Maidemo Slash Vernissage
Brigitte Yoshiko Pruchnow, Micol Krause, Bettina Krugsberger und Katrin Hering (v.l.) vor der Pop-up-Galerie in Miesbach. Foto: Robert Krause
In Miesbach gibt es eine neue Pop-up-Galerie. Vernissagen sind zwar aufgrund der Pandemie nicht möglich. Demos schon. Das birgt Potenzial für die Kunst – und bringt die Leute zusammen: auf die Straße.
„Kunst und Corona – Künstler unterstützen und Kunst sichtbar machen“, der Satz passt nicht nur als Headline eines Beitrages oder Slogan in den sozialen Netzwerken. Er fasst auch das Anliegen der Kunstszene zusammen, wenn es darum geht, eine Demonstration während der Pandemie anzumelden. Dass daraus eine Maidemonstration der ungewöhnlichen Art wurde, ist der Kürze der Zeit, der Spontanität und dem Zufall geschuldet. Nur eine Woche hatte Micol Krause nach der Zusage, den ehemaligen Verkaufsraum der „Jeanseria“ in Miesbach als Pop-up-Galerie zwischen zwei Vermietungen zu übernehmen. Wie gut, dass ihre drei Künstlerinnen quasi in den Startlöchern standen. Laden putzen, Scheibenbeklebung entfernen, Kunstwerke auswählen und den Raum bestücken, Werbetrommel rühren, Demo anmelden – et voilà.
Zehn Schaufenster mit Kunst
Bereits seit einem Monat gibt es die „Galerie Micol Krause – pushing artists“, angefangen zunächst als Projekt auf Instagram. Und nun mit zehn Schaufenstern, in denen wieder etwas zu sehen ist, statt die gähnende, anklagende Leere des nicht übersehbaren Ladensterbens, das auch vor der Kreisstadt nicht haltmacht. Die umliegenden Ladenbesitzer sind ebenfalls froh, dass sich wieder etwas tut in der Bahnhofstraße in Miesbach.
An der Wand: Malerei von Brigitte Yoshiko Pruchnow, vorn: Forschungskästen von Bettina Krugsperger. Foto: IW
„Wir brauchen dringend etwas Heiteres, das Kunst und Künstler sichtbar macht“, bringt Micol Krause ihre Motivation auf den Punkt. Am Tannerhof, wo sie mit der Hofkultur auch die Ausstellungen der „Galerie im Treppenhaus 1967“ organisiert, ist es seit November zappenduster. „Natürlich gab es immer wieder Phasen, die enorm deprimierend waren“, beschreibt die Kultur- und Filmschaffende die letzten Monate, „aber überwiegend juckte es mich in den Fingern, etwas zu tun“. Ihre Energie wollte gebündelt werden zu einem Coronaprojekt – ohne Fixkosten, niedrigschwellig, unkompliziert und effektiv. Daher zunächst der Start auf Instagram und nun die Zwischennutzung des Ladens – die nahtlos überfließen kann zur nächsten Aktion des Miesbacher Kunstpfades – mit „Kunst im Schaufenster“.
Über Wahrnehmung reflektieren
Wer vom Bahnhof aus auf den Laden zukommt, dem leuchten aus den Fenstern und von den Wänden des Innenraumes die großformatigen Malereien von Brigitte Yoshiko Pruchnow entgegen. „Über die Wahrnehmung reflektieren“ sollen die Betrachter, so ihr Anliegen. Die Lichtreflexe in bewegtem Wasser sind Momentaufnahmen. Sie zeigen Menschen, die just in diesem Augenblick zentriert sind, ganz bei sich, und haben geradezu etwas Meditatives, trotz ihrer lebendigen Bewegtheit. Die Künstlerin wünscht sich, dass die Betrachter über das Wahrnehmen hinaus gehen, eine Suche durchlaufen, das scheinbar Reale auflösen und in die Bilderwelt hineintreten.
Kunst und Corona: „Impft Euch mit Kunst“. Foto: IW
Der „Behausungsgedanke“ beschäftigt Bettina Krugsberger seit Längerem. Die Künstlerin, Musikerin und Grafikdesignerin arbeitet mit Bienenwachs, aus dem fragile, experimentelle Objekte entstehen. „Wo hört Bekleidung auf und wo fängt Behausung an?“, fragt sie, und weist auf die Bekleidung als kleinste Einheit der Behausung hin. Die Objekte ihrer „Forschungskästen“ und in Wachs getauchte Bilder aus Papier und Fadenstickereien wirken fragil. Immer wieder tauchen Elemente aus der Welt der Insekten auf, Wesen die sich „intelligent“ behausen – was lässt sich ableiten davon für die Menschen?
Drinnen und draußen
Fragil sind auch die gestanzten Bilder der Miesbacher Papierkünstlerin Katrin Hering. Löcher, Schlitze, Öffnungen, Aussparungen bilden verzauberte Landschaften, die sich mit jedem Blickwinkel, jedem Lichteinfall verändern. Auch kostümbildnerisch verwendet sie das empfindliche Material – und lässt hierbei Farben wirken, die Freude versprühen. Draußen der Lärm der Straße, drinnen meint man das Papier der Kostüme rascheln zu hören, das Krabbeln in den Forschungskästen und das glucksende Aufsteigen der Wasserblasen an einem sonnendurchfluteten Tag. Begehen lässt sich die Ausstellung nicht. Durch die zehn großzügigen Schaufenster jedoch öffnet sich ein einladender Kunstraum für zufällige und zielstrebige Passanten.
Coronaconform für die Kunst. Foto: Robert Krause
Corona, Kunst und Resilienz
„Impft Euch mit Kunst … hat gute Nebenwirkungen!“, lässt sich auf Nele von Mengershausens Demo-Plakat lesen. Die Nebenwirkungen sind offenkundig: „Fantasie. Humor. Lebendigkeit.“ Um Irritationen und Missverständnissen sogleich vorzubeugen: Die Künstlerin aus Bayrischzell meint nicht „Impft mit Kunst statt mit Impfstoff“, aber auf die Rolle der Kunst in der Krise, auch als wichtigen Antrieb für Gemüt und Stärkung der Resilienz möchte sie hinweisen. Sie hofft, dass es bald wieder losgeht mit Leben am Tannerhof und der Hofkultur und auch mit den Projekten, die der Verein Kultursprung in der Pipeline hat.
Lesetipp: Die „Pionierwerkstatt“ von Kultursprung e.V. – sie soll fortgesetzt werden
Dialog bleibt wichtig. Wie auch Begegnungen lebenswichtig bleiben. Austausch. Sich gegenseitig Mut machen, trotzdem Kunst- und Kulturprojekte planen. Corona-konform und auf Abstand, mit findigen Ideen, Kunst zu zeigen, wie mit dieser Demo/Vernissage, auf der sogleich wieder neue Projektideen geboren wurden. Auch wenn es nur 25 Leute waren, die dabei sein konnten. Es gibt viele Wege zu zeigen, dass Kunst und Kultur sichtbar sind, trotz schwieriger Zeit durch die Pandemie.