Künstlergespräch zur Kunstwoche Lenggries
Moderatorin Monika Ziegler, Anni Rieck, Thomas Lenhart, Pfarrer Stefan Huber, Günter Unbescheid (v.l.). Foto: Heidi Gohde
Eine Matinee mit einem Künstlergespräch beschloss die 15. Kunstwoche Lenggries mit dem Titel „NeuGier – Schau hin!“ Anni Rieck, Thomas Lenhart, Pfarrer Stefan Huber und Günter Unbescheid diskutierten das Thema „Aufgabe der Kunst und die Freiheit des Künstlers in unserer Zeit“.
Die Künstlervereinigung Lenggries geht mit ihrer alljährlichen Kunstwoche immer wieder neue Wege. Sie lädt überregionale Künstler ein, auch aus dem Ausland, und sie ergänzt die Ausstellung mit anderen Genres, so in diesem Jahr mit Pantomime, Musik, Texten und dem Künstlergespräch.
Das diesjährige Thema, so hatte KVL-Vorstand Günter Unbescheid bei der Vernissage erklärt, möge den Betrachter ermutigen, Neues zu erschließen, genau hinzuschauen und zu neuer Erkenntnis zu gelangen. Die Kunst ist dazu ein besonders geeignetes Medium, denn, so Unbescheid, sie sei in einer Zeit der globalen Gleichzeitigkeit, in der es an direkter Begegnung mangle, eine Einladung sich auf etwas Neues, anderes einzulassen.
Die Münchner Künstlerin Anni Rieck. Foto: Heidi Gohde
So beispielsweise die Installation „Flieger“ von Anni Rieck aus München. Auf die Frage der Moderatorin, ob sie glaube, dass der Besucher das Smartphone weglege, wenn er ihre Arbeit sieht, antwortete sie: „Wenn er das Smartphone beiseite legt und schaut und entdeckt, dann bin ich beglückt.“ Ihr Installation, die über den Köpfen der Diskutanten schwebte und eigens für Lenggries gefertigt wurde, sei eine Aufforderung zur Konzentration und zur Entschleunigung. Wie eine Schwangerschaft sei der Prozess des Werdens ihrer Arbeit, sagt die Künstlerin. Und dabei komme auch dem Raum eine große Bedeutung zu, der Raum, in dem sich Menschen begegnen können.
Der Metallgestalter Thomas Lenhart aus Schondorf am Ammersee hat vor dem Haus und an mehreren Plätzen Lenggries seine Metallinstallationen ausgestellt, in denen er konsequent den Weg von der Linie über die Fläche zum Raum und darüber hinaus in die Umgebung, also in den Dialog mit dem Betrachter geht. Er habe von der Künstlervereinigung den Auftrag bekommen, einen „Hammer“ für den Rathausplatz zu gestalten. Da die Seilgeschichten immer in seinem Kopf seien, habe er begonnen zu zeichnen und in präziser handwerklicher Arbeit die Installationen geschaffen.
Der Schondorfer Künstler Thomas Lenhart. Foto: Heidi Gohde
Der evangelische Pfarrer Stefan Huber von der Waldkirche Lenggries wendet das Thema „NeuGier“ auf die Kirche an und antwortet auf die Frage, welche Reformation heute notwendig sei: „Eine Besinnung auf das Wesentliche, dass man sich mehr dem Menschen zuwendet und Neugier auf den Menschen hat.“
Der Fotograf Günter Unbescheid hat in seinen Arbeiten das Flüchtlingsthema aufgegriffen und fordert dazu auf, aus der Begegnung Bereicherung zu erfahren. Zu seinen konkreten Erfahrungen befragt, sagte er, dass er in Indien erlebt habe, wie es als Fremder sei. Im Helferkreis in der Jachenau habe man zunächst geglaubt, dass alle Flüchtlinge tolle, integre Menschen seien, aber natürlich gebe es auch hier die ganze Bandbreite des Menschseins. Ressentiments gegen das Fremde seien dort besonders stark, wo wenig Kontakt zu Flüchtlingen bestehe, Neugier also sei auch hier wichtig.
Fotograf und KVL-Vorstand Günter Unbescheid. Foto: Heidi Gohde
Auf die Frage wie sich die Künstler ihre Unabhängigkeit von „den Zwängen des Gelderwerbs“, wie es schon Friedrich von Schiller gefordert habe, bewahren, antworteten alle drei Künstler unisono, dass ihnen diese Freiheit ein Brotjob gewähre. Zum Thema Freiheit des Künstlers in Deutschland meldete sich aus dem Publikum der bekannte Bildhauer Andreas Kuhnlein zu Wort, der im vergangenen Jahr die Kunstwoche mit seinen Skulpturen bereichert hatte. Diese Freiheit, die der Künstler hier im Vergleich beispielsweise zu China habe, sei gleichzeitig ein Auftrag an den Künstler, dass er zum Erhalt der Freiheit einen Beitrag zu leisten habe.
Welche Wirkung also die Kunst hat? Günter Unbescheid sagte: „Unsere Kunst ist ein Angebot und eine Ermunterung, zweckfrei zu betrachten.“ Man wolle Samen ausstreuen, ohne zu belehren. Dass Kunst den Auftrag habe zu erziehen, das fand nicht die Zustimmung der Künstler. Inspirieren ja, aber missionieren nein. Stefan Huber machte klar, dass er seinen Konfirmanden die Begegnung mit Kunst ermöglichen wolle, dass das aber nur ein behutsames Angebot sein könne. Die Kirche könne dazu den Raum geben. Die Wichtigkeit der Arbeit mit Jugendlichen betonte auch Andreas Kuhnlein, der immer wieder Projekte mit Jugendlichen durchführt.
Im Gespräch: Anni Rieck, Thomas Lenhart, Stefan Huber und Günter Unbescheid (v.l.). Foto: Heidi Gohde
Letztlich waren sich alle einig, wie es Stefan Huber formulierte: „Kunst kann den Menschen nicht verändern, aber sie kann der erste oder auch der letzte Schritt in einem Prozess sein, den die Kunst und auch der Pfarrer anstoßen kann.“ Und Günter Unbescheid sagte: „Das ist die Chance der Kunst, dem Betrachter neue Ideen zu vermitteln und so ist ein Kunstwerk ein Katalysator.“