen für die Künstlervereinigung. „Es ist wesentlich mehr Arbeit, aber wir sind wild entschlossen“, lacht er.
Wie es in Zukunft mit der 1935 erbauten, nach 1945 von den Amerikanern übernommenen und nach deren Abzug von der Bundeswehr von 1973 bis 2003 genutzten Anlage weitergehen wird, werde man abwarten, äußert sich der Vorstand zurückhaltend. „Wir warten ab, wie es ankommt.“ Schließlich wird die Nutzung der Anlage seit Jahren kontrovers diskutiert.
Antonia Leitner mit der Bronzeskulptur Duo. Foto: Bérénice Salvan
„Mein Wunsch wäre es schon, die Kaserne dauerhaft für Kunst zu nutzen“, meint Antonia Leitner und nennt als Vorbild die DomagkAteliers in München, in denen zahlreiche Kunstschaffende ihre Ateliers haben. Aber das müsse man langfristig mit der Gemeinde abklären.
Bei der Ausstellung KRAFTWERKe sind diese Mitglieder der KVL beteiligt: Jürgen Dreistein, Sophie Frey, Ecki Kober, Antonia Leitner, Veronika Partenhauser, Paul Schwarzenberger, Gabi Pöhlmann, Klas Stöver und Günter Unbescheid. Als Gäste nehmen teil: Hermann Bigelmayr, Hannes Kinau, DanielMcCharen, Herbert Saller, Heinz Stoewer, Barbara Urban, Birgit Haberl und Heidi Willberg.