Nebeneinander, miteinander, gegeneinander?
Markus Ederer, EU Botschafter in Moskau und Kabarettist Gerhard Polt beim Schlierseer Gespräch. Foto: Cordula Flegel
Podiumsgespräch beim Schlierseer Kulturherbst
„Europa und Russland“ war das Thema des Schlierseer Gespräches zur Verständungungskultur zwischen Markus Ederer, EU-Botschafter in Moskau, Kabarettist Gerhard Polt und den Gästen. Das Podiumsgespräch der vom Josefstaler Elefant initiierten Reihe traf den Zeitnerv – denn das interessierte Publikum hatte zahlreiche Fragen.
„Auf politischer Ebene herrscht momentan ziemliche Funkstille“. Mit dieser bedauerlichen Feststellung startete der EU-Botschafter in Moskau das Schlierseer Gespräch. Der ehemalige Staatssekretär im Außenministerium vertritt in Moskau 500 Millionen Europäer, „darunter Deutsche, Bayern und Schlierseer“. Seine Arbeit in Moskau erklärt er so: „Wir machen Politik für die Leute“. Und die Leute, die am Sonntag zahlreich ins Schlierseer Bauerntheater gekommen waren, interessierten sich für das Thema. Unter ihnen waren außerordentlich gut über die Situation in Russland informierte Menschen, die darauf brannten, ihre Fragen an den Botschafter zu stellen. Dieser gab zunächst einen kurzen Überblick über die Lage in Moskau. Der derzeitige Zustand der Funkstille auf politischer Ebene sei weder ein natürlicher, noch ein Dauerzustand, betonte Ederer. Russlands Kultur sei stark europäisch geprägt. Deshalb sei es wichtig, darauf zu achten, dass Russland nicht weiter von Europa weg nach Osten abdrifte.
Agenten, Militär und Hacker
Die Skripal-Affäre im April dieses Jahres, bei der ein russischer Ex-Agent und seine Tochter in Großbritannien Opfer eines Giftanschlages wurden, beschäftigte die Gäste im Publikum genauso stark wie die weltweiten wiederholten Hackerangriffe. „Was daran ist wahr?“, wurde beispielsweise gefragt, und „was bringt es Russland, solche Hackerangriffe zu starten?“
Interessierte Fragen aus dem Publikum beim Schlierseer Gespräch. Foto: Cordula Flegel
Brisant war auch das Thema der Annexion der Krim und der prekären Situation in der Ostukraine. Russland habe damit eine Antwort auf die Erweiterung der NATO und EU gegeben, dieser klare Völkerrechtsbruch sei jedoch durch Nichts zu rechtfertigen. „Keiner darf sich mit Gewalt von dem anderen etwas nehmen“, hielt der Botschafter fest. Ebenso wenig dürfe eine Regierung zwei Geheimdienstler in ein anderes Land schicken, die auf fremden Boden jemanden umbringen. Da müsse Europa ganz klar Stellung beziehen und sich wehren.
Interessant waren auch Markus Ederers Ausführungen zum sogenannten „Russki Mir“. Ins Deutsche übertragen bedeutet das sowohl „Russische Welt“ als auch „Russischer Frieden“ und steht für die Verantwortung, die Russland für die im Ausland lebenden Russen übernimmt. Deren Interessen im Staatssinne zu vertreten, bedeute zugleich Einmischung in die Angelegenheiten der anderen Staaten. Darunter litten insbesondere die Beziehungen zum Baltikum.
„Was kommt nach Putin?“
Auch die Rolle des Präsidenten der Russischen Förderation wurde erörtert. „Putin ist ein enttäuschter Europäer“, stellte Markus Ederer klar. Die derzeitige Russlandpolitik sei auf die empfundene Zurückweisung durch Europa zurückzuführen. Wladimir Putin indes balanciere in seinem Land unterschiedliche Gruppen, von denen einige deutlich noch rechter und radikaler agierten. Wenn er ginge, entstünde vermutlich ein Vakuum, gleich dem, was Deutschland erleben würde: „Wer kommt nach Merkel?“
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Trinken gern eine „Russ’n Maß“: Markus Ederer und Gerhard Polt beim Schlierseer Gespräch. Foto: Cordula Flegel.
Interessant war auch, mehr über die Arbeit des EU-Botschafters in Moskau selbst zu erfahren. Immerhin lenkt er eine Gruppe aus 28 Einzelbotschaftern, welche die Interessen ihrer jeweiligen Länder vertreten, die teils stark auseinanderklaffen. Um den „Gruppenspirit“ zu fördern, sei folglich Kultur ein geeignetes Mittel, so Ederer. So organisierte er beispielsweise ein Europäisches Filmfestival in Minsk, das großen Anklang fand. Dort, wo grenzüberschreitende Kulturprogramme zwischen Russland und den Nachbarstaaten laufen, sind auch die Beziehungen deutlich besser.
Was tut sich kulturell zwischen Deutschland und Russland?
Aus dem Publikum kam sogleich ein Vorschlag, die Beziehungen Russland-Schliersee zu verbessern, beispielsweise mit einer russischen Kulturwoche.
„Freibier ist revolutionär“ ergänzte dazu Gerhard Polt lachend und hob seine „Russ’n-Maß“ – das Biergetränk wird übrigens in diesem Jahr 100 Jahre alt. Der Kabarettist erinnerte daran, dass der ehemalige Bürgermeister Moskaus schon einmal in Schliersee war und eine Delegation von Schlierseern mit 24 Bierfässern in Moskau im Bolschoi Theater. „Das könnten wir wiederholen“.
Fazit: Kultur verbindet und schafft Gemeinsamkeiten – das war eine starke Botschaft zum Ende des Gespräches, in dem Markus Ederer zusammenfasste, dass es immer der richtige Weg sei, nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame hervorzuheben. Wichtig sei auch, immer wieder zu versuchen, die andere Seite zu verstehen. Verstehen sei dabei aber nicht etwa Verständnis und erst recht nicht Einverständnis, aber ein wichtiger Schlüssel in der Politik und der Gemeinschaft.