Corona frisst Kultur oder Gibt es kreative Lösungen?
Die Sopranistin Elisabeth Artmeier-Mogl beim diesjährigen Rosenmontagskonzert im Barocksaal Tegernsee. Foto: Petra Kurbjuhn
Umfrage zur Lage in der Coronakrise
Künstler befinden sich in Corona Zeiten auf dem Abstellgleis. Kultur findet derzeit nicht statt. Wie geht es den Künstlern derzeit? Dazu haben wir mit einigen Kulturschaffenden im Landkreis gesprochen. Zu Coronazeiten natürlich ausschließlich am Telefon.
Wir wollten wissen, was der kulturelle Shutdown mit ihnen macht. Dazu sagte Stephanie Groß, die Inhaberin der Tanzfiliale Holzkirchen: „Mir fehlen die Menschen.“ Immerhin sieht sie normalerweise ca. 200 Schüler pro Woche in ihrer Tanzschule, bei ihrer Arbeit an Grundschulen und bei Ihren Aktivitäten als Klinik-Clown.
Stephanie Groß und Hubert Jeromin beim Lichtbildfestival 2017 im Foolstheater. Foto: Monika Ziegler
Alle bestätigten, dass sie von der neuen Situation überrollt wurden. Premieren, Auftritte und Vorstellungen wurden von einen auf den anderen Tag abgesagt. Wochen der intensiven Vorbereitung, des Trainings und auch des zeitlichen und finanziellen Investments waren mit einem Schlag dahin.
Die finanzielle Situation ist bei allen Befragten derzeit zwar mäßig bis extrem angespannt, aber fast alle sind im Vergleich zu Solokünstlern derzeit noch in der positiven Situation, dass ihre Existenz auf mehreren Säulen steht.
Regisseurin Sarah Thompson beim Theater Inklusion 2029 im Foolstheater. Foto: Monika Ziegler
So bestätigen die Opernsängerin und Gesangslehrerin Elisabeth Artmeier-Mogl aus Warngau und die Regisseurin für Sprechtheater und Musik- und Theaterpädagogin Sarah Thompson aus Holzkirchen, dass sie sich glücklich schätzen können, dass sie neben ihren freiberuflichen Engagements zusätzlich noch an Musikschulen im Angestelltenverhältnis unterrichten können.
Die freischaffende künstlerische Tätigkeit wird über Gagen oder Honoraren bezahlt, die bei Ausfall der Veranstaltungen jedoch nicht gezahlt werden. Die Teilanstellungen in Musikschulen bieten somit noch etwas finanzielle Sicherheit.
Freischaffende Solokünstler
Wir wollten auch mit freischaffenden Solokünstlern sprechen, die ihr Auskommen ausschließlich über Konzerte, Auftritte bestreiten oder andere Kulturschaffende, die ihre Kunstwerke (Bilder, Fotos, Skulpturen etc.) bei Ausstellungen oder in Galerien verkaufen. Leider konnten wir niemanden für ein Gespräch gewinnen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie ihre Situation nicht der Öffentlichkeit in dieser Form mitteilen möchten.
Andreas Kern als Boandlkramer 2018 in Bad Wiessee. Foto: Ines Wagner
„Ich habe Glück im Unglück“, erklärt Andreas Kern vom Tegernseer Volkstheater. Seine Familie betreibt in dritter Generation eine Spielstätte, die vom Freistaat bezuschusst wird. Seine Frühjahrsproduktion, die am 11. April Premiere gefeiert hätte, wurde abgesagt und um ein Jahr verschoben. Die Dinner-Krimi Events, immerhin 80 im Jahr, werden Schritt für Schritt abgesagt (bisher ca. 25).
Er hofft darauf, dass die Defizite des Theaterbetriebs, die durch die Coronakrise entstehen, von staatlicher Seite ausgeglichen werden. „Als freies Privattheater, ohne Subventionen, müsste ich auf jeden Fall staatliche Hilfen in Anspruch nehmen“, so Kern.
