Kreativität im Hintergrund
Anne Hebbeker im Atelier. Foto: Karin Sommer
Bühnen- und Kostümbildnerin Anne Hebbeker
Das Freie Landestheater Bayern erfreut sich hoher Beliebtheit. Neben schauspielerischen und musikalischen Leistungen ist dafür ohne Zweifel auch die Ausstattung verantwortlich. Wer hinter dem Rampenlicht die Fäden zieht, ist die Kostüm- und Bühnenbildnerin Anne Hebbeker. Am zweiten Weihnachtsfeiertag sind in „Hänsel und Gretel“ ihre Kreationen zu sehen.
Während das Berufsbild eines Schauspielers, einer Regisseurin oder einer Souffleuse von den meisten Menschen relativ klar umrissen werden kann, bestehen bei der Kostüm- und Bühnenbildnerin schon größere Zweifel. Sind das nicht zwei Berufe und komplett verschiedene Bereiche? „Ganz und gar nicht“, meint Anne Hebbeker und erklärt, dass Bühne und Kostüm eine Einheit darstellen und sie stets sowohl an den Raum als auch an die sich darin befindlichen Kostüme denkt.
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Beide Bereiche illustrieren die Geschichte, die zuerst einmal erarbeitet werden will. „Was ist wichtig? Wo liegt der Fokus?“ sind Fragen, die sie gemeinsam mit dem Regisseur durchgeht, und somit den Grundstein für ihre Entwürfe legt. Wenn sich die Figuren immer genauer herauskristallisieren, verlegt sich die Arbeit von Anne Hebbeker in ihr Atelier. Den Wechsel zwischen Teamarbeit und den Zeiten, in denen sie sich zurückziehen und alleine mit der Thematik auseinandersetzen kann, schätzt sie an ihrer Arbeit besonders.
Mit Stift und Papier
Jetzt kommt Bewegung ins Atelier, in dem Anne Hebbeker mit Blick auf den Garten zu Klängen von Don Giovanni Kostüme und Bühnenbild zeichnet. Mit Stift und Papier, trotz aller technischen Möglichkeiten. Im nächsten Schritt baut sie Bühnenmodelle, holt Kostenvoranschläge ein, kauft Stoffe, beauftragt Handwerker und gibt die Entwürfe der Kostüme an die Gewandmeisterin weiter. Bis zu einem Jahr dauern die Vorbereitungen für ein neues Stück, bis das Bühnenbild steht und die Maßanfertigungen, die die Charaktere der Schauspieler zur Geltung bringen, fertiggestellt sind.
Hänsel und Gretel. Foto: FLTB
Auf die Frage nach der Ausbildung zu einem so vielfältigen Beruf erzählt sie von einem kurvenreichen, oft auch überraschenden Weg. Aufgewachsen in der DDR, standen ihre Berufswünsche hinter denen des Systems zurück. Sie wollte Hebamme, Psychologin oder Kartografin werden, machte jedoch notgedrungen eine Ausbildung als Technische Zeichnerin. Vor dem Druck des Staates flüchtete sie danach in die Theaterwelt, die sie schon als Kind durch ihre Großmutter, einer Souffleuse, bestens kennengelernt hatte.
Aus wenig entsteht viel
Nachdem sie sich an allen zur Verfügung stehenden Theatern als ungelernte Kraft beworben hatte, erlangte sie eine Stelle in Rudolstadt, arbeitete in der Maske und Requisite und absolvierte nach einer weiteren Anstellung in Rostock die Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Jahre als freie Kostüm- und Bühnenbildnerin an verschiedenen Häusern in ganz Deutschland folgten, bis sich Anne Hebbeker schließlich aus privaten Gründen in Miesbach wiederfand und hier sesshaft wurde.
Die verkaufte Braut. Foto: FLTB
Wenn eine Kostüm- und Bühnenbildnerin in Miesbach lebt, kommt sie wohl kaum am Kulturzentrum Waitzinger Keller vorbei. Als Anne Hebbeker „Nostradamos“ in der Inszenierung des Freien Landestheaters Bayern besuchte, bewarb sie sich als Kostümbildnerin. Seither prägen die Kopf- und Handarbeit der Wahlmiesbacherin die Ausstattung aller Produktionen des Musiktheaters. Die klare Linie des Theaters, das Anne Hebbeker als „traditionell im besten Sinn“ bezeichnet, erlaubt es ihr, trotz der begrenzten technischen und finanziellen Möglichkeiten, optisch ansprechende Bühnenbilder und Kostüme herzustellen.
Anatevka. Foto: FLTB
Die Einschränkungen ihrer Kindheit und Jugend in der DDR, in der sie lernte, aus nichts viel zu machen, erweisen sich heute als sehr hilfreich, wenn es darum geht, mit bescheidenen Ressourcen Großartiges auf die Bühne zu bringen. So bleiben die Ausstattungen der vergangenen Jahre in den Köpfen der Menschen lebendig, wie etwa die fantastische Farbenpracht in „Vetter aus Dingsda“ oder die Kostüme von „Anatevka“, die die Zuschauer die Welt vergessen ließen.
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Solange Anne Hebbeker ihre Arbeit genauso spannend wie bisher empfindet, darf sich das Publikum weiterhin auf wundervolle Ausstattungen freuen. Und da jede Produktion noch ein bisschen besser ist als die letzte es war, heißt es jetzt, auf „Das Wirtshaus im Spessart“ und „Don Giovanni“ vorfreudig und geduldig zu warten. Die Arbeiten dafür sind bereits in vollem Gange.
Dieser Beitrag erschien in der 40. Ausgabe der KulturBegegnungen auf Seite 15.