Kunst mit Kulisse in Bayrischzell
Besucher in der Kunstausstellung Bayrischzell. Foto: mi
Ausstellung in Bayrischzell
Die Kunstausstellung Bayrischzell zeigt zum 69. Mal, was in ihr steckt. Mit einem starken Auftritt bleibt sie eine der Top-Ausstellungen in der Region.
Öl und Acryl, Fotografie und Collage, Tusche und Radierung, Draht, Kork und Metall, Skulpturen aus Holz und Keramik – die Kunstausstellung Bayrischzell protzt einmal wieder, was Kreativität und Vielfalt der ausgestellten Kunstwerke angeht. „Wir haben insgesamt 72 Bewerbungen mit 200 Werken erhalten“, erzählt der Ausstellungsleiter Burkhard Niesel. Etwa die Hälfte der Künstler stammt dabei aus der Region und so soll das laut Niesel auch bleiben. „Aber die Ausstellung ist eben auch offen für Künstler aus ganz Deutschland und darüber hinaus.“ Die Auswahl der Werke erfolgte dieses Jahr durch die beiden Kunsthistoriker Isabel Oberländer und Dietmar Kroepel, die insgesamt 57 Künstler mit 108 Exponaten einjurierten.
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Abstrakte Malerei dominiert
Auffällig ist, dass – wie überhaupt in allen regionalen Ausstellungen — nach wie vor die abstrakte Malerei dominiert. Gleich im Eingangsbereich hängt ein gewaltiges Triptychon namens „Triade“ von Marica Doll, das die ganze Wand einnimmt. Eine Besucherin mit Hut ist begeistert.
Triptychon von Marica Doll. Foto: mi
Fast expressionistisch und an die Blauen Reiter erinnern die Ölbilder „Sonnenuntergang“ und „Tanz der Farben“ von Elisabeth Schmähling.
„Tanz der Farben“ von Elisabeth Schmähling. Foto: mi
Glück ist es, wenn man beim Ausstellungsbesuch eine Künstlerin antrifft – in diesem Fall Karoline Haberzettl, die zwei Handdrucke ausstellt und gern auch ihre Technik erklärt. „Man muss einen Druckstock anfertigen“, erläutert sie, „indem man zum Beispiel Holz oder Linol mit Schnittwerkzeugen bearbeitet, muss diesen Druckstock dann mit Farbe berollern und anschließend per Hand auf Papier drücken.“ Sie habe in diesem Fall allerdings Styropor benutzt, in das sie ein Drahtgebilde eingearbeitet hat. Und wie dann das Muster entsteht?, wird sie gefragt. Das, antwortet sie lachend, entstehe irgendwie ganz von selbst.
Karoline Haberzettl mit Diptichon. Foto: mi
Raum für Realismus
Aber auch für die Liebhaber der realistischen Malerei wird — wenn auch in geringerem Umfang — gesorgt. Zwei Porträts verdienen es dabei, besonders hervorgehoben zu werden – der mysteriöse Frauenkopf von Gitte Berner-Lietzau sowie ein halb fertig scheinender Männerkopf von Florian Weingärtner. Weingärtners Porträt ist perfekt gehängt, der Mann schaut einem sofort in die Augen, wenn man den Raum betritt. Zwei Schafsbilder in Acryl (Ingeborg Benninghoven), von denen man meint, dass sie mit Kohle gezeichnet sind, sind meisterlich gemacht. Schön ist es im Übrigen, dass auch etliche Ölbilder hängen — ein Medium offenbar, das immer seltener genutzt wird. Die „Sprungturmperspektive bei Sturm“ (Angelika Böhm-Silberhorn) besticht durch ihre Lichteffekte auf dem Wasser, der Katalone Pere Camps, der zu den zehn Prozent neuen Künstlern in der Ausstellung gehört, zeigt zwei Küstenlandschaften, und Horst Beese präsentiert dem Zuschauer ein meisterhaftes Paradies, in dem man allerdings nicht hängenbleiben möchte.
„Unterwegs“ von Horst Beese. Foto: mi
Fotografie, Collage, Objekt, Skulptur
Die Anzahl der Fotografien, „Digiprints“ und Digitalfotografien ist enorm. Neben realistischen Motiven findet sich Phantasievolles, Poetisches und durchaus auch politisch Aktuelles, wenn zum Beispiel Maria-Brigitta Lankowitz mit ihrer „Endstation Sehnsucht 1 + 2“ unserer Gesellschaft den Spiegel vorhält. Auch Christine Holzmann greift mit ihren witzigen Upcycling-Projekten das aktuelle Thema der Nachhaltigkeit auf. Andere Objektkästen spielen mit dem Wort („Schlossgeschichten“ von Tutti Gogolin), Gabriele Stolz entführt in eine surreale Objekt-Traumwelt in unsere Vergangenheit.
Und schließlich: Der Ausstellung wäre nicht Genüge getan, würde man nicht die Holz- und Keramik-Skulpturen erwähnen, die sich stimmig in die Räume fügen.
„2 qm – ub 01 und ub 02“ von Maximilian Glanz
Ein Urlaubstag vom Feinsten
Der Ausstellungsbesucher ist überwältigt. Schön wäre es, wenn ihm der Rundgang mit einer stringenteren, komplementären Hängung erleichtert würde, auch kommen einige Bilder nicht hinreichend zur Geltung, weil sie die falsche oder ein Zuviel an Nachbarschaft haben. Ein Wunsch für die Zukunft wäre es darüber hinaus, die Liste der Künstler, Werke und Preise kompatibel zu machen mit der Hängung. Das ständige Hin- und Herblättern stört den Kunstgenuss. Und schließlich: Vielleicht könnten die Ausstellungsmacher zum 70. Jubiläum einen Kunstkatalog editieren — die Künstler und ihre Werke verdienen es.
Die Ausstellung ist wie immer ein Muss und eine Bereicherung für jeden Kunstliebhaber. Wenn man den Ausstellungsbesuch darüber hinaus mit einem Spaziergang im wunderschönen Voralpenland kombiniert und mit einem Besuch in einem der vorzüglichen Bayrischzeller Cafés und/oder Restaurants abrundet, dann hat man einen herrlichen Urlaubstag verlebt.