Kreative Lösungen
Die Befragten haben sich in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen kreative Lösungen einfallen lassen. Künstler haben immer viel direkt mit Menschen zu tun, was durch die Pandemie nun seit Wochen vollständig wegfällt.
Digitales Engagement
Um in Kommunikation zu bleiben und auch um Einnahmen sicherzustellen, haben beinahe alle Interviewpartner ihr digitales Engagement stark ausgebaut. Auch die Musikschulen halten über Social Media und IT-Technologien den Kontakt zu ihren Schülern. Das ist auch ein wichtiger Grund, warum Musikschulen noch einigermaßen existieren können. Das bestätigt auch Katharina Wittmann, die in Holzkirchen, zusammen mit ihrem Mann Andreas, eine private Musikschule betreibt.
Duo anaka: Katharina und Andreas Wittmann. Foto: www.anaka.de
„Innerhalb einer Woche wurde der Musikunterricht auf digitale Formate umgestellt. Per Video-Sequenzen, WhatsApp oder Skype wird der Unterricht, zurzeit auch im Dialog angeboten.“ Die Konzerttätigkeit im Duo anaka fällt derzeit komplett aus.
Virtuelle Kulturbühne am Sonntag
Kreativität zeigt sich aber auch durch inhaltliche Ideen. So möchten viele Künstler in dieser Zeit bei ihrem Publikum einfach in Erinnerung bleiben und auch etwas für die Menschen in der Isolation tun. So stellt Stephanie Groß, Tanzschule Holzkirchen Beiträge ihrer Schüler bei der Sonntagsmatinee vor, der virtuellen Kulturbühne von Kultur Valley, der KulturWerkstatt im Oberland und KulturVision.
Wir fragten auch nach, ob die Förderprogramme der Staatsregierung und vom Bund bei den Kulturschaffenden ankommen. Die meisten der Befragten haben aufgrund finanzieller Reserven und einem weiteren finanziellen Standbein noch keine Förderung beantragt.
Lesetipp: Bitte um Hilfe für Kulturschaffende
Diejenigen allerdings, die einen Antrag gestellt haben, machten bisher unterschiedliche Erfahrungen. Auf der einen Seite warten sie schon lange auf eine Antwort, auf der anderen Seite ist nicht klar, ob Kulturschaffende überhaupt für eines der Förderprogramme berechtigt sind.
Soforthilfeprogramm für Künstler
Lange Zeit waren die Voraussetzungen fernab der Realität von freischaffenden Künstlern definiert worden. Das soll sich aber in den letzten Tagen, im Soforthilfeprogramm speziell für Kulturschaffende, geändert haben. Allerdings nur für Mitglieder der Künstlersozialkasse. Wieder andere befinden sich in einer Grauzone.
Dr. Sixtus Lampl, Gründer des Orgelzentrums Valley bei einer Führung 2018. Foto: Monika Ziegler
So bestätigt uns Sixtus Lampl, Orgelmusiker und Betreiber des Orgelmuseums „Altes Schloss“ in Valley, dass er ab dem Shutdown für die folgenden 6 Monate bis zu 40.000 € Unterstützung benötigen würde. Eine gerade vollendete Renovierung der einzigen Kino-Orgel in Bayern, der Ausfall von touristischen Aktivitäten, wie Busgruppen, Führungen aber auch der Wegfall von Konzerteinnahmen sind seine Herausforderung in diesen Zeiten, die neue kreative Lösungen erfordern.
Trotz Krise Optimismus
Trotz Schwierigkeiten kommt bei vielen Künstlern auch in der Krise Optimismus zutage. Für kreative Lösungen sind künstler prädestiniert. So sagt Stephanie Groß: „Menschen die gut improvisieren können, können auch im Leben neue Situationen besser meistern.“ Andreas Kern: „Wie meine verstorbene Mutter Amsi Kern sicher gesagt hätte: Wir haben den 2. Weltkrieg überstanden, dann werden wir dies hier auch überstehen.“
Und Sarah Thompson hofft: „Wenn wir uns daran erinnern, dass wir Teil eines großen Ganzen sind, uns an die Hand fassen und zusammenhalten und einfach tief durchschnaufen, dann kommen wir gut voran.“