Kunstspaziergang durch die Silberstadt Schwaz
Die Burg Freundsberg ist das Wahrzeichen der altehrwürdigen und kunstsinnigen Silberstadt in Tirol. Foto: Peter Hörhager/Fotoarchiv der Stadt Schwaz
Kulturtipp Tirol und Buchrezension
In der Reihe Schwazer Kostbarkeiten ist ein neuer Band erschienen: „Kunst im öffentlichen Raum in Schwarz“. Recherchiert und geschrieben hat ihn Autor Peter Hörhager. Er lädt dazu ein, die Kunstschätze der Silberstadt in Tirol mit neugierigen, offenen Blicken kennenzulernen.
„Kunst ist ein Bilderbuch, in dem man stundenlang blättern kann“, sagt Autor Peter Hörhager. „Ein Blick nach oben, ein Seitensprung in einen (offenen) Innenhof, ein bewusster Augenkontakt mit oft sonst unscheinbaren Fassaden …“ Dass der Journalist die alte Silberstadt Schwaz zärtlich liebt und ihre Schätze bewundert, ist unverkennbar. Generationen von Schwazern hätten über Jahrhunderte hinweg den öffentlichen Raum der Stadt zu einem Kunstraum gemacht. Und das möchte er jetzt einem breiten Publikum zeigen und dazu einladen, offenen Auges durch die Stadt zu gehen und historische wie gegenwärtige Kunstschätze zu entdecken.
Sieben Kultur-Touren
Peter Hörhager hat sieben interessante Spaziergänge ausgearbeitet, auf denen man die einstige Silberstadt in einem kulturellen Sternmarsch erkunden kann. Er lässt seinen begeisterten Blick liebevoll durch die Straßen und Plätze schweifen, über Brücken und Dächer, entlang an Fassaden, um Ecken und über Mauern, schöpft dabei aus dem Vollen und präsentiert die Reichtümer der einst wohlhabendsten Stadt Österreichs detailliert und geschichtskundig.
Der Band präsentiert Prachtbauten und Kapellen, Denkmäler, Ausschmückungen, Fassadengestaltung und künstlerische Kleinodien, die man in der Eile des Alltäglichen leicht übersehen kann, wie beispielsweise kleine Fassadenmalereien und historische Wirtshaus- und Zunftschilder. Jahrhundertealte Kostbarkeiten sind ebenso darunter wie Arbeiten zeitgenössischer Kunstschaffender. Geschichtliches und kunsthistorisch Bedeutsames gibt sich die Hand mit Wissenswertem und kleinen Anekdoten. Einzig den Kirchen wird in diesem Band weniger Platz eingeräumt, für sie gibt es innerhalb der Reihe „Schwazer Kostbarkeiten“ eine eigene Publikation.
Der prächtige Fassadenschmuck am Rathaus von Schwaz: Madonna mit dem Kind. Foto: IW
Den Startpunkt der Kultur-Touren durch Schwaz bildet der im Jahr 1964 von Josef Opperer geschaffene Silberbrunnen am Stadtplatz und der Bereich um das prachtvolle, um 1500 erbaute Rathaus, das sogar ein Kulturdezernat beherbergt. Besonders ins Auge fällt dessen reich verzierte Fassade mit Bilddarstellungen verschiedener Heiliger des Schwazer Künstlers Christoph Anton Mayr aus dem Jahr 1760. Auch innen gleicht das Rathaus einem Museum: Neben der Stöcklkapelle aus der Erbauungszeit gibt es unter anderem im zweiten Stock eine Statue des hl. Nepomuk, die einst auf der Steinbrücke stand. Die zweite Tour entlang der Franz-Josef-Straße widmet sich dem Besuch von Kaiser Max im Jahre 1493 und klärt die Frage, warum ein Elefant auf einem der zahlreichen kunstvoll gearbeiteten historischen Wirtshausschildern prangt.
Kometenhafter Aufstieg der Stadt
Die größte gotische Hallenkirche Tirols mit vier Kirchenschiffen und zwei Türmen, ein Friedhof, der zum Park wurde und kunstvoll gestaltete Arkaden wecken das Interesse auf der dritten Tour. Kaum ein anderes Bauwerk könnte so eindrucksvoll vom kometenhaften Aufstieg der Stadt durch den Silberbergbau erzählen wie die imposante Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Damals hatte Schwaz 20.000 Einwohner und war damit die zweitgrößte Stadt Österreichs. Nicht kleckern, sondern klotzen, fanden die Schwazer, als sie für die Planung den Münchner Baumeister und Bildhauer Erasmus Grasser verpflichteten.
Die Schwazer Pfarrkirche ist die größte gotische Hallenkirche Tirols, imposant sind die sehr seltenen Doppelschiffe. Foto: IW
Der einstige Hauptaltar, geschaffen von keinem geringeren als dem Nürnberger Baumeister Veit Stoß, wäre heute wohl Weltkulturerbe, hätte man ihn nicht im 18. Jahrhundert durch einen barocken und diesen später durch einen klassizistischen ersetzt. In der Kirche zeugen Gedenktafeln von den verstorbenen Fuggern, die den Reichtum der Stadt vermehrten. Die Arkaden, die sich an die Kirche anschließen, bilden eine Galerie alter und zeitgenössischer Kunstwerke.
