Zurück und in die Zukunft
Kunst trifft Wissenschaft: Fotokünstler Chris Tille im Gespräch mit Astrophysiker PD Dr. Torsten Enßlin in der Galerie SMUDAJESCHECK. Foto: IW
Ausstellung in München
Eine Zeitreise 14 Milliarden Jahren zurück zum Urknall und vorwärts in die Zukunft des Jahres 2297 machten die Besucher der Galerie Smudajescheck in München. Der Tegernseer Künstler Chris Tille diskutierte dabei seine faszinierenden Fotoarbeiten mit Torsten Enßlin vom Max-Planck-Institut und Jost Hecker improvisierte erstaunliche Cello-Klänge über Planeten. Wie das?
„Schaut in die Sterne, nicht auf eure Füße“. Mit dieser letzten Videobotschaft des weltberühmten Astrophysikers Stephen Hawking eröffnete Galeristin Charlotte Smuda-Jescheck die Ausstellung des Tegernseer Fotokünstlers Chris Tille. „Seid neugierig“, habe Hawking den Menschen aufgetragen. Und neugierig schauten am Donnerstag die Besucher der Vernissage auf die Sternenbilder Tilles. Er sei, so erklärt er, nachdem die gegenständliche Fotografie ihm nicht mehr ausgereicht habe und alles irgendwann schon einmal fotografiert gewesen sei, immer mehr zur abstrakten Fotografie übergegangen.
Vom Mikrokosmos zum Kosmos
Vom Mikrokosmos vor seiner Haustür ging die künstlerische Entwicklung zunächst hin zur Visualisierung von Klängen. Auch die Sterne hätten ihn seit jeher interessiert. Aber erst die Studien des amerikanischen Wissenschaftlers John Cramer zum Urknall hätten ihn derart gefesselt, dass er seine Aufmerksamkeit konkret auf astrophysische Phänomene richtete.
NEW HORIZON. Foto: Chris Tille
Die faszinierenden Bilder des Fotokünstlers sind weltweit einzigartig. Sie beeindrucken Laien wie Wissenschaftler gleichermaßen. Kein Wunder, dass auch Torsten Enßlin, promovierter Astrophysiker und Leiter am Max Planck Institut, von Tilles Arbeiten begeistert war. Im Gespräch denkt er lachend an den Anfang des inspirierenden Austausches zurück: „Da kam ein Künstler, der den Urknall rekonstruierte – was konnte das sein?“ Imponiert hatte ihm dann, dass Chris Tille nicht nur Daten farblich visualisierte, wie schon viele vor ihm, sondern ernsthaft versuchte, hinter deren Bedeutung zu blicken. Die dadurch in aufwendiger Arbeit entstehenden Kunstwerke sind höchst ästhetisch und in ihrer Bildsprache aufs Wesentliche reduziert. Dennoch tragen sie die Botschaft des Universums in sich.
Kunst und Wissenschaft Ausstellung
Chris Tille gelang es, die erst 2013 von Wissenschaftlern in Daten erfassten Schallwellen des Urknalls in Pixel umzuwandeln und als Lichtpunkte darzustellen: in seinem beeindruckenden Bild „BIG BANG“. Mit „NEW HORIZON“ visualisierte der Künstler dann die Energie aus der Kollision zweier schwarzer Löcher und damit den Beweis von Einsteins Theorie der Gravitationswellen.
Die regelmäßige Struktur der Bilder besteht aus Hell- und Dunkelpixeln, die sich aus Lautstärke und Frequenz generieren. Ist beispielsweise der Sound der Planeten ein in sich pulsierendes, systematisches Klangsystem, war der Ton des Urknalls ein auf- und abschwellendes tiefes Brummen.
Cellist Jost Heckers eindrucksvolle Improvisationen über Sounddateien von Planetenklängen. Foto: IW
Bild- und Sounddateien astrophysischer Phänomene
Und so wurde die Vernissage nicht nur durch Bilder, sondern auch durch Töne, durch Sehen und Hören, zum Genuss. Der angesehene Münchener Cellist Jost Hecker improvisierte mit seinem Instrument über einer Sounddatei des Urknalls, die Chris Tille wiederum als Basis zur Umsetzung seines Bildes diente. Das kosmische Knattern und Brummen mischte sich eindrucksvoll mit den Klängen des Cellos, das unter Heckers Händen und Bogen gestrichen, gezupft und sanft geschlagen wurde.
Chris Tille (2.v.r.) mit Besuchern vor seinem Bild „2297“ in der Galerie Smudajescheck in München. Foto: IW
Andächtig stehen die Besucher vor einem anderen großflächigen Werk, es heißt „2297“. Anhand von Satellitendaten und Forschungsergebnissen aus dem Zukunftslabor des Institutes für Bevölkerung und Entwicklung Berlin stellt der Künstler ein Nachtmodell der Erde dar, wie sie im Jahr 2297 illuminiert sein könnte. Es ist gewissermaßen eine Utopie, in der beispielsweise Grönland bewohnt ist, während heutige prosperierende Bereiche in Dunkelheit gefallen sind. Chris Tille empfand die Ergebnisse von Zukunftsforscher Reiner Klingholz als eine „Absage an den Untergang“. Seine Prognose sei eine positive Botschaft inmitten aller globalen Schreckensszenarien.
Wie geht es weiter?
Galeristin Charlotte Smuda-Jescheck bezeichtete „2297“ als die am leichtesten zugängliche Arbeit Chris Tilles astrophysikalisch inspirierter Werke. Sie vergaß nicht, die Gäste neugierig zu machen auf die nächsten Projekte des Künstlers, beispielsweise die fotografische Visualisierung der Landschaft rund um den Tegernsee komplett ohne Zivilisation. Wie das? Wir dürfen neugierig bleiben. Nur so viel wurde verraten: Auch hier arbeitet Chris Tille mit dem Max-Planck-Institut zusammen.