Kulturbrücke Fratres: „Schrumpfen oder anders Wachsen?“
Künstler, Organisatoren und Podiumsgäste: Lydia Starkulla, Günther Novak, Lisa Dyk, Heini Staudinger, Irmgard Kaufmann, Klaus Hölzl, Renate Brandner-Weiß, Franz Tišek, Monika Ziegler, Jan Mužak, Josef Baum (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
Bayerisch-österreichischer Thementag im Waldviertel/NÖ
Mobiler Garten? Solartaxi? Die Idee vom „Anders wachsen“ findet auch im Waldviertel große Resonanz. Die Kulturbrücke Fratres stellt gemeinsam mit KulturVision Erfolgsmodelle aus der Region Niederösterreichs vor – in Kunst, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit einigen Überraschungen.
Hoch oben in der Linde das goldene Ei. Was will es uns sagen? Vielleicht: Wir haben uns so manches Ei gelegt, in unserer immer schneller, größer, besser werdenden Gesellschaft. Denn die zentrale Frage ist: Kann es so weiter gehen? Und sollen wir nun „Schrumpfen oder anders Wachsen?“– Genau das war der Titel des dritten Thementages 2017 der Kulturbrücke Fratres an der österreichisch-tschechischen Grenze.
Kulturpartner: KulturVision und Kulturbrücke Fratres
Seit vielen Jahren sind beide Vereine eng verbunden. Es war der vierte Thementag, den Monika Ziegler von KulturVision aus dem Miesbacher Oberland organisierte. Peter Coreth, der mit seinem Team hinter der Kulturbrücke steht, war von der bayerischen Initiative „Anders wachsen“ sofort begeistert.
Mit Josef Baum, Ökonom, Raumplaner und Politikberater, hatte die Kulturinitiatorin einen erfahrenen Mann aus dem Waldviertel an der Seite. In seinem Impulsvortrag „Nachhaltigkeit als Vision und reale Strategie“ sprach er darüber, was alles wachsen, nicht wachsen beziehungsweise schrumpfen könne in der Region.
Podiumsgespräch: Klaus Hölzl, Lisa Dyk, Josef Baum (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
Wachsen sollen beispielweise die Kulturbeziehungen zum Nachbar Tschechien – ein Uranliegen der Kulturbrücke. Jan Mužak stellte im Podiumsgespräch das Schloss Ebergersch (Dobrohor) im nicht weit entfernten Staré Mesto vor. Kein einfaches Unterfangen, das denkmalgeschützte Gebäude in einen Kulturbegegnungsstätte umzuwandeln. Aber ein Unterfangen, dass sich lohnt und Verbundenheit schafft, indem es Künstlern aus Stadt und Land einen Rahmen bietet.
Lisa Dyk von der Dykmühle sprach darüber, wie Bio-Mehlprodukte nicht nur die Region bereichern, sondern auch in Afrika ein Wertschöpfungsprojekt fördern. Klaus Hölzl stellte das Konzept seines Gasthofs „Auszeit“ vor, wo 100%ig regional gekocht wird. Über das „Solartaxi Heidenreichstein“ informierte Renate Brandner-Weiß vom ÖKOLOG Umweltwissensnetzwerk und Irmgard Kaufmann sprach über die Arbeit des Frauennetzwerkes.
Heini Staudinger und Josef Baum (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
Heini Staudinger, der unbequeme „Schuhrebell“ und GEA-Chef aus Schrems, regte zu Dankbarkeit an, „weil wir alles in Fülle haben, was wir brauchen“: Wasser, Lebensmittel, Dach überm Kopf, Geld. „Unsere Aufgabe besteht darin, unserer Sehnsucht zu folgen, nicht den Zwängen von Konsum, Geld und Geltungssucht“, sagte er, „aber wir sollen nicht Bittsteller sein, sondern wir müssen fordern und in Eigenverantwortung losmarschieren, statt zu jammern.“ Das traf den Kern des Podiumsgespräches und das Publikum diskutierte leideschaftlich mit.
Lydia Starkulla und Günther Nowak. Foto: Petra Kurbjuhn
Bayerisch-österreichisch wurde der Thementag noch einmal, als Schauspielerin Lydia Starkulla Kurzgeschichten aus der Schreibwerkstatt von KulturVision zum Thema „Anders Wachsen“ las. Außerdem gab die Holzkirchener Schauspielerin in kurzweilige Passagen Einblick in das Buch „Anständig leben“ von Sarah Schill.
Musikalisch begleitet wurde sie dabei von Vollblut-Lokalmusiker Günther Novak und seinem Akkordeon. Die humorigen, bewegenden, augenzwinkernden und sehnsüchtigen Texte vom „Woidviertler“ Novak lenkten noch einmal auf all die Facetten, die ein anständiges Leben ausmachen; und auf die Sehnsucht, die Heini Staudinger zuvor beschworen hatte.
Installationskünstler Franz Tišek. Foto: Petra Kurbjuhn
Doch noch einmal zurück zum goldenen Ei. Das hat der Wiener Installationskünstler Franz Tišek gemeinsam mit Lenka Holíková hoch oben in der Linde befestigt. Mit Markus Hiesleitner schickte er einen „mobile garden“ von Wien aus auf eine „Landpartie“ ins Waldviertel. Bäume und Pflanzen, insbesondere invasive Pflanzen, haben es ihm angetan, sind sie doch gleichwohl ein Symbol der Globalisierung. In seinen Werken liegt eine starke Ambivalenz.
Franz Tišek: Neophyten. Foto: Petra Kurjuhn
In Porzellan gegossenes Herkulessäulenstängel liegen, Knochen einer archäologischen Ausgrabungsstätte gleich, auf einem schwarzen Tuch. Hängend klingen die Stiele aus weißem Porzellan in hellen Tönen, stehen still in der Wiese. Was ist Vergangenheit, was Zukunft? Die sehr unterschiedlichen Installationen des Wieners regen zum Nachdenken an. Tišek hat sie eigens für und in Fratres entwickelt. Sie sind in der Woche vorm Thementag am Ort entstanden. Die Arbeiten des Künstlers korrespondierten mit der Upcycling-Kunst aus Weggeworfenem und wieder Zusammengesetzten von Pia Dogana.
„Da Woidviertler“ Günther Nowak: Hausverstand. Foto: Petra Kurbjuhn
Kunst und Kultur eröffnen neue Wahrnehmungskanäle, statt zu missionieren, ist die Botschaft von Monika Ziegler. Und Günther Novak brachte zum Schluß noch einmal auf den Punkt, was wir alle zum „Anders wachsen“ brauchen: „Hausverstand“.