„Vom Zentrum in die Einöde“ führt die vierte Tour – ausgehend vom Silberbrunnen westwärts in die Innsbrucker Straße. Unterwegs passiert man eine fast zwei Etagen überspannende Christopherus-Figur am fünfgeschossigen Wagner-Haus aus dem 16. Jahrhundert. Das um 1500 erbauten Mathoi-Haus beherbergt heute das Zentrum für Geschichte und Kultur der Silberstadt Schwaz und ist ebenfalls einen Besuch wert.
Historische und moderne Glasfenster
Von Brücke zu Brücke, vorbei an historischen Sgraffiti, Bildsäulen und Brückenfiguren führt der fünfte Spaziergang. In der neuen Wohnanlage auf dem ehemaligen Zöher-Areal begegnet man der „Sophia in den Rosen“. Geschaffen hat die zeitgenössische Stahl-Bronze-Skulptur der Mauracher Bildhauer Markus Thurner.
Markus Thurners Skulptur „Sophia in den Rosen“ (Ausschnitt) steht in einer neuen Wohnanlage in Schwaz und ist nachts beleuchtet. Foto: IW
Nachdem man in der alten Spitalskirche die historischen Glasfenster in der Apsis besichtigt hat, lohnt sich ein Abstecher ins Krankenhaus zu den modernen Glasfenstern von Sr. Antonia Thurnher in der dortigen Hauskapelle. Auch ein Sgraffito von Adolf Luchner am ehemaligen Gesundheitsamt, das Paracelsius zeigt, unterstreicht die Bedeutung, die Schwaz einst hatte. Der berühmte Arzt weilte mehrmals in der Silberstadt, um die Krankheiten der Bergswerksknappen zu studieren.
Fugger-Residenz ist heute Teestube
Das Fuggerhaus überstand als eines der wenigen Objekte den großen Brand von Schwaz im Krieg gegen Napoleon 1809 unbeschadet. Ulrich Fugger erbaute es um 1525. Foto: Peter Hörhager/Fotoarchiv der Stadt Schwaz
Vom Silberbrunnen hinauf zum Wahrzeichen von Schwaz, der Burg Freundsberg passiert die sechste Tour nicht nur das Franziskanerkloster, sondern zahlreiche altehrwürdige Bürgerhäuser mit reich geschmückten Erkern, Sgraffiti und Skulpturen. Beim Konvent-Friedhof begegnet man dem bronzenen „Jesus am Berge“ von Ludwig Penz sowie der eindrucksvollen Lourdesgrotte mit einer prächtigen Marienstatue. Das imposante, einstige Anwesen der Fugger beherbergt heute nicht etwa die Wohnstatt eines neureichen Industriellen, sondern die „Teestube“ des „Vereins Sozialprojekte in Schwaz“. Höhepunkt ist schließlich das „G’schlössl“ – die Burg Freundsberg mit ihrer reichen Geschichte.
„Jesus am Berge“, geschaffen vom Schwazer Bildhauer Ludwig Penz. Foto: IW
Um eine Bilderbibel, unterschiedliche Fassadenheilige, ein Kirchl und ein Schlössl geht es schließlich bei der siebten und letzten Tour. Hier wird ein Abstecher ins geschichtsträchtige Franziskanerkloster gemacht, das Haus der Künstler Franz und Josef Kobalt besucht, mit der Pirchanger-Kapelle ein sakrales Kleinod und schließlich das Minkus-Schlössl, das gleich einem Dornröschenschloss auf einen Erweckungskuss wartet.
Der Kreuzgang im Franziskanerkloster ist eine „Bilderbibel“ besonderer Art. Fr. Wilhelm von Schwaben erschuf den Bilderzyklus zwischen 1519 und 1526. Foto: Peter Hörhager/Fotoarchiv der Stadt Schwaz
Peter Hörhagers mit Geschichtswissen und kleinen Anekdoten angereicherten, detaillierten Beschreibungen können an dieser Stelle nur angeteasert werden. Viel reicher, bunter, voller, erstaunlicher sind die Straßen und Gassen, Plätze und Gebäude von Schwaz. Immer wieder sind es reizvolle Gegensätze, welche die abwechslungsreiche Kunststadt bereichern. Schwaz liegt nur knappe 50 Kilometer vom südlichen Ende des Landkreises, vom Tegernseer Tal, entfernt und ist ein lohnendes Ziel für einen kulturvollen Stadtbesuch.
Zweiter Band geplant
Bürgermeisterin Viktoria Weber und Autor Peter Hörhager bei der Buchpräsentation. Foto: Fotoarchiv der Stadt Schwaz
Die Bürgermeisterin der Stadt Victoria Weber schlug vor, die Kunstschätze zweibändig zu präsentieren. Der Grund: Es gäbe so viel Kunst im öffentlichen Raum in Schwaz, dass sie gut und gern zwei Bände fülle. In diesem Sommer erschien zunächst Band eins. Er konzentriert sich auf das Zentrum der Stadt, auf den westlich des Lanbachs gelegenen „Markt“. Es ist bereits der 16. Band der „Schwazer Kostbarkeiten“, welche die Stadt Schwaz herausgibt, und zahlreiche davon schrieb Peter Hörhager.