Diversität mit Künstleraugen betrachtet
Hilge Dennewitz „Vier Jahreszeiten“. Foto: IW
Ausstellung in Gmund
Die vierte Gruppenausstellung der fünf DELTA-Künstler trägt den Titel „Diversidad“. Die Vielfalt steht jedoch nicht nur für die unterschiedlichen Arbeitsweisen, sondern für die Herausforderungen unserer Gesellschaft.
Die Künstlergruppe DELTA spannt ihre fließenden Verästelungen von Gmund über Bad Tölz bis Jachenau. An diesen Orten leben Hilge Dennewitz, Norbert Herbert, Peter Remmling, Heinz Stoewer und Günter Unbescheid. „Dort, wo sich der Strom teilt und ins Meer ergießt, gibt er alles preis, was er auf seinem langen Weg mitgenommen hat“, ist ihr Leitgedanke. Das Delta wird dadurch fruchtbar und einzigartig, gleich den Arbeiten der individuellen Deltakünstler. Das Jagerhaus in Gmund mit seinen verschachtelten Räumlichkeiten bietet einen passenden Rahmen für die Diversität der Themen und Arbeitsweisen.
Das Jagerhaus als Delta
Wie in einem Delta verzweigen sich die Wege der Besucher, strömen durch die Räume, die rechts und links des Ganges liegen, um sich schließlich in ein gemeinsames Meer zu ergießen – in den großen Ausstellungsraum, der am Ende des Erdgeschosses liegt. Dort leuchtet den Betrachtern von Weitem das vierteilige, farbenfrohe Bild „Vier Jahreszeiten“ entgegen.
Mit der Musik malen
Wer Malerin Hilge Dennewitz aus Gmund kennt, weiss, dass ihre Bilder entstehen, während Musik durch Pinsel und Farben, durch ihre Seele, Hand und Ohren fließt. „Wieso soll man den Klang nur hören und nicht auch sehen können?“, fragt sie. Im Raum eingangs links hängen ihre zarten Tuschezeichnungen von Musikern nach Skizzen, die während zahlreicher Konzertbesuche entstanden sind. In ihrem großformatigen Bild im Hauptraum, wo Werke aller fünf Künstler präsentiert sind, macht sie mit weichen Pinselstrichen den Klang von Vivaldis vier Jahreszeiten in kräftigen Farben sichtbar.
Künstlergruppe DELTA: Peter Remmling, Norbert Herbert, Heinz Stoewer, Günter Unbescheid, Hilge Dennewitz v.l. . Foto: IW
In diesem großen Raum spricht, nachdem der Strom der Zuschauer durch das Delta hindurch am Zusammenfluss angekommen ist, Günter Unbescheid. In seiner Laudatio zur Ausstellung beleuchtet der Jachenauer Fotokünstler den Begriff der Diversidad, Diversität oder Vielfalt von unterschiedlichen Seiten. Nicht nur als Metapher des biologischen und menschlichen Wohlergehens, sondern als Sinnbild einer Komplexität von Artenvielfalt bis Künstliche Intelligenz stehe das Wort.
Diversität beflügelt Kunst
Auch für Sehnsucht nach Einfachheit und Genügsamkeit in dieser von Vielfalt in Konsum und Entertainment geprägten, globalisierten Welt. Schließlich unverzichtbar sei die kulturelle Vielfalt, als Voraussetzung für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen unserer Gesellschaft, und dazu gehörten Begegnungen, Austausch und Toleranz. So haben sich die fünf Kunstschaffenden verschiedene Bereiche der Diversität vorgenommen und die Unterschiedlichkeit von (Lebens-) Formen, Kulturen und weiteren Assoziationen zum Thema bearbeitet.
Inspiration aus der Vielfalt des Handwerklichen – Peter Remmling – Installation (Ausschnitt). Foto: IW
Peter Remmling aus Bad Tölz verweist in seinen Collagen und Installationen auf die Vielfalt unserer kulturellen Identität, die aus unserem Lebensraum, dem Handwerk, der Schrift und Sprache entstehen. Natürliche Materialien wie Holz und Papier stehen im Vordergrund seines Schaffens, der Bauernhof als Synonym familiärer Strukturen und Ort der menschlichen Begegnungen.
Heinz Stoewer: Diversidad. Foto: IW
Maler Heinz Stoewer aus Bad Tölz füllt mit seinen Arbeiten eine Lücke in der Kunst, die bislang wenig besetzt ist: die erotische Darstellung gleichgeschlechtlicher Liebe und sinnlicher Männerkörper als Sehnsuchtsobjekte. In seinen miniaturhaften oder überlebensgroßen Details muskulöser Männerkörper in Öl auf Leinwand geht es jedoch nicht primär um eine erotische Darstellung, sondern um die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Beziehungen als Bestandteil einer pluralistischen Gesellschaft. Durch vielfältige Lebens- und Beziehungsformen wird eine Gesellschaft bereichert und kann prosperieren.
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Norbert Herbert: „Einheit in Vielfalt“. Foto: IW
Fotokünstler Norbert Herbert aus Gmund hat sich der experimentellen Fotografie zugewandt. Er verfremdet den Stoffdruck eines liebgewonnenen, ausrangierten Oberhemdes, das Menschengruppen zeigt, die sich an den Händen halten. Farbenfrohe Strukturen in vielfältigen, farbenfrohen Variationen sind daraus entstanden, die für das Miteinander der Menschen, Völker und Kulturen stehen.
Günter Unbescheid: Adam. Foto: IW
Die Arbeiten von Günter Unbescheid gliedern sich in zwei Serien: „Fatima“ und „Adam“. Sie spielen in Form von Fotocollagen mit den vielfältigen, sich überlagernden Rollenbildern, Anforderungen und Gefühlslagen ihrer Protagonisten. Während Adam als Prototyp des westlichen Mannes steht, der seine Identität zwischen Gesellschaft, Beruf und Familie, Macho und liebevollem Partner und Vater zu finden sucht, steht Fatima für den Prototyp der aus islamischen Ländern zu uns geflüchteten Frau. Auch sie muss sich in ihrer neuen Rolle im neuen Kulturraum einordnen und wiederfinden. Sie sind Abbilder zwischen Zuständen und Befindlichkeiten, zwischen Eingesperrtsein und Freiheit – von starker Kraft.