Die Kraft der Wiederholung
Barbara Nedbal (Malerei) und Katrin Hering (Papier) v.l. Foto: IW
Ausstellung in Bayrischzell
Zwei Künstlerinnen präsentieren derzeit ihre Werke in Bayrischzell: Katrin Hering und Barbara Nedbal. So unterschiedlich ihre Ansätze sind, in einem ticken sie gleich: Sie lieben Strukturen und deren Wiederholungen und sie geben ihren Bildern Zeit, sich zu entwickeln.
Was dem ersten Anschein nach zwei unterschiedliche Herangehensweisen und Bildsprachen sind, ähnelt sich auf den zweiten, genaueren Blick auf verblüffende Weise, so als haben die beiden Künstlerinnen vorsätzlich Komplementäre geschaffen. Dabei ist es nicht gewollt, sondern zufällig. Wie gut sich die Papierarbeiten von Katrin Hering und die Malereien von Barbara Nedbal ergänzen, hat Micol Krause derart fasziniert, dass sie daraufhin beide zur gemeinsamen Ausstellung an den Tannerhof in die „Galerie im Treppenhaus 1967“ lud.
Blick in die Ausstellung: Barbara Nedbal (Malerei) und Katrin Hering (Papier) v.l. Foto: IW
Das Gemeinsame, das den Arbeiten innewohnt, ist das große Interesse an den Strukturen der Welt. Das Schwingen und Klingen in der Natur, das Vergehen der Zeit steckt in ihnen. Während die Papierkünstlerin aus Miesbach ihre Inspirationen aus den Strukturen und Formen der Berge zieht, ist es das Wasser und seine fortwährende Beweglichkeit, das sich in den Arbeiten der Malerin aus Prien am Chiemsee wiederfindet.
Leuchten von Innen
Die Papierarbeiten sind schlicht in Weiß gehalten, die Malereien in leichten, warmen Tönen, trotzdem ist die Intensität der Strukturen beziehungsweise das Leuchten der Bilder kraftvoll. Die Wirkung entfaltet sich den Betrachtern, die innehalten und sich den Bildern widmen, statt sie im Vorbeieilen aus dem Augenwinkel zu betrachten. Auch deshalb ist der Tannerhof genau der richtige Ort.
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Papierkunst Katrin Hering (Ausschnitt). Foto: IW
Katrin Hering ist ihrer Faszination für Papier gefolgt und hat sich dem Material verschrieben, der Präzision des Handwerks wie der Papierkunst gleichermaßen. Das Mathematik- und Sozialwissenschaftsstudium und auch die Arbeit in der IT-Branche haben zwar ihren Sinn für das wissenschaftlich Präzise gestärkt, das Umsetzen mit den Händen indes war ihr wichtiger als die blanke Theorie. Die Sommer verbringt sie mit Kindern und Tieren droben auf der Alm. So ist es kaum verwunderlich, dass sich die alpinen Bergpanoramen, die schroffen Formen der Felsen oder die Regentropfen vor der Almhütte in ihren Papierarbeiten widerspiegeln.
Starres Textil wird zu fließender Textur
Mit Buchbinde- und Lederwerkzeugen bearbeitet sie das starre Material, bringt Löcher, Schlitze, Öffnungen, Aussparungen in die Blätter, lässt verzauberte Landschaften entstehen, bis die Struktur des Papiers die Weichheit und Stofflichkeit von Textilien erreicht. Je mehr Löcher und Perforierungen, desto flexibler das Papier. Mit jedem Blickwinkel, jedem Lichteinfall verändern sich die dreidimensionalen Landschaften.
Barbara Nedbals Fische symbolisieren das Lebendige, Fließende, Stille in der Bewegung (Ausschnitt). Foto: IW
Auch die Bilder von Barbara Nedbal verändern sich mit Licht und Perspektive des Betrachters. Sie gewinnen an Tiefe, je länger sie angesehen werden. Das liegt vor allem daran, dass die Künstlerin nicht irgendwelche Farben verwendet. Sie mischt historische Pigmente, seltene Erden, edle Mineralien, Muschelweiß aus Austernschalen und Marienglas mit Eitempera. Damit grundiert sie ihre Bilder mit jeweils acht Schichten, bis sie eine enorme Tiefe und Strahlkraft besitzen. In ihnen widerspiegelt sich die Zeit. Die Nachbarschaft der Farbtöne wirkt kostbar.
In jedem Bild fließt die Zeit
Statt die Bilder mit Lack zu versiegeln, poliert die Künstlerin die Oberflächen sorgfältig mit einer Ziegenhaarbürste. Alles hat eine Bedeutung, alles entsteht aus der ruhenden Mitte heraus, die Prozesse dürfen dauern. Am Ende sind die Bilder in Bewegung wie das Wasser. Fische schwimmen auf dem vielschichtigen Untergrund. Manchmal sind es Kimonostoffmuster, kostbare Strukturen allenthalben, tonig in zarten Farben, die zu schweben scheinen.
Barbara Nedbal – Mitte. Foto: IW
Aus der Mitte heraus im wahrsten Sinne des Wortes sind auch die Tuschebilder entstanden. Strich für Strich – ein zuhöchst meditativer, künstlerischer Prozess, der Tage dauert. Hier treffen sich beide Künstlerinnen unerwartet in ihrer Liebe zu kleinen, feinen Formen und deren nahezu endlosen Wiederholungen, die sich gleich Mandalas zu einem zarten und zugleich starkem Ganzen fügen.